Verteidiger zum kuscheln gesucht


Der Spiegel führte ein Interview mit dem Richter beim BGH, Thomas Fischer, zum sog. „Deal“ im Strafverfahren. Fischer beklagt, dass bei zahlreichen Verfahrensabsprachen bewusst die gesetzlichen Vorschriften umgangen würden, insbesondere die, dass ein Verzicht auf Rechtsmittel niemals Bestandteil einer Absprache sein darf. Fischer sagte dazu: „Beide Seiten haben eine Woche Überlegungsfrist. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich festgelegt, dass der Angeklagte diese Frist auf jeden Fall behalten muss und dass ein Verzicht weder erklärt noch in eine Absprache einbezogen werden darf. Denn es kommt nicht selten vor, dass es sich ein Verurteilter nach dem Urteil doch noch einmal anders überlegt: Etwa weil er sich zur Absprache gedrängt fühlte oder mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist“. Und da hat der Herr Fischer durchaus recht.

Ich hatte kürzlich in einer Strafsache zu verteidigen, in der es sowohl eine Vor- als auch Zwischenbesprechungen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gab. Hintergrund war die Frage, ob die Beweisaufnahme abgekürzt werden könne. Sie konnte. Das Gericht äußerte bei der Gelegenheit seine Strafvorstellung, die mit dem, was sich die Verteidigung vorgestellt hatte, durchaus konform ging. Es wurde nichts protokolliert, weil das aus Sicht der Verteidigung auch nicht notwendig war. Geständig eingelassen hätte sich mein Mandant ohnehin, die vorgestellte Strafe war angemessen, auf diverse Zeugen konnte verzichtet werden. Eine Absprache im Sinne des § 257c StPO gab es also nicht.

Mein Mandant wurde nach geständiger Einlassung dann genau zu der Strafe verurteilt, die vorher als Vorstellung vom Gericht geäußert worden war. In der mündlichen Urteilsbegründung führte das Gericht dann aus, warum es diese Strafe für angemessen hielt – die sog. Strafzumessungserwägungen – und ich glaubte mich verhört zu haben. Denn das Gericht wertete einen bereits zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstand als strafschärfend.

Es verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des $ 46 Abs. 3 StGB, wenn Merkmale des Tatbestandes, die der Gesetzgeber bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens als maßgeblich verwertet hat, nochmals bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Die Frage, ob Rechtsmittelverzicht erklärt werde, wurde von mir verneint, nicht etwa weil ein solches bereits geplant war, sondern weil sich das in aller Regel nicht gehört – Mandanten haben nach einer Strafverhandlung viele Fragen und sind vielleicht doch nicht so ganz glücklich mit dem Urteil – worauf das Gericht schon ein wenig verschnupft reagierte.

Nach Rechtsmitteleinlegung ließ sich das Gericht dann aber auch noch dazu hinreißen, mich anzurufen und mir vorzuwerfen, ich hätte mich nicht an die „Absprache“ gehalten. Das weitere Telefonat verlief dann etwas unterkühlt, da ich die Unmutsbekundungen zum einen unprofessionell fand und sich zum anderen erhebliche Wissenslücken des Gerichts zu den gesetzlichen Voraussetzungen einer Verfahrensabsprache auftaten. Das Telefonat endete mit den Worten des Gerichts: Sie können sicher sein, dass es mit IHNEN keine Absprachen mehr geben wird.

Da mir eine Antwort darauf durch Auflegen verwehrt wurde, dann eben auf diesem Wege. Ich vertrete nicht die Interessen des Gerichts, sondern die meines Mandanten. Wenn dieser die Einlegung eines Rechtsmittels wünscht und eine wenn auch nur geringe Aussicht auf Erfolg besteht, dann werde ich mich nicht hinstellen und sagen, besser nicht, wie stehe ich denn sonst vor dem Gericht da?

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