LAG Mainz – Beleidigung des Arbeitgebers berechtigt zur fristlosen Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung


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Ein Arbeitnehmer wurde als Produktionshelfer bei einem Wursthersteller beschäftigt. Nach seinem Arbeitsvertrag konnten vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen Überstunden von bis zu vier Schichten im Monat angeordnet werden. Als der Arbeitnehmer vom Geschäftsführer zur Leistung von Überstunden im Beisein weiterer Arbeitskollegen aufgefordert wurde, entgegnete der Arbeitnehmer „Chef, Arsch lecken, ich hab keine Zeit“. Diese Äußerung nahm der Arbeitgeber zum Anlass den Arbeitnehmer fristlos zu kündigen. Der Arbeitnehmer klagte gegen seine Kündigung und verlor in zwei Instanzen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 07. Februar 2007 – 10 Ca 2187/06 – abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, bei der die bei dem verbalen Ausfall anwesenden Arbeitskollegen aussagten, stünde fest, dass der Arbeitnehmer den Mitgeschäftsführer mit den Worten: „Chef, Arsch lecken, ich hab keine Zeit“, grob beleidigt habe. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich. Die Interessenabwägung ginge zu Lasten des Klägers aus.

Die vom Arbeitnehmer eingelegte Berufung zum Landesarbeitsgericht Mainz wurde dort durch Urteil vom 25.05.2007, Az: 6 Sa 143/07, als unbegründet zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

Das Arbeitsgericht Mainz sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung beendet worden ist.

Soweit die Auffassung vertreten wird, dass im vorliegenden Fall eine Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nötig gewesen sei, folgt dem die Kammer für den vorliegenden Fall nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. u. a. BAG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/01 -) können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, die nach Form und Inhalt einer erheblichen Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Zutreffend ist allenfalls, dass nach dem „ulitima-ratio-Prinzip“ eine außerordentliche Kündigung nur zulässig ist, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessenen milderen Mittel, die geeignet sind, das in der bisherigen Form nicht mehr tragbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen, erschöpft sind (vgl. BAG, Urteil vom 09. Juli 1998 – 2 AZR 201/98 = EzA Nr. 1 zu § 626 BGB, Krankheit). Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Differenzierung zwischen Leistungs- und Vertrauensbereich den Erfordernissen einer vorherigen Abmahnung nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher bemisst ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2001 – 2 AZR 30/00 = EzA Nr. 7 zu § 626 BGB Unkündbarkeit), so berechtigt ein Fehlverhalten im personalen Vertrauensbereich eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung, wenn das Gewicht der Pflichtverletzung eine Wiederherstellung des Vertrauens nicht erwarten lässt (vgl. BAG, Urteil vom 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 = AP Nr. 150 zu § 626 BGB). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall.

Nach den Feststellungen im arbeitgerichtlichen Urteil hat der Kläger den Mitgeschäftsführer der Beklagten im Beisein der Zeugin schwer beleidigt. Diese Beleidigung erhält insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet hatte, aus betrieblichen Gründen Überstunden zu leisten, besonderes Gewicht. Insofern liegt rechtlich auch eine angekündigte Arbeitsverweigerung vor; dieser Aspekt spricht zusätzlich gegen die Notwendigkeit einer Abmahnung. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend gesehen.

LAG Mainz, Urteil vom 25.05.2007, Az: 6 Sa 143/07

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