Nach einem Autodiebstahl nahm der Kläger seine Kfz – Diebstahlsversicherung in Anspruch. Diese weigerte sich zu zahlen, da der Kläger in seiner Schadensanzeige nicht angegeben hatte, dass ein Duplikatschlüssel angefertigt worden ist. Der Kläger gab wahrheitswidrig an, dass keine Duplikatschlüssel existierten, er habe keine anfertigen lassen. Es stellt sich aber heraus, dass zumindest ein Duplikatschlüssel angefertigt worden ist. Das Landgericht Potsdam hatte die Klage wegen der Obliegenheitsverletzung abgewiesen. Die eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht Brandenburg blieb ohne Erfolg.
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Dazu gehörten auch die zutreffende Beantwortung einzelner Fragen des Schadensberichtsvordrucks und speziell zutreffende Angaben zum Duplizieren von Schlüsseln (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., AKB, § 7 Rn. 33 und Rn. 42). Der Kläger hat diese Aufklärungsobliegenheit dadurch verletzt, dass er die Frage der Beklagten nach der Existenz von Duplikatschlüsseln unzutreffend beantwortet hat. (…) Der Kläger hat die gegen ihn eingreifende Vorsatzvermutung nicht widerlegt. Eine objektive Obliegenheitsverletzung führt gem. § 6 Abs. 1 VVG zwar nur dann zu einem Wegfall des Versicherungsschutzes, wenn die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich erfolgt. Gemäß § 6 Abs. 3 VVG wird der Vorsatz des Versicherungsnehmers jedoch vermutet.
Dass wahrheitsgemäße Angaben zu machen sind, war dem Kläger spätestens aufgrund des eindeutig gefassten Warnhinweises auf dem Fragebogen bekannt. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frage nach den Duplikatschlüsseln für ihn nicht verständlich gewesen sei. Insbesondere kann er nicht für sich fruchtbar machen, dass er die Frage dahingehend verstanden habe, ob er im Besitz weiterer Ersatzschlüssel sei. Maßgeblich ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer in der Situation des Klägers diese Frage verstehen und dementsprechend beantworten musste (OLG Koblenz, r + s 2003, 450 f. (450)).
Die Frage nach den Duplikatschlüsseln bezog sich für den Kläger erkennbar darauf, ob von den Originalschlüsseln des Fahrzeuges jemals Nachfertigungen hergestellt worden sind. Dass die Frage nicht allein darauf ausgerichtet war, ob der Kläger noch Ersatzschlüssel im Besitz hat, ergab sich für den Kläger aus der sich unmittelbar an die Frage zu den Duplikatschlüsseln (…) anschließenden Aufforderung, sämtliche Fahrzeugschlüssel beizufügen (Ziffer 15 des Fragebogens). (…) Der Kläger hat den Wagen wegen Problemen mit seinem Schlüssel in Reparatur gegeben. Er hat für die Reparatur eine Rechnung erhalten, in der die Kosten für einen Schlüssel und dessen Anpassung ausgewiesen waren. Die Rechnung wurde auch bezahlt. (…) Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass zwischen der Reparatur des Fahrzeugschlüssels und der damit einhergehenden Fertigung eines Duplikatschlüssels ca. 2 1/2 Jahre lagen, sprechen trotz des Zeitablaufes die Umstände der Reparatur gerade nicht dafür, dass dem Kläger der Vorgang bei Ausfüllen des Fragebogens nicht mehr erinnerlich gewesen ist. Der Wagen hat sich wegen der Anpassung der Schlüssel über einen Zeitraum von 11 Tagen in der Werkstatt befunden. Die Tatsache, dass der Kläger über einen so langen Zeitraum auf das Fahrzeug, das – wie sich aus der Laufleistung in dieser Zeit schließen lässt – häufig genutzt wurde, verzichten musste, kann ihm nicht entfallen sein. (…) Der Vortrag des Klägers war insgesamt nicht geeignet, die Vorsatzvermutung zu widerlegen, vielmehr ergeben sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers Indizien dafür, dass der Kläger sich nicht darum bemüht, klare und nachvollziehbare Angaben zu machen. (…)
Der Leistungsfreiheit der Beklagten stehen auch nicht die Grundsätze der „Relevanzrechtsprechung“ entgegen, wonach eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung, die folgenlos geblieben ist, nur dann zur Leistungsfreiheit führt, wenn der Obliegenheitsverstoß generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und den Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden trifft (BGH, VersR 1984, 228). Das Fehlen der Angaben des Klägers zu der Fertigung eines Duplikatschlüssels ist generell geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden, weil die Kenntnis von nachgefertigten Schlüsseln für die Aufklärung eines Kfz – Diebstahles von erheblicher Bedeutung ist (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., S. 451). (…)
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das „Alles – oder – nichts- Prinzip“ hier zu einer unzumutbaren Belastung des Klägers führen würde. Die vorsätzliche Verletzung von Obliegenheiten führt ohne Rücksicht auf deren Folgen für den Versicherungsnehmer zum vollen Anspruchsverlust (BGH, v. 16.02.196, II ZR 73/05, juris Rn. 16). Der Versicherer ist in besonderem Maße auf korrektes Verhalten des Versicherungsnehmers angewiesen, da es um Ereignisse aus dessen Sphäre geht und insoweit die Informationslage des Versicherers ungünstig ist. Somit besteht ein besonderes Bedürfnis des Versicherers nach einer Prävention vorsätzlicher Obliegenheitsverstöße. Dem würde jedoch nicht Rechnung getragen, wenn Obliegenheitsverletzungen nur dann sanktioniert würden, wenn diese für den Eintritt des Versicherungsfalles kausal gewesen sein können (Prölls/Martin, a.a.O., Rn. 98). Auch kann der Kläger nicht die hierzu vorgesehenen Neuregelungen in Entwürfen zu einem geänderten Versicherungsvertragsgesetz für sich fruchtbar machen, da auf diesen Fall die derzeit geltende Gesetzeslage anzuwenden ist.
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25.04.2007, AZ: 4 U 135/06
Vorinstanz: Landgericht Potsdam, Urteil vom 28.08.2006, AZ: 2 O 207/06