AG Mitte: GASAG muss überhöhten Gaspreis zurückzahlen


Unser Mandant, Sonderkunde der GASAG im Tarif „Aktiv“, hatte den Preiserhöhungen ab Dezember 2004 kontinuierlich widersprochen. Die GASAG sah sich aufgrund einer Preiserhöhungsklausel in ihren AGB dazu berechtigt. Nachdem das Kammergericht durch Urteil vom 28.10.2008 (Az: 21 U 160/06) und auch der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 15.07.2009 (Az: VIII ZR 225/07) entscheiden hatten, dass der GASAG ein Preiserhöhungsrecht nicht zusteht, entschloss sich unser Mandant zu klagen. Das Amtsgericht Mitte sprach unserem Mandanten jetzt die zu viel gezahlte Summe zum überwiegenden Teil zu, die Berufung wurde nicht zugelassen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 261 ‚85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Februar 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Entscheidunqsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der klagenden Partei steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Entgelte für die im Zeitraum vom 01. Oktober 2005 bis zum 31. Dezember 2006 erhaltenen Gaslieferungen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Höhe gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., 818 Abs. 2 BGB zu.

Die Beklagte hat die Zahlungen der klagenden Partei für diesen Zeitraum in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ohne Rechtsgrund erhalten. Unstreitig bestand zwischen den Parteien in dem genannten Zeitraum zwar ein Vertragsverhältnis über die Belieferung von Gas nach dem Tarif der Beklagten GASAG-Aktiv. Bei diesem Vertrag handelt es sich nach Ansicht des Gerichts in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BGH vom 15. Juli 2009 (VIII ZR 225/07) nicht um einen Tarif- bzw. Grundversorgungsvertrag im Sinne der § 1 Abs. 2 AVBGasV, 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. 36 Abs. 1 EnWG 2005, sondern um einen „Erdgasversorgungsvertrag mit Sonderpreiskonditionen“, wie es § 1 Nr. 2 der ab dem 01 . Mai 2001 geltenden AGB der Beklagten ausdrücklich heißt, also um einen Sondervertrag, so dass vorrangig die Regelungen der AGB zu berücksichtigen sind. Ebenfalls mit der Entscheidung des BGH ist jedoch davon auszugehen, dass die in § 3 der bis zum 01. April 2007 gültigen AGB enthaltene Preisänderungsklausel unwirksam ist, da sie die Kunden der Beklagten in unangemessener Weise benachteiligt.

Gemäß § 306 Abs. 1 BGB ist der zwischen den Parteien bestehende Vertrag trotz der Unwirksamkeit der Klausel im Übrigen wirksam, lediglich das darin genannte Recht der Beklagten auf eine einseitige Erhöhung des Bezugspreises entfällt. Die Unwirksamkeit der Klausel ist ex tunc eingetreten, diese hat die Kunden der Beklagten von Beginn des Vertragsverhältnisses an benachteiligt, so dass sie von Anfang an unwirksam ist. Eine Unwirksamkeit erst ab Rechtskraft der genannten Entscheidung des BGH in analoger Anwendung des § 8 Satz 2 des Preisklauselgesetzes ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht anzunehmen. Es fehlt insoweit bereits an einer Regelungslücke, in den § 305ff. BGB ist vollständig geregelt, welche Folgen die Unwirksamkeit einer Klausel aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat, nämlich deren Unwirksamkeit für den Vertrag, also auch für die gesamte Vertragslaufzeit.

Gemäß § 306 Abs. 2 BGB tritt an Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzliche Regelung. Diese besteht darin, dass gemäß § 31 1 Abs. 1 BGB zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich ist. Die Regelung in § 4 Abs. 2 AVBGasV stellt keine gesetzliche Regelung im Sinne des § 306 Abs. 2 BGB dar, da diese nach § 1 Abs. 2 AVBGa5V nur für Tarifkunden gilt und nicht für Sonderkunden (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010, VIII ZR 81/08, Rdnr. 25, nach juris).

Es gibt entgegen der Ansicht der Beklagten weder Veranlassung, von den Grundsätzen der Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen abzuweichen, noch ergibt sich im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung die Annahme einer Berechtigung zur einseitigen Preiserhöhung durch die Beklagte.

Die Beklagte hat die klagende Partei durch die Verwendung der Klausel in § 3 der AGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise benachteiligt. Entsprechend der Wertung des Gesetzgebers führt die Benachteiligung gemäß § 306 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel. Üblicherweise kann sich die Unwirksamkeit einer den Kunden benachteiligenden Klausel wirtschaftlich zu Lasten des Verwenders auswirken. Eine Schutzwürdigkeit des Verwenders ist insoweit nicht zu erkennen. Die Klausel stellt auch nicht lediglich eine Klarstellung gegenüber der Regelung in § 4 AVBGasV dar, wie die Beklagte meint, sondern unterscheidet sich von dieser entscheidend dahingehend, dass nach § 4 AVBGasV die Rechtspflicht besteht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (BGH, Urteil vom 15. Juli 2007, VIII ZR 225/07, Rdnr. 28, nach juris).

