OLG Saarbrücken – „Spontanäußerung“ der Ehefrau eines Beschuldigten unterliegt keinem Verwertungsverbot


Reden ist Silber, schweigen ist Gold. Nicht nur für einen Beschuldigten in einem Strafverfahren gilt es dieses Sprichwort zu beherzigen, auch Zeugnisverweigerungsberechtigte, wie z.B. die Ehefrau, sollten sich vor unbedachten Äußerungen hüten. Nach einem Verkehrsunfall blieb für einen Beschuldigten, dessen Ehefrau ihm deutlich vernehmbare Vorhaltungen machte, noch nicht einmal Silber.

Das Amtsgericht verurteilte den einschlägig vorbestraften Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort begangen in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus, entzog ihm die Fahrerlaubnis und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von 10 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

In der Hauptverhandlung schwieg der Angeklagte zwar und auch seine Ehefrau besann sich und machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Das Amtsgericht verurteilte ihn trotzdem, da seine Ehefrau zunächst telefonisch gegenüber der zuständigen Polizeiinspektion den Sachverhalt geschildert und später im Beisein eines als Zeugen vernommenen Polizeibeamten in einem Streitgespräch mit ihrem Ehemann Äußerungen gemacht hatte, die den Schluss zuließen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt der Fahrer war.

Der Angeklagte legte Revision zum Oberlandesgericht Saarbrücken ein und beanstandete die Verwertung der früheren Angaben seiner Ehefrau. Gemäß § 252 der Strafprozessordnung darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, nicht verwertet werden. Die Revision führte nicht zum erhofften Erfolg einer Urteilsaufhebung. Das OLG Saarbrücken kam zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau die Angaben eben nicht in einer „Vernehmung“ sondern ungefragt, „spontan“ und „aus freien Stücken“ gemacht hat. Solche Aussagen sind verwertbar.

Aus den Gründen:

Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Die Vorschrift ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung über ihren Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Angaben einer zeugnisverweigerungsberechtigten Person, insbesondere die Vernehmung nichtrichterlicher Verhörspersonen zum Inhalt der früheren Angaben unzulässig ist (vgl. BGHSt 2, 99, 102; 36, 384, 387; 45, 203, 205; Meyer-Goßner, StPO, 50. A., § 252 Rn. 7 und 13 m.w.N.).

Allerdings gilt das Verwertungsverbot nur für frühere Äußerungen des Zeugen im Rahmen einer Vernehmung. Als „Vernehmung“ in diesem Sinne ist dabei nicht nur eine unter Beachtung des § 163a Abs. 5 StPO durchgeführte förmliche Vernehmung anzusehen. Der Begriff der Vernehmung ist vielmehr weit auszulegen und umfasst alle früheren Bekundungen auf Grund einer amtlichen Befragung, also auch Angaben bei einer informatorischen Befragung durch die Polizei (vgl. BGHSt 29, 230; Thüring. OLG StV 2006, 518; OLG Hamburg StV 1990, 535). Entscheidend ist, dass die Auskunftsperson von einem Staatsorgan in amtlicher Eigenschaft zu dem den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden Sachverhalt gehört worden ist.

Von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommen sind Äußerungen, die der zur Zeugnisverweigerung berechtigte Zeuge unabhängig von einer Vernehmung gemacht hat. Verwertbar und einer Beweiserhebung zugänglich sind daher Bekundungen gegenüber Privatpersonen, aber auch Erklärungen gegenüber Amtspersonen, die der Angehörige von sich aus außerhalb einer Vernehmung, etwa bei der Bitte um polizeiliche Hilfe, bei einer nicht mit einer Vernehmung verbundenen Strafanzeige oder sonst ungefragt, „spontan“ und „aus freien Stücken“ abgegeben hat (vgl. BGHSt 1, 373, 375; 29, 230, 232; 36, 384, 389; 40, 211, 215; NStZ 1986, 232; NStZ 1998, 26; NJW 1998, 2229; NStZ 2007, 712; OLG Hamm NStZ-RR 2002, 370; BayObLGSt VRS 59, 205; Meyer-Goßner, a.a.O., § 252 Rn. 8 m.w.N.).

Gemessen hieran sind die früheren Äußerungen der Ehefrau des Angeklagten vorliegend verwertbar.

Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich die Zeugin vor Bekanntwerden des Tatverdachts gegen ihren Ehemann telefonisch an die zuständige Polizeiinspektion gewandt und mitgeteilt, dass ihr Mann soeben mit dem Fahrzeug nach Hause gekommen sei, einen Unfall gehabt habe und betrunken sei. Beim Eintreffen der Polizeibeamten am Wohnanwesen äußerte der Angeklagte – während die Beamten noch am Aussteigen waren und bevor sie Gelegenheit hatten, den Angeklagten oder seine Frau anzusprechen -, er wäre nicht gefahren, während seine Ehefrau sagte, er sei soeben mit dem Fahrzeug nach Hause gekommen. Da der Streit zwischen den Ehegatten eskalierte, wurden sie von den Beamten getrennt.

Beide Äußerungen der Ehefrau des Angeklagten erfolgten nach diesen Feststellungen außerhalb einer förmlichen Vernehmung oder informatorischen Befragung spontan und aus freien Stücken und unterliegen daher nicht dem Verwertungsverbot des § 252 StPO. Die Zeugin schilderte zunächst fernmündlich von sich aus und ungefragt den vollständigen Sachverhalt, ohne dass zu diesem Zeitpunkt ein Tatverdacht gegen ihren Mann bestanden hätte. Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Beamten vor Ort bestand zwar aufgrund der vorangegangenen Mitteilung der Zeugin ein Tatverdacht, zu diesem wurde die Zeugin allerdings nicht gehört, sondern sie tätigte die weitere Äußerung in einem Streitgespräch mit ihrem Mann erneut ungefragt lediglich im Beisein der Polizeibeamten und damit außerhalb einer Vernehmung.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.02.08 Ss 71/2007 (78/07)

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