In dieser Sache hatten wir schon mehrfach berichtet, nun hat das OLG Schleswig die Anordnung der Blutentnahme durch den Polizeibeamten „abgesegnet“. Ein Beweisverwertungsverbot sei nicht anzunehmen, da dieser nicht willkürlich gehandelt habe. Zuvor hat es sich das OLG es allerdings nicht nehmen lassen, die Rechtsbeschwerde wegen angeblich mangelnden Vortrages der Verteidigung abzubügeln. Auf die Gehörsrüge, in der aus Höflichkeitsgründen auf den Satz „wer lesen kann, ist klar im Vorteil.“ verzichtet wurde, fand das OLG den Vortrag dann wohl doch ausreichend, wies die Rechtsbeschwerde dann aber doch aus oben genannten Gründen zurück.
Hier für die interessierte Leserschaft die Beschlüsse im Volltext:
Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesgericht
1. Senat für Bußgeldsachen
1 Ss OWI 88/10 (92/10)
Beschluß
in der Bußgeldsache gegen,
geboren am in Berlin,
wohnhaft Berlin,
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
– Verteidiger: Rechtsanwalt Thomas Kümmerle in Berlin -.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 24. März 2010 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig in der Besetzung mit einem Richterauf Antrag der Staatsanwaltschaft am 24. Juni 2010 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe:
Die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Die erhobene Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.
Zum Verfahrensgang trägt die Rechtsbeschwerdeführerin insoweit folgendes vor:
„In der Hauptverhandlung vom 24.03.2010 wurde der Verlesung und Verwertung des Gutachtens wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt gem. § 81a StPO nochmals widersprochen.“
Der Zeitpunkt des Widerspruchs wird allerdings nicht mitgeteilt. Die Verfahrensrüge leidet somit an einem erheblichen Mangel. Ein Beweisverwertungsverbot aufgrund der nach dem Vortrag der Rechtsbeschwerde rechtsfehlerhaft gewonnenen Blutprobe setzt voraus, dass die Betroffene bzw. der Verteidiger der Verwertung des Beweismittels widersprochen hat, wobei der Widerspruch nur bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt erklärt werden kann. Der Widerspruch muss also spätestens in der Erklärung enthalten sein, die die Betroffene oder ihr Verteidiger im Anschluss an diejenige Beweiserhebung abgibt, die sich auf den Inhalt der beanstandeten Beweiserhebung bezieht (vgl. BGHSt, 38, 214, 226 f). Zur Rechtzeitigkeit des Widerspruchs verhält sich die Rechtsbeschwerdebegründung nicht. Soweit weiter mitgeteilt wird, dass bereits der Verwertung des Gutachtens im Anhörungsverfahren widersprochen worden ist und der Widerspruch mit dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ausdrücklich aufrecht erhalten worden ist, sind solche außerhalb der Hauptverhandlung erhobene Widersprüche für die Frage der Rechtzeitigkeit i. S. des § 257 StPO ohne Bedeutung.
Im Übrigen zeigt die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf, § 349 Abs. 2 StPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.
Vors. Richter am OLG
SchIeswig-HoIsteinisches
Oberlandesgericht
1. Senat für Bußgeldsachen
1 Ss OWI 88/10 (92/10)
Beschluß
in der Bußgeldsache gegen,
geboren am in Berlin,
wohnhaft Berlin,
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
– Verteidiger Rechtsanwalt Thomas Kümmerle in Berlin
Auf die Gehörsrüge der Betroffenen gegen den Beschluss des Senats vom 24. Juni 2010, durch den die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 24. März 2010 als offensichtlich unbegründet verworfen worden ist, hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandegericht in Schleswig in der Besetzung mit einem Richter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 13. Juli 2010 beschlossen:
Auf die Gehörsrüge wird der Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 aufgehoben und das Verfahren in den Stand vor dem Erlass der Entscheidung zurückversetzt.
Sodann wird die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Betroffenen als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe:
Auf die Gehörsrüge hin war die Entscheidung des Senats aufzuheben und das Verfahren in den Stand vor der Entscheidung zurückzuversetzen, denn der Senat hat bei der Entscheidung in entscheidungserheblicher Weise das rechtliche Gehör der Betroffenen dadurch verletzt, indem es ein tatsächliches Vorbringen der Betroffenen bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat. Dies betrifft den Zeitpunkt des in der Hauptverhandlung ausgebrachten Widerspruchs. Insoweit hat der Senat nicht bedacht, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsbeschwerde ergibt, dass der Widerspruch i. S. d. § 257 StPO rechtzeitig erfolgt ist. Denn mit der Rechtsbeschwerde ist vorgetragen worden, dass die Verlesung des Gutachtens (erst) nach dem vom Amtsgericht in der Hauptverhandlung ergangenen Beschluss über den Widerspruch erfolgt ist.
