Ob eine unter Verstoß gegen den gesetzlichen Richtervorbehalt durch die Polizei angeordnete Blutentnahme im einem Straf- oder Bußgeldverfahren verwertet werden darf oder nicht, ist Gegenstand zahlreicher obergerichtlicher Entscheidungen. Mal wird ein Beweisverwertungsverbot angenommen, mal wird ein solches verneint. Unabhängig von dieser Frage, stellt sich die Problematik erneut im Verwaltungsverfahren, wenn es um die Klärung der Geeignetheit zum Führen Kraftfahrzeugen geht. Egal ob das Straf- oder Bußgeldverfahren eingestellt wurde oder ein Freispruch erfolgte, bei einer Verurteilung verbunden mit der Entziehung der Fahrerlaubnis und dem Antrag auf Wiedererteilung ohnehin, erlangt die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis vom Verfahren und wird prüfen, ob Zweifel an der Fahreignung bestehen und ob eine ärztliches Gutachten oder eine MPU angeordnet werden müssen.
Eine solche Anordnung ist u.a. nach § 13 Nr. 2a FeV zwingend vorgesehen, wenn sich nach einer ärztlichen Begutachtung oder sonstigen Tatsachen Anzeichen für Alkoholmissbrauch ergeben. Ebenfalls zwingend vorgeschrieben ist eine MPU nach § 13 Nr. 2c FeV wenn ein Fahrzeug bei einer BAK von 1,6 ‰ oder mehr geführt wurde. Berauschende Mittel nach Anlage 4 der FeV können ebenso die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellen. Der Nachweis einer BAK oder Drogen wird allein über eine Blutprobe erbracht, die möglicherweise rechtswidrig erlangt worden ist. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht regelmäßig, natürlich immer einzelfallbezogen, von einer Verwertbarkeit aus, da nach Abwägung das Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs überwiege. So auch das OVG Lüneburg, das die Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf vorläufigen Rechtschutz gegen eine Fahrerlaubnisentziehung nach gelegentlichen Konsum von Cannabis zurückwies.
Aus den Gründen:
(…) Das Verwaltungsgericht hat im Fall des Antragstellers einen gelegentlichen Konsum von Cannabis und ein fehlendes Vermögen zur Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV angenommen, da dieser (…) mit einer THC-Konzentration von 7,5 ng/ml und einem THC-COOH-Gehalt von 160 ng/ml ein Kraftfahrzeug geführt und in seinem Schreiben (Konsum über einen Zeitraum von einer Woche) eingeräumt hat (…). Die Annahme der fehlenden Fahreignung des Antragstellers begegnet bei den hier in Frage stehenden Werten und den vom Antragsteller gemachten Angaben zu seinem Konsumverhalten keinen Bedenken. (…)
Der Antragsteller kann der (…) verfügten Fahrerlaubnisentziehung auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Blutentnahme (…) ohne richterliche Anordnung erfolgt sei und das Ergebnis der Blutuntersuchung (…) daher von der Fahrerlaubnisbehörde nicht verwertet werden dürfe. Nach § 81a Abs. 2 StPO steht die Anordnung einer körperlichen Untersuchung dem Richter und nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihren Ermittlungspersonen zu. Die Frage, ob im Fall des Antragstellers im Rahmen der durchgeführten Verkehrskontrolle (…) die Voraussetzungen der Gefährdung des Untersuchungserfolges vorgelegen haben, ist – soweit ersichtlich – bislang nicht Gegenstand einer strafgerichtlichen Entscheidung oder einer Bußgeldentscheidung gewesen. Diese Frage lässt sich im vorliegenden Verfahren auf Grundlage der im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners befindlichen polizeilichen Ermittlungsunterlagen auch nicht abschließend beantworten. (…)
Selbst wenn man indes ein strafprozessuales Verwertungsverbot annehmen wollte, bedeutete das nicht, dass im vorliegenden Zusammenhang eine entsprechende Beurteilung geboten wäre. Zwar muss die Behörde auch im Verwaltungsverfahren bei ihrer Ermittlungstätigkeit die sich aus Gesetzen, allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Grundrechten ergebenden Grenzen beachten (vgl. Bader/Ronellenfitsch, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 24 Rn 30). Für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts ist aber weder im Straßenverkehrsgesetz noch in der Fahrerlaubnis-Verordnung ein ausdrückliches Verwertungsverbot für nicht richterlich angeordnete körperliche Untersuchungen bestimmt. Ebenso wie im Strafprozessrecht kann daher ein solches Verbot nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der gegenläufigen Interessen angenommen werden, wobei jedoch in Verwaltungsverfahren, die wie das Fahrerlaubnisrecht der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres dieselben Maßstäbe wie im repressiven Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts gelten (vgl. bereits Senat, Beschl. v. 14.8.2008 – 12 ME 183/08 -, VD 2008, 242-244 unter Bezugnahme auf OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.3. 2008 – 1 M 12/08 -, juris; zuletzt Beschl. v. 5.11.2009 – 12 ME 237/09 -; ferner VG Osnabrück, Urt. v. 20.2.2009 – 6 A 65/08 -, juris und VG Braunschweig, Beschl. v. 29.1.2008 – 6 B 214/07 -, juris). Denn im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis hat die Behörde maßgeblich und mit besonderem Gewicht weitere Rechtsgüter Drittbetroffener und das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor Fahrerlaubnisinhabern, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, zu beachten. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, ein von der Fahrerlaubnisbehörde rechtswidrig angeordnetes Gutachten über die Fahreignung bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen, wenn das Gutachten ein eindeutig negatives Ergebnis ausweist (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 14.8.2008 – 12 ME 183/08 -, a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.3. 2008 – 1 M 12/08 -, a.a.O.). Dieser Gedanke gilt umso mehr, wenn der Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften nicht von der Fahrerlaubnisbehörde selbst zu verantworten ist. Da der Verstoß gegen die strafprozessuale Beweiserhebungsvorschrift des § 81a StPO in Konstellationen wie vorliegend nicht von der für das Verwaltungsverfahren zuständigen Fahrerlaubnisbehörde ausgeht, kann die für das Strafverfahren gültige Überlegung, dass das Interesse des Einzelnen an der Bewahrung seiner Rechtsgüter zu Lasten des staatlichen Strafverfolgungsinteresses bei groben Verstößen durch die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden unter dem Gesichtspunkt einer fairen Verfahrensgestaltung überwiegt, auf das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren nicht übertragen werden.
Die Fahrerlaubnisbehörde darf daher im überwiegenden Interesse an dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahren auch ein unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a StPO gewonnenes Ergebnis einer Blutprobenuntersuchung berücksichtigen, wenn aus diesem ohne Weiteres eine fehlende Kraftfahreignung des Betroffenen hervorgeht. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass weder das Straßenverkehrsgesetz noch die Fahrerlaubnis-Verordnung für die Anordnung von ärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen einen Richtervorbehalt vorsehen und es einen Wertungswiderspruch bedeutete, wenn Fälle, die ihren Ausgang in einem straf- oder bußgeldrechtlich ahndungsfähigen Verkehrsverstoß nehmen, anders behandelt würden als solche, in denen die Behörde nach § 11 Abs. 2 FeV aufgrund ihr bekannt gewordener Tatsachen selbst Zweifeln an der Kraftfahreignung eines Betroffenen nachgeht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.11.2009 – 1 S 205.09 -, juris).
OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.12.2009, Az:12 ME 234/09
Vorinstanz: VG Oldenburg, Beschluss vom 08.09.2009, Az: 7 B 2372/09