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist gemäß § 306 Abs. 2, 157, 133 BGB bei der Unwirksamkeit von Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwar grundsätzlich möglich, die Voraussetzungen dafür liegen hier jedoch nicht vor. Die Ausfüllung der durch die Unwirksamkeit der Klausel entstandenen Lücke durch die gesetzliche Regelung führt nicht zu einem Ergebnis, das das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Davon ist schon deshalb nicht auszugehen, weil die Beklagte nach § 14 Nr. 2 der AGB (2005) berechtigt war, sich mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zur jeweiligen Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Da die Beklagte jeweils nur über einen begrenzten Zeitraum an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden blieb, ist ein für diese unzumutbares Ergebnis nicht anzunehmen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010, VIII ZR 81/08, dort zu Rdnr. 28f., nach juris). Die behauptete Existenzbedrohung stellt keine im lndividualprozess zu beurteilende einseitige Verschiebung des konkreten Vertragsgefüges dar. Zudem beschränkt sich die Beklagte insoweit auf Spekulationen. Konkrete Zahlen der tatsächlich geltend gemachten Forderungen benennt die Beklagte nicht. Zudem hätte sie auf der anderen Seite ihr Geschäftsvermögen, die Geschäftsentwicklungen etc. darlegen müssen.

Dies führt dazu, dass die von der Beklagten zwischenzeitlich erfolgten Erhöhungserklärungen mangels vertraglicher Grundlage wirkungslos sind. Es ist zwischen den Parteien nicht zu einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung einer Preiserhöhung gekommen.

Allerdings betrug der anfänglich zwischen den Parteien vereinbarte Preis nicht – wie dies der Kläger vorträgt – 00343 €/kWh, sondern 0,036 €/kWh, denn der hier maßgebliche Vertrag zwischen den Parteien wurde nicht im Jahr 2000, sondern im Januar 2005 geschlossen. Zwar war der Kläger bereits seit dem Jahr 2000 zusammen mit seiner damaligen Mitbewohnerin Vertragspartner der Beklagten für dieselbe Entnahmestelle. Aber er schloss mit der Beklagten einen neuen Vertrag, indem er ihr gegenüber darauf hinwies, dass die Mitbewohnerin ausgezogen ist und die Beklagte vermerken wolle, dass er der alleinige Vertragspartner sei und die Beklagte ihn daraufhin mit einer anderen Vertragnummer als alleinigen Vertragpartner für die Entnahmestelle führte. Denn in einem dreiseitigen Vertrag, wie er zwischen dem Kläger und seiner Mitbewohnerin einerseits und der Beklagten andererseits bestand, können nicht zwei der Beteiligten zu Lasten des Dritten den Vertrag ändern. Insofern war es dem Kläger und der Beklagten wegen des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter verwehrt, ohne Zustimmung der Mitbewohnerin zu vereinbaren, dass diese nicht mehr Vertragspartnerin sein soll. Dagegen konnte sich der Kläger mit der Beklagten einigen, dass er mit ihr einen neuen Gaslieferungsvertrag schließt, in welcher nur er der zu beliefernde Kunde ist. Dies berührte den davor bestehenden dreiseitigen Vertrag nicht – dieser ruht, da insoweit eine Gasbelieferung tatsächlich derzeit nicht stattfindet. Hinsichtlich des zwischen den Parteien zum Januar 2005 neu geschlossenen Vertrages spricht jedoch nichts dafür, dass die Beklagte diesen zu den alten Bezugspreisen schließen wollte. Vielmehr steht für den Fall, dass zwei Parteien einen Vertrag schließen ohne sich auf einen Preis zu einigen, gemäß § 316 BGB das Preisbestimmungsrecht demjenigen zu, der die Bezahlung fordern darf. Das war hier die Beklagte, die ihr Preisbestimmungsrecht mit ihren veröffentlichten Tarifen – seinerzeit im Tarif GASAG-Aktiv 0,036 €/kWh – ausgeübt hat.

Dieser Preis hat sich im hier fraglichen Zeitraum nicht verändert.

Die Parteien haben sich nicht dadurch stillschweigend auf einen höheren Preis geeinigt, indem die Beklagte eine Preiserhöhung bekannt gegeben und der Kläger weiter Gas bezogen und der Preiserhöhung nicht widersprochen hat. Auf die Frage, ob der Beklagte den Preiserhöhungen jeweils widersprochen hat, kommt es nicht an.

