OLG Hamm – Wer einmal lügt, … der bekommt kein Geld von seiner Kaskoversicherung


Ein Fahrzeugbesitzer schloss für sein Fahrzeug eine Teilkaskoversicherung ab. Mit der Behauptung, das Fahrzeug sei gestohlen worden, verlangte er Ersatz. Die Versicherung zahlte nicht. Sie war der Auffassung, das äußere Bild eines Diebstahls sei nicht bewiesen und es bestehe außerdem Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung. Das Landgericht Essen gab der Klage teilweise statt. Letztlich war dann aber die von der Versicherung zum Oberlandesgericht Hamm eingelegte Berufung erfolgreich, da der Fahrzeugbesitzer mit immer neuen Geschichten jegliche Glaubwürdigkeit einbüßte.

Das OLG Hamm entschied, dass der geltend gemacht Anspruch nicht besteht, da der klagende Fahrzeugbesitzer schon das sogenannte äußere Bild eines Diebstahls nicht bewiesen habe, darüber hinaus auch eine Obliegenheitsverletzung vorliege, so dass die Versicherung leistungsfrei ist.

Aus den Gründen:

Der Kläger war beim Nicht-Wiederauffinden des Fahrzeugs allein. Die Aussage seiner Ehefrau kann daher den Beweis nicht erbringen. Aber auch durch seine eigenen Angaben ist der Beweis nicht erbracht. Die eigenen Angaben des Versicherungsnehmers genügen nur dann, wenn er glaubwürdig ist. Der Kläger ist dies nicht. Die zu seinen Gunsten streitende Redlichkeitsvermutung ist widerlegt.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung in zumindest einem Punkt bewusst die Unwahrheit gesagt hat. Der Kläger hat in Bezug auf das in den Jahren 2001 und 2002 gegen ihn geführte (letztlich gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellte) Ermittlungsverfahren wegen Sozialhilfebetrugs vor dem Senat erklärt, der Vorwurf sei unberechtigt gewesen; er, der Kläger, habe seinerzeit alle (neuen) Einkünfte seiner Ehefrau und seiner Tochter der Behörde umgehend mitgeteilt gehabt. Der Senat ist davon überzeugt, dass dies nicht zutrifft. Denn im Laufe des Ermittlungsverfahrens hat der Kläger selbst eingestanden, die Mitteilungen unterlassen („vergessen“) zu haben. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger dies damals unrichtigerweise hätte eingestehen sollen. Er hat dafür und für den Widerspruch zu seiner Angabe vor dem Senat auch keine Erklärung gegeben.

Es kommt hinzu, dass in sonstigen Punkten die Angaben des Klägers vor dem Senat in krassem und durch nichts erklärtem Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag stehen. So hat der Kläger – mit im Einzelnen stark wechselnden Angaben bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen lassen, die Kreditraten für das Fahrzeug seien von dem Konto einer der beiden Töchter überwiesen worden; die andere der beiden Töchter habe sich intern hälftig beteiligt. In der mündlichen Verhandlung zu Einzelheiten befragt, hat sich der Kläger darauf zurückgezogen, dass sich die Zahlungen so nicht nachvollziehen ließen; überwiegend hätten ihm die Töchter Geld in bar gegeben, welches er dann auf ein Konto des Kreditgebers eingezahlt habe. Ferner hat der Kläger zuletzt, bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vortragen lassen, er habe beim Ausfüllen der Schadenanzeige seine dritte Tochter – welche unstreitig die einzelnen Antworten in das Anzeigeformular eintrug – zur Frage nach der „Gesamtfahrleistung“ aufgrund eines sprachlichen Missverständnisses auf den km-Stand im Kaufvertrag (16.500 km) verwiesen. Erstmals vor dem Senat hat er erklärt, er habe seiner Tochter die richtige Antwort (ca. 22.000 km) vorgegeben; diese habe versehentlich den geringeren km-Stand eingetragen.

Die unwahre Angabe zu dem Vorwurf des Sozialhilfebetrugs und die durch nichts erklärten wechselnden Angaben in diesem Rechtsstreit sind insgesamt so gewichtig, dass hiernach nicht mehr von dem Regelfall eines redlichen Versicherungsnehmers ausgegangen werden kann. Es handelt sich nicht um bloße Ungereimtheiten, welche – allein – die Redlichkeitsvermutung nicht widerlegen können.

Unabhängig davon ist die Beklagte leistungsfrei, da der Kläger mit seiner Falschangabe zur Fahrleistung seine Obliegenheit zur Aufklärung verletzt hat (§ 7 AKB, § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG).

Die in der Schadensanzeige angegebene „Gesamtfahrleistung“ war falsch, wie sich aus dem Vorstehenden bereits ergibt. Der Kläger kannte die wahre Fahrleistung. Er hat die Obliegenheit auch selbst verletzt. Denn er hat die Schadenanzeige unterschrieben; dass seine Tochter die Antworten eingetragen hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG ist nicht widerlegt. Sie ist nicht widerlegt durch die von dem Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebene und in erster Instanz durch seine Tochter gestützte Erklärung. Denn diese Erklärung (Irrtum seinerseits aufgrund eines sprachlichen Missverständnisses) hat der Kläger vor dem Senat nicht mehr aufrechterhalten. Letzteres darf und muss der Senat bei der hier vorzunehmenden Prüfung (Widerlegung der Vorsatzvermutung) berücksichtigen. Die Vorsatzvermutung ist aber auch nicht widerlegt durch die neue Erklärung (Kläger habe die richtige Antwort gesagt). Dies gilt schon deshalb, weil der Kläger den Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag und der Bekundung seiner Tochter vor dem Landgericht durch nichts erklärt hat.

Auch die Voraussetzungen der so genannten Relevanz-Rechtsprechung sind erfüllt: Die Schadenanzeige enthielt eine ordnungsgemäße Belehrung. Die Falschangabe der Fahrleistung war geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu beeinträchtigen. Die Differenz zur tatsächlichen Fahrleistung ist erheblich auch bezogen auf den Fahrzeugwert. Es handelt sich nicht bloß um ein Fehlverhalten, welches auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen kann (vgl. zu diesem Maßstab etwa BGH, VersR 1984, 228).

OLG Hamm, Urteil vom 18.01.2006, Az: 20 U 160/05

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