Grundsätzlich ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls in der Wahl der Reparaturwerkstatt frei. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung hat die dort tatsächlich anfallenden Reparaturkosten und auch die höheren Stundenverrechnungssätze zu ersetzen. Rechnet der Geschädigte den Schaden aber nur fiktiv, d.h. auf Basis eines Gutachtens ab und lässt eine Reparatur tatsächlich nicht durchführen, kürzen die Versicherungen gern die Stundenverrechnungssätze und verweisen auf angeblich günstigere „Partnerwerkstätten“.
Zur Frage welche Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung gelten sollen, gibt es unterschiedlichste Amts- und Landgerichtsentscheidungen. Zum einen wird angenommen, dass sich der Geschädigte auf eine konkrete und günstigere Möglichkeit einer technisch einwandfreien Reparatur verweisen lassen muss. Andere Gerichte sind der Ansicht, dass der Geschädigte auch bei einer fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt zu Grunde legen darf.
Das Landgericht Frankfurt/Oder vertritt in seiner Entscheidung vom 13.11.2007 die Auffassung, dass der Geschädigte allein die Entscheidung trifft, ob er im Falle der Reparaturwürdigkeit sein Fahrzeug reparieren lässt oder nicht. Selbst wenn er sich für eine fiktive Abrechnung entscheidet, kann er die Erstattung von Reparaturkosten in der Höhe verlangen, wie sie in einer Markenwerkstatt anfallen würden. Er muss nicht auf die abstrakte Möglichkeit einer technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt verweisen lassen. Lediglich dann, wenn der Geschädigte ohne weiteres eine gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit hat, muss er sich aufgrund seiner Schadensminderungspflicht auf diese verweisen lassen. Eine „Marktforschung“ kann dem Geschädigten allerdings nicht abverlangt werden.
Die beklagte Versicherung hat im entschiedenen Fall weder vorgetragen noch bewiesen, dass die Reparatur in der von ihr benannten Werkstatt derjenigen in einer Vertragswerkstatt gleichwertig gewesen wäre. Der Vortrag der Versicherung erschöpfte sich in der Existenz der Werkstatt und der Behauptung, freie oder Vertragswerkstätten von Fremdmarken vermögen ebenso gute Arbeit zu leisten. Dies reichte dem Gericht nicht aus.
LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 13.11.2007, AZ: 6a S 96/07 (rechtskräftig)
Praxisrelevanz:
Bei der Entscheidung ist zu beachten, dass die Versicherung den Geschädigten auf keine Markenwerkstatt verwies. Bei der von der Versicherung benannten Werkstatt handelte es sich um eine Vertragswerkstatt einer Fremdmarke. Die Entscheidung des Gerichts ist in konsequenter Anwendung der Entscheidung des BGH im sog. „Porsche-Urteil“ (BGH, Urteil vom 29. 4. 2003, AZ: VI ZR 398/02 – in NJW 2003, 2086) richtig. Hätte die Versicherung dem Geschädigten eine günstigere, ohne weiteres erreichbare Werkstatt seiner Fahrzeugmarke benannt, hätte sich der Geschädigte sich auf diese verweisen lassen müssen.