Die Parteien streiten darüber, ob eine von der Beklagten verhaltensbedingt begründete Kündigung berechtigt ist und ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger, einen Chefkoch, weiterzubeschäftigen. Durch sein Verhalten soll der Kläger die Tätigkeit der später eingestellten Hoteldirektorin in nicht hinnehmbarer Weise erschwert haben und wurde ohne Abmahnung gekündigt.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung und einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Auf die Beschwerde wurde der Rechtsstreit vom Bundesarbeitsgericht zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen, da die Beklagte als beweisbelastete Partei für den Inhalt des Gesprächs Beweis durch ihre eigene Anhörung oder Vernehmung angeboten hatte, das Landesarbeitsgericht dies aber unberücksichtigt ließ. Darin liege ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
Aus den Gründen:
Soweit es dagegen darum geht, dass der Kläger die Beklagte vor die Wahl gestellt habe, sich zwischen ihm und der Hoteldirektorin zu entscheiden, und damit nicht um das beanstandete Verhalten gegenüber der Hoteldirektorin, hat das Landesarbeitsgericht tragend darauf abgestellt, dass die Beklagte insoweit keinen zulässigen Beweis angetreten hat. (…)
Dieser gerügte Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) liegt vor.
Art. 103 Abs. 1 GG sichert – iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip – den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Er gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten – wie hier eine vorliegt – aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernissen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden. Insbesondere müssen die Beteiligten einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Auch gehört es zu den für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässlichen Verfahrensregeln, dass das Gericht über die Richtigkeit bestrittener Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage. Um sie zu gewährleisten, bedarf es eines Mindestmaßes an rechtlichem Gehör (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 – 2 BvR 140/ 00 – NJW 2001, 2531, zu III 1 a der Gründe).
Die aus der Verfassung folgende Pflicht zur Prüfung verbietet es, einer Partei, die – wie hier – ihre Behauptung über den Inhalt eines Gesprächs allein durch ihre eigene Vernehmung führen kann, dieses Beweismittel zu verwehren. Damit würde die Partei in ihrer Beweisnot belassen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist es geboten, die Partei entweder selber im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören. Ein Beweisantrag auf Heranziehung der Partei als Beweismittel ist dann nicht unzulässig.
Dies ist für die Fallgestaltung, dass in einem Zivilprozess eine Seite auf einen ihr nahestehenden Zeugen zurückgreifen kann, während die andere Seite an einem „Vieraugengespräch“ lediglich allein beteiligt war, in der Rechtsprechung anerkannt (BVerfG 21. Februar 2001 – 2 BvR 140/ 00 – NJW 2001, 2531, zu III 1 b der Gründe; BAG 6. Dezember 2001 – 2 AZR 396/ 00 – BAGE 100, 52, zu B III 2 b bb der Gründe; zu Unrecht skeptisch: Sächsisches LAG 15. September 1999 – 2 Sa 519/ 99 – NZA-RR 2000, 497). Für diese Konstellation ist auch anerkannt, dass bei einer anderen Handhabung ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliegt (EGMR 27. Oktober 1993 – 37/ 1992/ 382/ 460 – NJW 1995, 1413). Die Grundsätze sind darüber hinaus auch auf eine Fallgestaltung wie sie hier vorliegt zu übertragen, dass ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein „gegnerischer“ Zeuge, zugegen ist. Auch in diesem Fall stünde die Partei vor einer nicht behebbaren Beweisnot, würde ihr nicht Gelegenheit gegeben, den notwendigen Beweis überhaupt zu führen (vgl. BAG 16. September 1999 – 2 AZR 712/ 98 – AP GrO kath. Kirche Art. 4 Nr. 1 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45, zu II 2 f dd der Gründe; im Ergebnis wie hier Zwanziger DB 1997, 776, 778).
Der Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs war auch entscheidungserheblich. Hätte das Landesarbeitsgericht den streitigen Sachvortrag der Parteien nicht von vornherein wegen des aus seiner Sicht unzulässigen Beweisantritts außer Betracht gelassen, wäre es nicht auszuschließen, dass es ihn in tatsächlicher Hinsicht so gewertet hätte, dass eine Abmahnung des Klägers von vornherein aussichtslos und daher entbehrlich gewesen wäre. Auf der Basis einer derartigen Wertung wäre dann Beweis zu erheben gewesen. (…)
BAG, Beschluss vom 22. 5. 2007 – 3 AZN 1155/ 06 (Lexetius.com/2007,1435)