KG: Voraussetzungen eines provozierten Verkehrsunfalls


(c) Semen Grinberg / Pixelio

S.Grinberg/Pixelio

Das Landgericht Berlin hatte eine Klage auf Schadenersatz abgewiesen, da es von einem sogenannten provozierten Verkehrsunfall ausging. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der dann im Prozess als Zeuge zur Verfügung stand, habe eine Verkehrssituation ausgenutzt, um das Fahrzeug des dann beklagten Fahrers vorsätzlich in einen Verkehrsunfall zu verwickeln. Hier war der Zeuge im Kreisverkehr unterwegs, hatte den rechten Blinkers gesetzt, war dann aber nicht aus dem Kreisverkehr heraus, sondern schnell geradeaus gefahren.  Der Beklagte fuhr links daneben und wollte abbiegen., es kam zum Unfall Die Berufung wurde nach einem Hinweisbeschluss des Kammergerichts zurückgenommen.

Aus den Gründen:

(…) (Das Landgericht) hat die Klage (…) zu Recht abgewiesen, da es (…) zu der Auffassung gelangt ist, dass es sich vorliegend um einen so genannten provozierten Unfall handelte, dass heißt der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der Zeuge K, eine sich anbahnende Verkehrssituation ausnutzte, um das Beklagtenfahrzeug vorsätzlich in einen Verkehrsunfall zu verwickeln. (…) Dies hat zur Folge, dass die Klage zu Recht abgewiesen wurde (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 71, 339 = NJW 1978, 2154 = VersR 1978, 242; Senat, NZV 2003, 87 = VersR 2003, 610; NZV 203, 85 = VersR 2003, 613; NZV 2003, 233; NZV 2009, 459 = VRS 115, 285). (…)

Um einen manipulierten Unfall zu bejahen ist eine Häufung von bestimmten Indizien nicht erforderlich. Die Rechtsprechung geht vielmehr dahin, dass jedenfalls im Fall einer ungewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen ein manipulierter Unfall angenommen werden kann. Es kommt nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen nachgewiesen werden. Entscheidend ist vielmehr die Werthaltigkeit des oder der Anzeichen in der Gesamtschau. Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein manipuliertes Ereignis nahe legen.

Die Feststellung, es handele sich um einen manipulierten Unfall erfolgt vielmehr aufgrund von Umständen, die die Annahme einer erheblichen Wahrscheinlichkeit dafür zulassen, dass es sich nicht mehr um einen Zufall handeln kann (st. Rspr., vgl. BGHZ 71, 339 = VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; OLG Köln, r + s 1994, 212; VRS 95, 335; DAR 2000, 68; Senat, NZV 2003, 233; KG, Urteil vom 29. März 2004 – 22 U 201/03 -; Senat, KGR 2005, 851 = VersR 2006, 714; Senat, Beschlüsse vom 8. Dezember 2005 12 U 201/05 – und vom 25. Oktober 2006 – 12 U 74/06 -).

Eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass ein Unfall verabredet gewesen ist, wobei die erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ausreicht (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 71, 339; Senat, NZV 2003, 87; NZV 2003, 233; KGR 2005, 851). Beweisanzeichen können sich ergeben aus Unfallhergang, Art der Schäden, fehlender Kompatibilität, Anlass der Fahrt, Art der beteiligten Fahrzeuge, persönliche Beziehungen und Vermögensverhältnissen der Beteiligten. Entscheidend ist die Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (OLG Köln, Urteil vom 13. Februar 1994 – 12 U 206/93 – r + s 1994, 212).

Der Beweis für einen fingierten Unfall ist geführt, wenn sich der „Unfall” als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne, dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Das gilt auch dann, wenn in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden könnten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. März 2007 -19 U 54/06 – MDR 2007, 1019).

Dabei liegt es im Wesen der Unfallmanipulation, dass die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadensereignisses offen bleiben soll, womit die Entkräftung eines etwaigen Anscheins gewissermaßen eingebaut ist (so BGH NJW 1978, 2154, 2156).

Nach diesen in der Rechtsprechung der Verkehrssenate der Oberlandesgerichte seit langem anerkannten Grundsätzen (vgl. zum provozierten Unfall auch Senat, NZV 2008, 153; NZV 2010, 202; VRS 115, 285) hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend festgestellt, dass hier eine erhebliche Häufung von werthaltigen Beweisanzeichen vorliegt, dass diese keinen Zufall mehr darstellen können, sondern auf ein vorsätzliches Geschehen hindeuten. (…)

