Was ist ein Pflichtverteidiger?


(c) Peter Reinäcker / Pixelio

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Die Strafprozessordnung (StPO) nennt in § 140 die Fälle, in denen eine „notwendige Verteidigung“ zwingend vorgeschrieben ist. Dem Beschuldigten muss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen danach ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden, falls er nicht bereits selbst einen Rechtsanwalt als Wahlverteidiger bestimmt hat.

Es kommt für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht auf Bedürftigkeit des Beschuldigten an. Der Pflichtverteidiger ist kein „Armenanwalt“. Allein der Umstand, dass der Beschuldigte sich keinen Verteidiger leisten kann, führt danach nicht automatisch dazu, dass ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Im Strafprozess gibt es auch keine Prozesskostenhilfe, wie im Zivilrecht. Auch die Beratungshilfe deckt nur ein erstes Beratungsgespräch ab.

Die Regelfälle der notwendige Verteidigung

Die Mitwirkung eines Verteidigers ist immer dann notwendig, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht bzw. Oberlandesgericht (Staatsschutzsachen) stattfindet (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Das Landgericht als Schwurgericht ist bei Kapitalverbrechen und in Fällen zuständig, in denen mit einer Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren zu rechnen ist.

Die Mitwirkung eines Verteidigers ist nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO zwingend vorgeschrieben, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen vorgeworfen wird. Das ist dann der Fall, wenn die vorgeworfene Tat nach dem Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (z.B. Raub) bedroht ist. Im Gegensatz dazu handelt es sich um ein Vergehen, wenn das Strafgesetz für die Tat im Mindestmaß geringere Freiheitsstrafe oder Geldstrafe androht (z.B. Diebstahl. Entscheidend für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist der Tatvorwurf und die gesetzlich angedrohte Strafe. Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt nach § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO auch dann vor, wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB) führen kann.

Seit dem 01.01.2010 ist in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO geregelt, dass einem  Beschuldigten, gegen den Untersuchungshaft oder die einstweilige Unterbringung vollstreckt wird, ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, und zwar unabhängig von der Schwere des Tatvorwurfes. Vorher musste der Beschuldigte drei Monate ausharren, erst dann hatte er einen Anspruch auf Pflichtverteidigung.

Wenn der Beschuldigte sich wenigstens seit drei Monaten  in einer Anstalt befunden hat (z.B. Auslieferungshaft, Strafhaft oder sonstigem Gewahrsam) und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird, liegt nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ebenfalls ein Fall der notwendigen Verteidigung vor und dem Beschuldigten ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

Die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 6 StPO ist ferner notwendig, wenn der Beschuldigte zum Zwecke der Erstellung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand untergebracht werden soll oder ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO).

Auch wenn der vom Beschuldigten gewählte Wahlverteidiger von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung ausgeschlossen wird und kein anderer Wahlverteidiger auftritt, muss dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt werden (§ 140 Abs. 1 Nr. 8 StPO).

Schwere der Tat, Schwierigkeit der Sach- und Rechtlage, Unfähigkeit zur Selbstverteidigung

Neben den vorgenannten Fällen, besteht die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO auch dann, wenn dies wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint, oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Ein Verteidiger sollte bestellt werden, wenn die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Strafaussetzung zur Bewährung droht, oder wenn zwar eine geringere Freiheitsstrafe zu erwarten ist, wegen dieses Urteils aber der Widerruf einer anderweitig gewährten Strafaussetzung zur Bewährung droht. Darüber hinaus wird die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers erforderlich sein, wenn für einen Nebenklageberechtigten ein Rechtsanwalt auftritt.

Auswahl und Zeitpunkt der Bestellung des Pflichtverteidigers

Der beizuordnende Pflichtverteidiger soll nach § 142 StPO möglichst aus den im jeweiligen Gerichtsbezirk zugelassenen Anwälten ausgewählt werden. Dem Beschuldigten bzw. Angeklagten ist zuvor Gelegenheit zu geben, einen Anwalt seines Vertrauens vorzuschlagen, der auch zu bestellen ist, wenn nicht „wichtige Gründe“ entgegen stehen. Der Beschuldigte hat daher auch das Recht, einen auswärtigen Verteidiger zu wählen. Auch der zunächst als Wahlverteidiger tätige Rechtsanwalt kann die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen. Auf die Beiordnung des Anwalt seines Vertrauens besteht ein Anspruch. Dieses Vertrauensverhältnis braucht nicht besonders dargelegt zu werden.

Gemäß § 141 StPO ist der Verteidiger spätestens dann zu bestellen, wenn der Angeklagte zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert wird, einen Verteidiger seiner Wahl als möglichen Pflichtverteidiger zu benennen. In Haftsachen hat eine Beiordnung  unverzüglich zu erfolgen, spätestens  im Rahmen der ersten Vorführung vor den Haftrichter oder im Haftprüfungstermin.

Die Vergütung des Pflichtverteidigers

Der Pflichtverteidiger wird vom Gericht bestellt und macht seinen Anspruch auf Vergütung in Höhe der Pflichtverteidigergebühren daher gegenüber der Staatskasse geltend. Die Gebühren sind niedriger als diejenigen, die ein Wahlverteidiger hätte beanspruchen können. Sofern der Angeklagte allerdings wirtschaftlich in der Lage ist, auch Wahlverteidigergebühren zu bezahlen, kann das Gericht nach § 52 Abs. 3 u. 4 RVG feststellen, dass der Angeklagte zur Bezahlung von Wahlverteidigergebühren in der Lage und verpflichtet ist.

Wird der Angeklagte verurteilt und werden ihm die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen auferlegt, so fordert die Staatskasse von ihm die Rückerstattung der festgesetzten Pflichtverteidigervergütung. Letztlich zahlt der Angeklagte damit auch den ihm beigeordneten Pflichtverteidiger.

Werden die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt (Freispruch oder Teilfreispruch), kann der Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse Wahlverteidigergebühren abrechnen.

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