Wenn der Psychologe seinen eigenen Patienten in die Pfanne haut


Mein Mandant kam mit einer Anklage und einer Ladung zum Hauptverhandlungstermin zu mir, also eigentlich zu spät, um die Sache noch ohne Verhandlung gerade zu biegen. Er soll einen Arzt betrogen haben, indem er dessen Leistungen in der Absicht in Anspruch nahm, ihn nicht zu bezahlen. Unabhängig davon, dass eine Anklage immer eine ernste Sache ist, kam erschwerend hinzu, dass der Mandant Polizeibeamter ist und so ein Verfahren auch disziplinarische Folgen haben kann.

Tatsächlich hatte er die Arztrechnung zunächst nicht bezahlen können, da er erhebliche finanzielle Probleme hatte. Dies war dem Arzt auch bekannt. Genau deswegen hatte mein Mandant den Arzt – seines Zeichens Psychologe –  aufgesucht. Sein Dienstherr hatte meinen ohnehin psychisch angeschlagenen Mandanten nach einem Schußwaffengebrauch angewiesen, sich durch die Sozialfürsorgestelle behandeln zu lassen.

Dort schickte man ihn zum Psychologen, dem mein Mandant auch von seiner desolaten Lage erzählte. Wie viele andere Beamte, hatte auch er eine „Schrottimmobilie“ gekauft, die sich nicht vermieten ließ. Auf den monatlichen Kosten blieb er sitzen. Insgesamt hatte er schon über 50.000 Euro Schulden auflaufen lassen. Der Psychologe führte drei Behandlungen durch, verwies meinen Mandanten an eine Schuldnerberatung und rechnete rund 1.200 Euro an Behandlungskosten ab. Die erhielt mein Mandant zwar von der Beihilfestelle ersetzt, allerdings war sein Konto hoffungslos überzogen und das Geld gleich wieder weg. Er konnte also nicht sofort zahlen.

Der Arzt erwirkte einen Titel, pfändete anschließend das Gehalt und hatte danach sein Geld. Da der Arzt das Verhalten meines Mandanten darüber hinaus höchst verwerflich fand, erstattete er nebenher auch noch eine Strafanzeige. Entweder weil er dachte, die Staatsanwaltschaft würde ihm sein Geld besorgen, oder weil er seine Forderung für den Fall einer Insolvenz ausgenommen wissen wollte.

Ich war mit der Frage der Verteidigungsmöglichkeiten ein wenig in der Zwickmühle. Zum einen war ein Betrug zwar fraglich, da mein Mandant den Arzt nicht im Unklaren über seine finanzielle Lage gelassen hatte und die Zahlungsunfähigkeit auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eintrat, anderseits hätte eine derartige Einlassung bei Bekanntwerden auch die Gefahr weiterer disziplinarischer Maßnahmen mit sich gebracht, da die immense Verschuldung dem Dienstherren nicht bekannt war.

Nach § 40 Landesbeamtengesetz Berlin begeht derjenige Beamte ein Dienstvergehen, der schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten innerhalb, als auch außerhalb des Dienstes verletzt.  Auch eine Überschuldung kann zu einem Disziplinarverfahren führen, da zumindest der Verdacht besteht, dass der Beamte durch außerdienstliches Verhalten sein eigenes Ansehen bzw. das Ansehen des Berufsbeamtentums verletzt hat. Ein Beamter hat in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben, schon um der Gefahr der Bestechung vorzubeugen.

Glücklicherweise war der Richter einem vor der Hauptverhandlung erbetenen Rechtsgespräch nicht abgeneigt. Nach Erläuterung der Umstände und gemeinsamer „Überredung“ der Staatsanwaltschaft kamen wir überein, das Verfahren gegen Zahlung von 300 Euro einzustellen. Mein Mandant, ohnehin sehr aufgeregt, musste nur noch kurz in den Saal, die Einstellung abnicken und dufte nach fünf Minuten glücklich den Saal wieder verlassen.

Draussen saß schon die nächste Delinquentin, schaute meinen strahlenden Mandanten an, dann staunend auf die Uhr und fragte, das ging ja schnell, kann ich sie jetzt eigentlich noch engagieren und was kosten sie? Da mir dass dann definitiv doch zu wenig Vorbereitungzeit für eine Verteidigung war, habe ich aber abgelehnt.

Das gegen meinen Mandanten wegen der Betrugsanklage zunächst eingeleitete Disziplinarverfahren wurde anschließend ebenfalls folgenlos eingestellt und er konnte sich in Ruhe anfangen seine Finanzen in Ordnung zu bringen.

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