Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h, leitete die Bußgeldbehörde, da als Halter ein Mann eingetragen und auf dem Foto aber eine Frau als Fahrzeugführerin zu erkennen war, eine Fahrzeugführerermittlung ein. Sie wandte sich zunächst an das Passamt mit der Bitte ein Lichtbild der Ehefrau des Halters zu übersenden. Diese war aber nicht die Frau auf dem Foto, darüber hinaus war der Halter von ihr zwischenzeitlich geschieden. Also wurde der Halter selbst angehört, zur Nennung der Fahrerin aufgefordert und auf die Möglichkeit einer Fahrtenbuchauflage hingewiesen. Der Halter machte aber von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, woraufhin das Verfahren eingestellt und gegen den Halter das Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von einem halben Jahr auferlegt wurde.
Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das VG Saarlouis wies darauf hin, dass die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter nach § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO die Führung eines Fahrtenbuches anordnen kann, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war und ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht vorliegt, unabhängig davon ob der Verstoß zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat, wovon regelmäßig bereits dann auszugehen sei, wenn der Verkehrsverstoß im Verkehrszentralregister mit einem Punkt bewertet wird. Auch ein in Anspruch genommenes Zeugnisverweigerungsrecht rettet nicht vor einer Fahrtenbuchauflage. Ein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und anschließend trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, bestehe nicht und widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.
Aus den Gründen:
Für die erforderliche Gewichtung des betreffenden Verkehrsdeliktes ist regelmäßig das Punktsystem des § 4 StVG i.V.m. der Anlage 13 zur FeV heranzuziehen, weil in ihm in rechtlich verbindlicher Weise (vgl. § 4 Abs. 3 StVG) eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße ihrer Gefährlichkeit vorgegeben wird. Als im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO beachtliche Verkehrsverstöße gelten indes bei einmaliger bzw. erstmaliger Begehung nicht lediglich Ordnungswidrigkeiten, die mit mindestens drei Punkten gemäß § 4 StVG i.V.m. der Anlage 13 zur FeV zu bewerten sind. (…)
Vielmehr ist anerkannt, dass bereits die erstmalige Begehung eines wenigstens mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes hinreichenden Anlass für eine Fahrtenbuchauflage gibt, ohne dass es auf die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes erhöhende Umstände im Einzelfall ankommt. Demgegenüber sind die wegen der Eintragungsgrenzen in §§ 28 Abs. 2 Nr. 3, 28 a StVG nicht im Verkehrszentralregister zu erfassenden Ordnungswidrigkeiten als geringfügig („unwesentlich“) anzusehen und rechtfertigen die Anordnung nach § 31 a Abs. 1 StVZO grundsätzlich nicht. (Vgl. dazu OVG Münster unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung im Urteil vom 29.4.1999, 8 A 699/97, DAR 1999, 375 = NJW 1999,3279; vgl. ferner den Beschluss des OVG Lüneburg vom 8.7.2005, 12 ME 185/05 sowie das Urteil des BVerwG vom 17.5.1995, 11 C 12.94, (…).
Im vorliegenden Fall ist ein Regelverstoß von einigem Gewicht im dargelegten Sinne gegeben. Mit einem Fahrzeug des Klägers wurde die außerorts höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h (bereinigt um die Messtoleranz) um 22 km/h überschritten, so dass eine Ordnungswidrigkeit vorlag, für die im Falle der Ahndung ein Bußgeld in Höhe von 40 EUR festgesetzt (vgl. § 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung i.V.m. Ziffer 11.3 der Anlage sowie Tabelle 1 Buchstabe c Nr. 11.3.4 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage) und gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 2, 28 Abs. 2 Nr. 3, 28 a StVG, 40 FeV i.V.m. Anlage 13 Nr. 7 ein Punkt im Verkehrszentralregister eingetragen worden wäre. Der Verstoß war somit erheblich.
Entsprechend der weiteren Voraussetzung des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO konnte auch der verantwortliche Fahrer nicht ermittelt werden. In diesem Sinne unmöglich war die Feststellung eines Fahrzeugführers, wenn die zuständige Behörde nach den Umständen des Einzelfalles den Täter nicht ermitteln konnte, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hatte. (Vgl. das Urteil des BVerwG vom 17.12.1982, 7 C 3.80, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12, sowie den Beschluss des OVG des Saarlandes vom 17.1.2000, 9 V 16/99 )
Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an den Ermittlungen ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn Verdachtsmomente vorliegen, die in eine bestimmte Richtung deuten und eine Aufklärung auch ohne Mitwirkung des Halters aussichtsreich erscheinen lassen. (Vgl. dazu auch die Urteile der Kammer vom 29.2.2008, 10 K 63/07, und vom 2.4.2008, 10 K 40/07; ferner die Beschlüsse vom 8.2.2007, 10 L 2122/07 und vom 12.9.2008, 10 L 674/08; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25.5.2007, 1 B 121/07 (VG-Az.: 10 L 339/07)
Hier liegt ein Fall der verweigerten Mitwirkung seitens des Fahrzeughalters bzw. Klägers vor, ohne dass weitere Ermittlungsansätze erkennbar gewesen wären. Insbesondere bestand für die Bußgeldbehörde, nachdem der Kläger sein Zeugnis verweigert hatte und dessen geschiedene Ehefrau als Fahrzeugführerin nicht in Betracht kam, kein Anlass, wenig Erfolg versprechende Ermittlungen im Kreise der Familie des Klägers zu führen, zumal nicht erkennbar war, ob und in welchem Umfang das betreffende Fahrzeug durch weitere Personen benutzt wurde. Insgesamt ist somit auch das oben bezeichnete weitere Tatbestandsmerkmal des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO erfüllt, wonach die Ermittlung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrers unmöglich gewesen sein muss.
