Der spätere Kläger kam mit seinem BMW in einer langgezogenen Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab und streifte mit der Fahrzeugseite etwa 100 Meter an der Leitplanke entlang. Nach einem Unfall verlangte er aus einem bestehenden Vollkasko-Versicherungsvertrag Entschädigungsleistungen. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen, da der Kläger zum Unfallzeitpunkt erheblich alkoholisiert war.
Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab, die Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf blieb ebenso erfolglos. Die beklagte Versicherung ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habs, § 61 VVG. Bei absoluter Fahruntüchtigkeit spreche nach allgemeiner Meinung der erste Anschein dafür, dass der Unfall auf die Alkoholbeeinflussung zurückzuführen sei. Diesen Anscheinsbeweis habe der Kläger nicht erschüttert, ein von ihm beantragtes Unfallrekonstruktionsgutachten hat das Landgericht richtigerweise nicht eingeholt.
Aus den Gründen:
Nach der Lebenserfahrung und den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist davon auszugehen, dass die alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit den Unfall (…) zumindest mitverursacht hat, und zwar auch dann, wenn (…) als zutreffend unterstellt wird, wonach von rechts ein Tier in etwa der Größe eines Schäferhundes oder eines Rehs – in welcher Entfernung und mit welcher Geschwindigkeit auch immer – die Fahrspur querte, dem der Kläger auf der linken Fahrspur fahrend noch nach links ausgewichen ist. Obwohl die Geschwindigkeit an der Unfallstelle auf 100 km/h begrenzt war (…), befuhr der Kläger sie nach seinem eigenen Vortrag (…) mit einer Geschwindigkeit von 130 bis 140 km/h (…). Selbst wenn das Tier die Fahrbahn überquert haben sollte, war der Kläger nicht nur alkoholbedingt absolut fahruntüchtig, sondern er fuhr aufgrund der Alkoholisierung auch nicht verkehrsordnungsgerecht. Offensichtlich alkoholbedingt enthemmt fuhr er in dem Autobahnkreuz mit ganz erheblich überhöhter Geschwindigkeit, zudem gegen das Rechtsfahrverbot verstoßend auf der linken Fahrspur.
Es liegt auf der Hand, dass dann, wenn ein solch großes Tier – wie unterstellt – die Fahrbahn von rechts kommend gekreuzt hat, der Kläger wegen der Auswirkungen des Alkohols später als ein nicht oder nur wenig alkoholisierter Autofahrer in der Lage war, das Tier zu erkennen, zudem wegen des Alkoholeinflusses sowohl seine Zeit bis zu einer Reaktion wesentlich erhöht als auch seine Fähigkeit, richtig zu reagieren, deutlich vermindert war.
Es spricht nach der Lebenserfahrung alles dafür, dass der Unfall jedenfalls auch auf den Alkoholgenuss des Klägers zurückzuführen ist, das reicht aus. Ein Unfallrekonstruktions-Gutachten – wie vom Kläger beantragt – ist nicht geeignet, den für die Mitursächlichkeit der Trunkenheit sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften. Denn ein Sachverständiger hätte für seine Berechnungen nur so wenig valide Anknüpfungsmerkmale, dass ein überzeugungskräftig den Kläger entlastendes Gutachten nicht erstattet werden könnte. Der Sachverständige wäre zur Begutachtung mangels weiterer Zeugen oder sonstiger objektiver Anhaltspunkte allein auf die Angaben des Klägers zur Größe des Tieres, zu Entfernungen, zur erstmaligen Wahrnehmung p.p. angewiesen. Diese sind aber höchst unzuverlässig, denn der Kläger war wie bereits gesagt so alkoholisiert, dass er von Gesetzes wegen als absolut fahruntüchtig eingestuft worden ist; dies deshalb, weil u.a. die Wahrnehmungsfähigkeit bei einer solchen Alkoholisierung stark eingeschränkt ist.
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-4 U 193/05, Urteil vom 28.11.2006, AZ: I-4 U 193/05
Vorinstanz: Landgerichts Düsseldorf, Urteil vom 10.08.2005, AZ: 11 O 100/05