Wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss in 2002 erging gegen eine Autofahrerin ein Bußgeldbescheid, in dem ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet wurde. Wegen einer weiteren Alkoholfahrt in 2005 erging erneut ein Bußgeldbescheid wiederum mit einem einmonatigen Fahrverbot. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte die Frau nach dem zweiten Vorfall auf, ein MPU-Gutachten beizubringen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Die MPU verlief negativ, die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass zu erwarten sei, dass die Frau auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Die Behörde entzog daher die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an, weil dies wegen der besonderen Gefahren für den Straßenverkehr geboten sei.
Der gegen die sofortige Vollziehung gerichtete Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte beim Verwaltungsgericht Stade Erfolg.
Fraglich sei nach Ansicht der Gerichts bereits, ob die Behörde berechtigt war, ein Gutachten zur Klärung bestehender Eignungszweifel anzufordern. Hierzu müssten mindestens zwei Ordnungswidrigkeiten, die noch verwertbar sind, nachgewiesen sein. Im zu entscheidenden Fall war die erste Alkoholfahrt allerdings bereits tilgungsreif. Eine MPU hätte daher überhaupt nicht angeordnet werden dürfen. Allerdings rechtfertigen die Eignungszweifel der ungerechtfertigten MPU die Anordnung einer erneuten MPU.
Aus den Beschlussgründen:
(Die Behörde) hat die entsprechende Aufforderung auf § 13 Nr. 2b FeV gestützt. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Nach dem Wortlaut müssen demnach mindestens zwei Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss bekannt und verwertbar (vgl. Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, Anm. 3b zu §13 FeV) sein. Im vorliegenden Fall ist es fraglich, ob der am 24. Mai 2002 begangene Verstoß noch verwertbar war. Die Antragstellerin hatte seinerzeit eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG begangen, weil sie ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, obwohl sie 0,29 mg/l Alkohol in der Atemluft hatte. Gemäß § 29 Abs. 1 StVG werden derartige Ordnungswidrigkeiten regelmäßig nach zwei Jahren getilgt, (vgl. Bouska/Laeverenz, Anm. 2 zu § 29 StVG). Danach erscheint es zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 13 Ziffer 2b FeV tatsächlich vorlagen, als die Antragstellerin unbestritten wiederum eine Ordnungswidrigkeit begangen hatte, als sie am 6. März 2005 wiederum ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führte, obwohl der Atemalkoholgehalt nunmehr 0,41 mg/l betrug. Im Hinblick auf die Bewertung der Ziffer 2b des § 13 FeV muss berücksichtigt werden, dass im Falle einer einmaligen Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erst bei einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr gerechtfertigt ist. Es kommt zwar bei der Anwendung der Nummer 2b nicht auf die insgesamt erreichte Punktzahl nach dem Punktesystem des § 4 StVG an, weil § 13 Nr. 2b FeV insoweit eine spezielle Vorschrift ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.9.2000, 12 L 3300/00, und Begründung zu § 13 FeV – BR-Drucks. 443/98 S. 260, abgedr. bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Anm. 1 und 2 zu § 13 FeV), es muss sich aber um mindestens zwei noch verwertbare Ordnungswidrigkeiten handeln, weil anderenfalls die Vorschrift des § 13 Nr. 2c FeV unterlaufen würde, die bei einem einmaligen Verstoß einen höheren Wert voraussetzt. Fraglich erscheint zudem, ob eine Rückrechnung des Atemalkoholwertes von morgens 7.40 Uhr auf einen Blutalkoholwert des vorhergehenden Abends noch zulässig sein kann. Eine Konvertierung erscheint ohnehin bereits bedenklich (vgl. die Nachweise bei Hentschel, aaO, Anm. 16 zu § 24b StVG). Eine darüber noch hinausgehende Rückrechnung erscheint ohne Zugrundelegung einer Blutprobe ausgeschlossen. Das bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung.
Nachdem die Antragstellerin das Gutachten, wenn auch aufgrund nicht berechtigter Forderung des Antragsgegners beigebracht hat, muss nunmehr berücksichtigt werden, dass dieses Gutachten für sie negativ ausgegangen ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Gutachter nach Ansicht der Kammer in der abschließenden Bewertung gezogenen Schluss, dass zu erwarten sei, die Antragstellerin werde auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen, nicht absolut überzeugend aus den Ergebnissen ihrer Untersuchung herleiten. (…) Andererseits kann von der Kammer nicht vernachlässigt werden, dass jedenfalls nunmehr nach Vorlage dieses Gutachtens erhebliche Zweifel an der Eignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen, so dass spätestens nach Vorlage dieses Gutachtens die Forderung, die Eignungszweifel zu klären, wenn auch gestützt auf § 13 Nr. 2a FeV, gerechtfertigt war. Die Kammer meint daher, dass die Antragstellerin jetzt in den Stand versetzt werden kann, den sie zum Zeitpunkt einer (nunmehr) gerechtfertigten Forderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hatte. Bis zu einer derartigen Vorlage ist es jedoch dem Fahrerlaubnisinhaber regelmäßig gestattet, die Fahrerlaubnis weiter zu nutzen. Daher darf auch die Antragstellerin zunächst weiterhin ein Kraftfahrzeug führen. Dies kann jedoch nur mit der Maßgabe geschehen, dass ihr aufgegeben wird, ein weiteres Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen, das nunmehr zu der Frage Stellung nimmt, ob zu erwarten ist, dass die Antragstellerin zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und ob Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges in Frage stellen. (…)
VG Stade, Beschluss vom 22.09.2005, AZ:1 B 1699/05