OLG Frankfurt am Main – 76,03 Euro Schmerzensgeld für jeden Tag zu Unrecht erlittener Haft sind angemessen


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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 2. Oktober 2007, Az: 19 U 8/2007, einen gerichtlichen Sachverständigen zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 150.000,00 Euro verurteilt, weil aufgrund seines in einem Strafprozess erstatteten Gutachtens der Kläger zu Unrecht zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Die bei einem Banküberfall durch eine automatische Überwachungskamera angefertigten Lichtbilder führten zur Festnahme des Klägers. Im Ermittlungsverfahrens wurde der Beklagte als Sachverständiger beauftragt, ein anthropologisches Vergleichsgutachten durch Vergleichsbilder zu erstellen. Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ mit der Person auf den Täterbildern identisch sei. In der Gerichtsverhandlung stellte er klar, dass nach seiner Berufserfahrung für ihn an der Täterschaft des Klägers keinerlei Zweifel bestünden. Der Kläger wurde zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Kurz nach der Haftentlassung des Klägers gestand der wirkliche Täter die Tat.

Der Kläger hat den Sachverständigen wegen grob fahrlässiger Verletzung der Pflichten eines Sachverständigen auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 311.259,21 Euro verklagt. Das Landgericht Hanau huelt den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt und sprach dem Kläger knapp 58.000,00 Euro zu. Der Kläger strebte ein höheres Schmerzensgeld an, während der Beklagte seine Haftung dem Grunde nach bestritt, beide legten Berufung ein.

Nach dem Urteil des OLG Frankfurt am Main verbleibt es bei der Haftung des Beklagten, dem Kläger wurde ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen. Nach Auffassung des Gerichts sei zwar das schriftliche Gutachten noch nicht grob fehlerhaft, eine grob fahrlässige Fehlerhaftigkeit der Begutachtung folge jedoch aus den Äußerungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung, weil er dort nicht mehr nur eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ der Täterschaft, sondern das Bild einer von Restzweifeln befreiten Sicherheit vermittelt habe. Er habe die erforderliche Differenzierung und Erläuterung der Wahrscheinlichkeitsprädikate vermissen lassen und die Darstellung gegebener Zweifel zu Ausschlussmerkmalen versäumt. Der Beklagte habe wissenschaftliche Standards vermissen lassen.

Insgesamt hielt der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,00 Euro als billige Geldentschädigung für 1973 Tage zu Unrecht erlittener Haft für angemessen (Anmerkung: das entspricht 73,06 Euro pro Tag!). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 2. Oktober 2007 – Az: 19 U 8/2007

Quelle: Pressemiteilung vom 02.102.2007

Hintergrundinformationen zum Fall und zu Identitätsgutachten unter
Wikipedia: Donald Stellwag
hessenschau, 02.10.2007 (Video)
Focus 32/2001: Fachmann für Fehlurteile

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