Das Landgericht Düsseldorf bestätigte drei einstweilige Verfügungen, die der Berliner Rap-Musiker Bushido gegen Anschlussinhaber erwirkt hatte, die seine Werke bei Tauschbörse im Internet heruntergeladen haben sollen. Die Anschlussinhaber bestritten die Vorwürfe und argumentierten, auf ihren Rechnern habe sich nicht einmal eine geeignete Software für den angeblichen Download befunden. Ein in Anspruch genommenes Ehepaar erklärte, dass zur fraglichen Zeit nachweislich niemand an ihrem Rechner gewesen sei. Einer anderer Anschlussinhaber, ein Rentner, äußerte, er wisse noch nicht einmal, wer Bushido sei.
Zumindest diese Wissenslücke dürfte nunmehr beseitigt sein, ebenso wie die Unkenntnis, dass man sein Funknetzwerk besser verschlüsseln sollte, um unberechtigte Zugriffe Dritter zu verhindern. Das Gericht stützte die einstweiligen Verfügungen nämlich auf den Grundsatz der „Störerhaftung“. Danach haften Anschlussinhaber für rechtswidrige Taten Dritter als „Störer“, auch wenn diese Dritten ein nicht geschütztes WLAN missbraucht hätten. Die Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren sind nicht rechtskräftig, Rechtsmittel dagegen sind zulässig. Eine Entscheidung im sich ggfls. anschließenden Hauptsacheverfahren dürfte allerdings kaum anders ausfallen.
Aus den Entscheidungen:
LG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.2008, Az: 12 O 195/08
(…) Aufgrund der Veröffentlichung des Musikwerkes über seinen Internetanschluss haftet der Antragsgegner auf Unterlassung. Zwar hat er durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass er selbst die entsprechende Tauschsoftware nicht genutzt hat. Als Inhaber des genutzten Internetzugangs haftet er aber zumindest als Störer. Ein Verschulden ist im Rahmen des Unterlassungsanspruchs dagegen gerade nicht erforderlich. Störer ist, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beigetragen und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat (BGH NJW 2004, 3102, 3205).
Die erste Voraussetzung ist vorliegend zu bejahen. Wie bereits dargestellt, hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass der Internetzugang des Antragstellers genutzt worden ist, um das Musikwerk des Antragstellers öffentlich zugänglich zu machen. Es genügt, dass der Antragsgegner willentlich einen Internetzugang geschaffen hat, der objektiv für Dritte nutzbar war. Ob die Urheberrechtsverletzung von seinem Computer aus begangen worden ist oder ob Dritte – beispielsweise unter Ausnutzung eines ungesicherten WLAN-Netzes – auf seinen Internetzugang zugegriffen haben, ist ohne Bedeutung. Ohne den vom Betroffenen geschaffenen Internetzugang hätte weder die eine noch die andere Möglichkeit bestanden. Die Schaffung des Internetzugangs ist folglich für die Rechtsverletzung in jedem Fall kausal (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2007, Az. I-20 W 157/07 m.w.N.).
Dem Vortrag des Antragsgegners ist auch nicht zu entnehmen, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Zugriff auf das X-Netzwerk über seinen Anschluss zu unterbinden. Die Obliegenheit, solche Maßnahmen zu ergreifen, folgt aus dem Umstand, dass er mit dem Internetzugang eine Gefahrenquelle geschaffen hat, die nur er überwachen kann (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Ihn trifft auch die entsprechende Darlegungslast, da naturgemäß nur er Kenntnis von den getroffenen Vorkehrungen haben kann. Der Antragsgegner beschränkt sich jedoch darauf, zu behaupten, dass sein Rechner nicht über die erforderliche Software verfügt, um sich in das Netzwerk einzuloggen; dies genügt vorliegend nicht.