Der ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht geltend machende Fahrzeughalter – wie hier der Kläger – muss sich darüber im Klaren sein, dass sein Verhalten ihm als fehlende Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers entgegengehalten werden kann. Ein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und anschließend trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen. (So das OVG des Saarlandes in seinem bereits zitierten Beschluss vom 25.5.2007, 1 B 121/07 (VG-Az.: 10 L 339/07), unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 22.6.1995, 11 B 7.95, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 22 = ZfS 1995, 397; ferner: BVerfG, Beschluss vom 7.12.1981, 2 BvR 1172/81, NJW 1982, 568 )
Insoweit soll durch die Fahrtenbuchauflage als Präventivmaßnahme zur Abwendung von diesbezüglichen Gefahren in Zukunft gewährleistet sein, dass der Täter rechtzeitig ermittelt und ein mit dem Kraftfahrzeug begangener Verkehrsverstoß geahndet werden kann. Darüber hinaus trägt die Fahrtenbuchauflage dazu bei, dass derartige Verstöße künftig überhaupt unterbleiben, weil es sich auf die Verkehrsdisziplin eines Fahrzeugführers positiv auswirkt, wenn er damit rechnen muss, dass durch die Fahrtenbuchauflage seine Identität festgestellt und er für jeden Verkehrsverstoß zur Verantwortung gezogen wird. (So das OVG des Saarlandes in seinem Beschluss vom 7.5.2008, 2 B 187/08 (VG-Az.: 10 L 24/08)
Vor dem Hintergrund dieses Zwecks einer Fahrtenbuchauflage hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 11.8.1999, 3 B 96/99, ZfS 2000, 367 = NZV 2000, 385, mit überzeugenden Gründen festgestellt, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ein „doppeltes Recht“ zum Schweigen im Ordnungswidrigkeitsverfahren einerseits und zur Abwehr einer aus diesem Grunde nachfolgenden Fahrtenbuchauflage andererseits zu versagen. Es führte dazu u. a. wörtlich aus:
„Auch unter der Voraussetzung, daß der verfassungsrechtliche Schutz gegen Selbstbezichtigungen … auch den Schutz davor umfassen sollte, eine Ordnungswidrigkeit nicht aufdecken zu müssen, so wäre damit eine Fahrtenbuchauflage vereinbar. … Aus der für sich gesehen rechtmäßigen Handlungsweise des Betroffenen darf freilich in zulässiger Weise die Prognose abgeleitet werden, daß er auch bei künftigen Verstößen – seien sie von ihm, seien sie von anderen begangen – von seinem Recht zu schweigen oder zu leugnen Gebrauch machen wird. Das damit verbundene Risiko, daß derartige zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muß die Rechtsordnung nicht von Verfassungs wegen hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren namentlich für die anderen Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Interesse vorzubeugen. Hiergegen könnte auch nicht eingewendet werden, mit der Fahrtenbuchauflage werde in rechtlich unzulässiger Weise der Boden bereitet für einen zukünftigen Zwang zur Mitwirkung an der Überführung eines Täters einer Ordnungswidrigkeit. Die Verfassung schützt ohne eine entsprechende gesetzliche Verankerung nicht davor, daß aus Aufzeichnungen, die auf zulässige Verpflichtungen zur Führung von Akten, Büchern, Registern usf. zurückzuführen sind, Erkenntnisse über die Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, auch wenn es sich dabei um den Aufzeichnenden selbst oder jemanden handelt, hinsichtlich dessen dem Aufzeichnenden ein Aussageverweigerungsrecht zusteht.“
Sind somit die gesetzlichen, verfassungsrechtlich unbedenklichen Voraussetzungen zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage vorliegend erfüllt, so ist im Weiteren rechtlich nicht mehr relevant, dass der Kläger die für den Verkehrsverstoß verantwortliche Fahrerin nachträglich – im Verfahren zur Verhängung der Fahrtenbuchauflage – benannt hat. Insoweit – ebenso wie zur Frage der rechtzeitigen Anhörung des Klägers im Ordnungswidrigkeitsverfahren – wird auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Schließlich ist die dem Kläger gegenüber angeordnete Fahrtenbuchauflage mit Blick auf die Erwägungen im Widerspruchsbescheid auch verhältnismäßig. Insbesondere ist die Dauer der Auflage ermessensfehlerfrei festgesetzt worden, zumal eine nur sechsmonatige entsprechende Verpflichtung als im unteren Bereich der für eine effektive Kontrolle der Fahrzeugbenutzung erforderlichen Dauer angesiedelt erscheint. So auch das BVerwG in seinem Urteil vom 17.5.1995, 11 C 12.94, a.a.O.
Insgesamt gesehen ist die Anordnung der Fahrtenbuchauflage somit zu Recht erfolgt.
VG Saarlouis, Urteil vom 17.12.2008, Az: 10 K 254/08