Die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
Die erhobene Verfahrensrüge ist zwar zulässig, jedoch letztlich unbegründet, weil das Amtsgericht zutreffend von der Verwertbarkeit des Gutachtens ausgegangen ist. Zwar ist die Anordnung der Blutprobe unter Verstoß gegen eine Beweiserhebungsvorschrift (§ 81 a StPO) ergangen, jedoch führt nicht jeder Verstoß gegen eine Beweiserhebungsvorschrift zu einem Verwertungsverbot. Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und des Gewichtes des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die Bedeutung sind, die nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vergl. BGHSt 44,243 f). Ein Beweisverwertungsverbot wird von der Rechtsprechung bei willkürlicher Vornahme einer Maßnahme ohne richterliche Anordnung und damit bewusstem Ignorieren des Richtervorbehalts angenommen (Vergl. OLG Oldenburg, NZV 2010, 101ff).
Gemessen daran ist vorliegend nicht von einem, Verwertungsverbot auszugehen. Das Amtsgericht hat insoweit festgestellt:
„Im vorliegenden Fall ist die durch die Polizeibeamten im Wege der Eilkompetenz getätigte Anordnung einer Blutprobe nicht als willkürlich zu bezeichnen. Dies gilt auch bei der Angabe der Zeugen P und D, dass eine dienstliche Anweisung bestand, dass stets von Gefahr im Verzug auszugehen sei. Denn vorliegend hat der Polizeibeamte P im Rahmen seiner Zeugenvernehmung glaubhaft bekundet, nicht ausschließlich aufgrund dieser dienstlichen Anweisung gehandelt zu haben, sondern sich eigenständig Gedanken über die Frage der Annahme von Gefahr im Verzug gemacht zu haben. So hat er glaubhaft bekundet, aus eigenen Erfahrungen zu wissen, dass eine richterliche Anordnung nicht innerhalb von wenigen Minuten zu erlangen ist, sondern zwei bis drei Stunden in Anspruch genommen hätte. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass er aus eigener Erfahrung wisse, dass ein schriftlicher Beschluss hätte eingeholt werden müssen und ein mündlicher Beschluss nicht erlangt werden könnte. Dann hätte aber nach seiner Einschätzung nach ein Beweismittelverlust drohen können, da die Betroffene selbst angab, am Vortag Cannabis konsumiert zu haben und es möglicherweise um den Grenzwert von 1 ng/ml gegangen wäre. Der Zeuge P gab weiter an, durch die stark geröteten Augen der Betroffenen, ihre geröteten Bindehäute und ihr auffälliges Verhalten durch langsame Reaktionen und starke Diskutierfreudigkeit den Verdacht gehabt zu haben, dass sie tatsächlich Drogen konsumiert hatte, aber nicht sicher einschätzen konnte, ob dies am Vortag oder am gleichen Tag geschehen sei. Die Anordnung der Blutprobe durch den Zeugen P bewertet das Gericht daher nicht als willkürlich.“
Unter Berücksichtigung dieser Feststellungen kann – wie vom Amtsgericht zutreffend angenommen – von einer willkürlichen Anordnung der Blutprobe durch den Zeugen P nicht ausgegangen werden. Seiner Entscheidung ging vielmehr eine sachgerechte Abwägung der ihm bekannten Umstände voraus. Insbesondere die eigene Angabe der Betroffenen, am Vortage Cannabis konsumiert zu haben, rechtfertigte die Annahme eines drohenden Beweismittelverlustes und damit die Annahme der Gefahr im Verzug. Ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der vom Zeugen angeordneten Blutprobe besteht deshalb nach allem nicht.
Im Übrigen zeigt die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf, § 349 Abs. 2 StPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWIG, § 473 Abs. 1 StPO.
Vors. Richter am OLG
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschlüssse vom 24.06.2010 und 13.07.2010, Az: 1 Ss OWI 88/10 (92/10)
Vorinstanz: AG Ahrensburg, Urteil vom 24.03.2010, Az: 52 OWi 760 Js-OWi 50221/09 (752/09)