Es ist nämlich möglich, dass ein Dritter über ein vorhandenes unverschlüsseltes WLAN-Netz Zugriff auf den Anschluss genommen hat. Es ist einem Anschlussinhaber aber zuzumuten, zumindest Standardmaßnahmen zur Verschlüsselung des Netzwerkes zu ergreifen; ansonsten verschafft er nämlich objektiv Dritten die Möglichkeit, sich hinter seiner Person zu verstecken und im Schutze der von ihm geschaffenen Anonymität ohne Angst vor Entdeckung ungestraft Urheberrechtsverletzungen begehen zu können (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). (…)
(Volltext der Entscheidung unter www.justi.nrw.de abrufbar)
Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 16.07.2008, Az: 12 O 229/08
(…) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, sie sei (…) um 10.30 Uhr nach X gefahren, ist dies schon deshalb unerheblich, weil der streitgegenständliche „Download-Vorgang“ um 1.27:26 Uhr geschehen ist. Es kann aber offen bleiben, ob die Bereitstellung im Internet durch Familienangehörige erfolgt ist oder die Rechtsverletzungen aufgrund einer Nutzung der ungeschützten W-LAN-Internetverbindung durch Dritte erfolgt ist. Die Antragsgegnerin hat für diese Rechtsverletzung jedenfalls nach den Grundsätzen der Störerhaftung einzustehen. Die Kammer teilt die von den Oberlandesgerichten Düsseldorf (Beschluss vom 27.12.2007, Aktenzeichen I- 20 W 157/07), Köln (Beschluss vom 08.05.2007, Az.: 6 U 244/06) und Hamburg (Beschluss vom 11.10.2006, Az.: 5 W 152/06) vertretene Auffassung. Störer ist, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beigetragen und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat (BGH GRUR 2004, 860 ff. – Internetversteigerung). Es genügt insoweit, dass die Antragsgegnerin willentlich einen Internetzugang geschaffen hat, der objektiv für Dritte nutzbar war. Ob die Urheberrechtsverletzungen von ihrem Computer aus begangen worden sind oder ob Dritte unter Ausnutzung eines ungesicherten W-LAN-Netzes auf ihren Internetzugang zugegriffen haben, ist ohne Bedeutung. Die Antragsgegnerin hat jedenfalls durch das Bereitstellen eines unverschlüsselten Funknetzes gegenüber jedermann Dritten den Zugang zu dem Internetanschluss eröffnet, diesen also auch Dritten zur Verfügung gestellt. Ohne den von der Antragsgegnerin geschaffenen Internetzugang hätte keine Möglichkeit der Nutzung bestanden. Damit ist die Schaffung des Internetzuganges für die Rechtsverletzung in jedem Fall kausal.
Die Antragsgegnerin hat zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen. Sie hat eine neue Gefahrenquelle geschaffen, die nur sie überwachen kann. Objektiv gesehen hat sie es Dritten ermöglicht, sich hinter ihrer Person zu verstecken, um im Schutze der von ihr geschaffenen Anonymität ohne Angst vor Entdeckung ungestraft Urheberrechtsverletzungen begehen zu können. Von daher ist es gerechtfertigt, der Antragsgegnerin zumindest die Sicherungsmaßnahmen abzuverlangen, die eine Standardsoftware erlaubt. So hätte sie für die verschiedenen Nutzer ihres Computers Benutzerkonten mit eigenem Passwort installieren können oder das Risiko eines von außen unternommenen Zugriff auf das W-LAN-Netz durch Verschlüsselung minimieren können. Die Antragsgegnerin traf die Verpflichtung, im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen soweit wie möglich verhindert werden. (…)
(Volltext der Entscheidung abrufbar unter www.justiz.nrw.de)
Praxisrelevanz:
Auf einer Linie mit dem LG Düsseldorf liegt auch das LG Mannheim. Mit Beschluss vom 25.01.2007, Az. 7 O 65/06, entschied das LG Manheim in einem Fall, bei dem über ein unverschlüsseltes Funknetzwerk (WLAN) Spiele in einer Tauschbörse angeboten wurden, dass ein Anschlussinhaber grundsätzlich dafür sorgen müsse, dass sein Anschluss nicht für Rechtsverletzungen genutzt wird. Wer Inhaber eines Internetanschlusses ist und ein unverschlüsseltes WLAN beitreibt, womit der Internetzugang jedermann möglich gemacht wird, habe Prüfungs- und Obhutspflichten. Wer diese Pflichten verletzt, hafte für Rechtsverletzungen Dritter, die über den ungesicherten Internetanschluss begangen werden, als Störer.