  • es handelt sich bei dem Fahrzeug des Klägers um ein älteres (Erstzulassung 07/2000) hochpreisiges Modell (Mercedes S 320 CDI) mit zum Zeitpunkt des Ereignisses besonders hoher Laufleistung (km-Stand 341.536)
  • der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe der kalkulierten Reparaturkosten, ohne zu den tatsächlichen Kosten vorzutragen,
  • der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs war wiederholt (fünf Mal) in kurzem Zeitraum (2006-2009) in Unfallereignisse verwickelt, die jeweils die Unfallgegner verschuldet haben sollen, wobei es bei einem Unfallereignis ( zwei Wochen nach dem hiesigen) in unmittelbarer Nähe des hiesigen Unfallortes zu einer Äußerung des damaligen Gegners gekommen war, der Zeuge K habe extra Gas gegeben,
  • dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs war die Unfallstelle und auch die Tatsache, dass dort häufig Fahrzeuge auch aus dem inneren Fahrstreifen nach rechts abbiegen, bekannt,
  • die Unfallschilderung sowohl des Klägers, als auch des Zeugen K, waren äußerst knapp, womit die Möglichkeit offen gehalten wird, das Vorbringen anzupassen,
  • das Fahrzeug des Klägers hatte offenkundig Vorschäden, zu denen Vortrag fehlt.

(…) Ebenfalls nicht erfolgreich wendet die Berufung ein, das Landgericht hätte bereits deshalb nicht von einem provozierten Unfall ausgehen dürfen, weil der Kläger selbst gar nicht gefahren ist. Insoweit ist zwar richtig, dass der Kläger – falls eine Verabredung mit dem Zeugen K nicht erfolgt war – sich den Vorwurf einer Unfallmanipulation nicht entgegenhalten lassen muss. Ob dem Kläger dann gegen seinen Fahrer K aus dem Unfall Ansprüche zustehen, ist nicht Streitgegenstand. Obwohl der Kläger selbst sein Fahrzeug nicht geführt hat, haften die Beklagten für den an seinem Fahrzeug durch den von seinem Fahrer provozierten Schaden nicht.

Zwar haften die Beklagten dem Kläger grundsätzlich aus der Betriebsgefahr des von der Beklagten zu 3) gefahrenen Fahrzeugs. Haben die Beklagten jedoch, wie hier, nachgewiesen, dass der Zusammenstoß durch ein Fahrverhalten des klägerischen Fahrers provoziert worden ist, so ist einerseits der gegen die Beklagte zu 3) sprechende Anscheinsbeweis widerlegt und die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt im Rahmen der nach § 17 StVO vorzunehmenden Abwägung mit der erheblich erhöhten Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs gänzlich zurück, so dass eine Haftung nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 13. März 1989 – 12 U 2882/88 -, NZV 1989, 316).

Entgegen den Ausführungen der Berufung ist insoweit auch nicht erforderlich, dem Kläger eine Absprache mit dem Zeugen K nachzuweisen, um von einem provozierten Geschehen auszugehen. Die Berufung verkennt, dass es nicht darum geht, ob dem Kläger ein provozierter Unfall angelastet werden kann, sondern darum, ob der Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs, der Beklagten zu 3), im Rahmen der nach § 17 StVO vorzunehmenden Abwägung überhaupt ein Verschulden angelastet werden kann, bzw. dieses hinter die erheblich erhöhte Betriebsgefahr durch die vorsätzlich schadensverursachende Fahrweise des Zeugen K. zurücktritt. (…)

Schließlich kann die Berufung auch deshalb keinen Erfolg haben, weil das Fahrzeug des Klägers, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, ersichtlich vorgeschädigt war und der Kläger weder zum Umfang des Vorschadens, noch zu dessen Reparatur vorträgt. (…) Der Geschädigte, der mit einem vorgeschädigten Fahrzeug in einen weiteren Unfall verwickelt wird, hat die Ursächlichkeit zwischen dem neuen Unfall und dem danach vorliegenden Schaden zu beweisen. Hierfür muss er ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher entstanden sind (vgl. Senat, Urteil vom 24. April 2007 – 12 U 76/07 – NZV 2007, 521). (…) Wird aber die Kausalität zwischen dem Unfall und den danach vorliegenden Schäden von den Beklagten bestritten, so obliegt es dem Kläger, die Ursächlichkeit nachzuweisen. Hierfür muss er ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher vorgelegen haben (vgl. Senat, Urteil vom 15. Mai 2000 – 12 U 9704/98 -; Urteil vom 2. August 1999 – 12 U 4408/98 -; Urteil vom 12. Oktober 1992 – 12 U 7435/98.) Kann der Kläger dies nicht, weil er ein Fahrzeug mit – behobenem – Vorschaden erworben hat, hierüber aber weder eine Reparaturrechnung noch sonstige Nachweise mit dem Fahrzeug übergeben wurden, geht dies zu seinen Lasten (vgl. KG, Urteil vom 30. Juni 2008 – 22 U 36/08 – ). Steht fest, dass nicht sämtliche Schäden, die das Unfallfahrzeug aufweist auf das vorliegende Ereignis zurückzuführen sind, ist dem Geschädigten auch für die kompatiblen Schäden kein Ersatz zu leisten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch diese durch das frühere Ereignis verursacht worden sein können (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Juli 2004 – 16 U 195/03 – ZfS 2005, 69; OLG Nürnberg, Urteil vom 18. Juli 2003 – 6 U 362/03 – DAR 2003, 559). (…)

KG, Beschluss vom 30.06.2010, Az: 12 U 151/09

, , , , ,