Unser Kooperationspartner, Rechtsanwalt Dr. Carsten Pagels aus Torgau, sandte uns heute eine Mail und stellte dazu die berechtigte Frage, wie es sein kann, dass eine Rechtsanwaltskammer so mit ihren Mitgliedern umgeht. Dazu muss man wissen, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft kraft Gesetz zur Pflichtmitgliedschaft in einer regionalen Rechtsanwaltskammer führt, einem Zusammenschluss aller Anwälte in einem Bezirk des jeweiligen Oberlandesgerichts. Einer solchen Kammer obliegen z. B. die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die Überwachung der Einhaltung des Berufsrechts und die Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten. Einzelheiten der Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Finaziert wird eine solche Kammer durch die Pflichtbeiträge ihrer Mitglieder.
Unser Kollege aus Torgau erhielt eine anwaltliche Rundmail und übermittelte uns folgenden Vorgang:
Ein Rechtsanwalt (also ein Kammermitglied) wendet sich mit einer sehr ausführlichen und breit argumentierenden Email mit einem sachlichen Begehren an seine Rechtsanwaltskammer, und zwar an eine der großen. Sein Schreiben ist zwar für meinen Geschmack etwas überpointiert formuliert, aber es ist kein Quatsch, den der schreibt und er meint es auch ersichtlich erst.
Die Email landet augenscheinlich bei einem der (m/w) Geschäftsführer der betreffenden Rechtsanwaltskammer. Einige Zeit später bekommt der Rechtsanwalt eine im wesentlichen nichtssagende Antwort. Offensichtlich hatte einer der (m/w) Kammergeschäftsführer jedoch Schwierigkeiten bei der Bedienung der Mailfunktion seines Rechners, denn mit in der Antwort findet sich auch eine Mail von einem der Kammergeschäftsführer an einen anderen hierzu:
Zitat der Mail im Volltext (Namen geändert):
Hallo Matthias,
das ist aber sehr harsche Kritik.
Sendest Du ihm auch eine Musterantwort?
Grüße, Dagmar
Genau diese „Musterantwort“ gab es dann auch. Mehr nicht.
Wir zahlen alle jährlich nicht zu knapp an die Rechtsanwaltskammern unseren Jahresbeitrag. Damit finanzieren wir zum einen unsere eigene Aufsichtsbehörde. Im Kern jedoch versteht sich die Kammer als „Selbstverwaltungsorganisation der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“. Ob das Versenden von „Musterantworten“ auf individuelle Begehren auch zum Selbstverständnis – jedenfalls dieser – Rechtsanwaltskammer gehört?
Wenn man ein Schreiben erhält, dass auf einen wie eine Aneinanderreihung von Textbausteinen wirkt, ist es ja ganz schön, wenn diese Einschätzung beweissicher bestätigt wird („Musterantwort“). Sicher wird den betreffenden Personen der Vorgang peinlich sein. Es geht auch nicht um Bloßstellung. In der Dokumentation ist es mit „Klarnamen“ und Mailadressen dokumentiert. Ich werde mich hüten, das zu offenbaren. Man mag aber darüber nachdenken, ob es jedoch nicht ein bezeichnendes Licht wirft.