Auch das LG Köln sieht in der Überlassung eines Internetzugangs an Dritte, insbesondere an minderjährige Jugendliche, eine Gefahr (Urteil vom 22.11.2006, AZ: 28 O 150/06). Es bestehe die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von diesen Rechtsverletzungen begangen werden. Dieses Risiko löse Prüf- und Handlungspflichten desjenigen aus, der den Internetzugang ermöglicht, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen.
Das LG München (Urteil vom 19.06.2008, Az. 7 O 16402/07) geht noch weiter und ist der Auffassung, Anschlussinhaber, die den Internetzugang ihren Kindern zur Verfügung stellen, müssten diesen eine einweisende Belehrung erteilen und die Internetnutzung laufend überwachen.
Anders als die überwiegende Rechtsprechung, die auf eine Störerhaftung ohne wenn und aber abstellt, entschied kürzlich das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.07.2008, Az: 11 U 52/07). Auch dort wurde einem Anschlussinhaber vorgeworfen, illegal Musik zu tauschen. Das OLG Frankfurt a.M. vertrat allerdings die Auffassung, dass der nicht als Störer hafte. Selbst wenn man – wie ein Teil der Rechtsprechung – eine anlassunabhängige Überwachungspflicht des Anschlussinhabers – z.B. für Familienangehörige – annehme, gehe eine uneingeschränkte Haftung des WLAN-Anschlussinhabers deutlich weiter, weil er für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter einstehen müsse, die mit ihm in keinerlei Verbindung stünden. Dies sei bedenklich, weil die jeden in eigener Verantwortung Handelnden treffende Pflicht, sich recht- und gesetzmäßig zu verhalten, nicht mit Hilfe der Störerhaftung über Gebühr auf Dritte ausgedehnt werden dürfe.
Eine Störerhaftung komme danach nur in Betracht, wenn Prüfungspflichten verletzt worden seien. Dies wiederum setze konkrete Anhaltspunkte für rechtswidrige Handlungen Dritter voraus. Auch der WLAN-Anschlussbetreiber im privaten Bereich hafte daher nicht wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses von außen, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestünden. Das angeblich allgemein bekannte Risiko, dass Dritte sich über einen fremden WLAN-Anschluss Zugang zum Internet verschafften, sei allgemein bekannt, erschien dem Gericht zweifelhaft, die von der klagenden Rechteinhaberin für erforderlich gehaltenen Sicherungsmaßnahmen unverhältnismäßig. Eine Störerhaftung käme nur dann in Frage, wenn der Inhaber seinen Anschluss wissentlich einem Dritten überlassen und bei Rechtsverletzungen nicht eingegriffen hätte.
Das OLG Frankfurt bestätigte mit dieser Entscheidung seine Linie, wonach einem Anschlussinhaber keine überhöhten Sorgfalts- und Überwachungspflichten aufgebürdet werden dürfen. Mit Beschluss vom 20.12.2007, Az:11 W 58/07, lehnte das OLG Frankfurt es ab, einem Familienvater die Kosten eines Verfügungsverfahrens aufzuerlegen, über dessen Anschluss Musikstücke in einem Fileshare-System getauscht worden waren. Urheberrechtsverletzung durch eines seiner Familienmitglieder begangen worden sei. Es läge zwar nahe, dass die Urheberrechtsverletzung durch Familienangehörige begangen wurde. Hierfür habe der Anschlussinhaber aber nicht einzustehen. Er auch nicht ohne weiteres verpflichtet, nahe Familienangehörige bei der Nutzung des Anschlusses ohne konkrete Anhaltspunkte einer Rechtsverletzung zu überwachen