Bei einer einseitigen Preiserhöhung eines Gasversorgungsunternehmens aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die unwirksam oder – beispielsweise mangels ordnungsgemäßer

Einbeziehung – nicht Vertragsbestandteil ist, kann die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden. Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält grundsätzlich über seinen Charakter als Erfüllungshandlung hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen (vgl. Urteil des BGB vom 14. Juli 2010, Geschäftszeichen: VIII ZR 246/08, zitiert nach der Presseerklärung Nr. 145/10 des BGH vom 14. Juli 2010).

Auch das Schreiben des Klägers vom 22. Januar 2010, in welchem er der Beklagten mitteilte, dass er eine Preiserhöhung von 1 0 % ab dem 1 . Januar 2006 für angemessen halte, führte nicht zu einer Preiserhöhung um diesen Prozentsatz. Denn insoweit fehlt es an zwei übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien, die für eine Einigung auf einen neuen Preis notwendige gewesen wären. Das Schreiben ist als Angebot des Klägers auf Abschluss eines neuen Vertragspreises zu verstehen, welches von der Beklagten jedoch nicht angenommen wurde.

Eine Änderung des zwischen den Parteien Anfang 2005 vereinbarten Arbeitspreises von 0,036 €/kWh netto ist mithin nicht erfolgt. Soweit die klagende Partei darüber hinaus Zahlungen an die Beklagten geleistet hat, sind diese ohne Rechtsgrund erfolgt.

Da der Kläger im Zeitraum 1 . Oktober 2005 bis 31 . Dezember 2006 insgesamt 24.564 kWh Gas verbraucht hat, hatte er dafür bei einem Preis von 0,036 €/kWh netto 884,304 € und brutto (bei damals 1 6 % Mehrwertsteuer) 1.025,79 € zu zahlen. Tatsächlich gezahlt hat er 1.287,64 €‚ also 261 ‚85 € zu viel. In dieser Höhe besteht sein Rückforderungsanspruch.

Auf Einwände gegen die Billigkeit des verlangten Tarifs kommt es nicht an.

Der Anspruch ist nicht wegen eines Wegfalls der Bereicherung bei der Beklagten oder der von dieser hilfsweise erklärten Aufrechnung erloschen. Eine Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB kann nicht festgestellt werden. Es fehlt insoweit bereits an einem Ursachenzusammenhang zwischen dem Empfang der rechtsgrundlosen Leistung und dem Vermögensverlust, da die Beklagte diesen auch dann erlitten hätte, wenn der Kunde nur die vertraglich geschuldeten und nicht die erhöhten Beträge gezahlt hätten (OLG Hamm, a.a.O, Rdnr. 80 nach juris). Zudem besteht ein Bereicherungsanspruch der Beklagten, mit dem sie gegenüber der Klageforderung aufrechnen könnte, nicht. Die klagende Partei hat – nach Durchsetzung ihres Bereicherungsanspruches – zu dem wirksam vereinbarten Preis Gas bezogen. Es ist deshalb nicht darauf abzustellen, wie hoch die marktüblichen Preise waren, sondern was zwischen den Parteien wirksam vereinbart war.

Eine Verwirkung des Bereicherungsanspruchs oder eine Verwirkung des Rechts, dem erhöhten Preis zu widersprechen, besteht nicht. Für die Beklagte gab es keinen nachvollziehbaren Grund, davon ausgehen zu können, dass die klagende Partei den Rückzahlungsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Vielmehr musste die Beklagte damit rechnen, dass die klagende Partei die Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung abwarten und innerhalb der Verjährungsfrist Rückzahlungsansprüche geltend gemacht wird.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die zu der Vollstreckbarkeit auf den § 708 Nr. 1 1 ‚ 71 1 ‚ 71 3 ZPO.

Die Berufung gegen das Urteil ist gemäß § 51 1 Abs. 4 BGB nicht zuzulassen, da die bislang von unterschiedlichen Gerichten unterschiedlich beantwortete Frage, ob die vorbehaltlose Zahlung auf die (ohne Rechtsgrundlage) einseitig erklärte Preiserhöhung auch bei Sondervertragskunden als stillschweigende Zustimmung zu dem neu verlangten Preis anzusehen ist, durch das Urteil des BGH vom 14. Juli 2010 entschieden wurde.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 45 Abs.3, 48 Abs. 1 ‚ 63 Abs. 2 GKG. Insoweit erhöhte die hilfsweise Aufrechnung – da insoweit über sie entschieden wurde – in Höhe von 261 ‚85 € den Streitwert. Dieser Wert ist folglich zur Klageforderung in Höhe von 310,41 € hinzuzurechnen.

AG Mitte, Urteil vom 30.07.2010, Az: 18 C 122/09

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