KG: kein gewerbsmäßiger Betrug auch bei Vielzahl von Fällen


Das Amtsgericht Tiergarten  hatte die Angeklagte wegen gewerbsmäßig begangenen Betruges in 19 Fällen zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten verurteilt und daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten gebildet, ausgesetzt zur Bewährung. Von 2005 bis 2006 hatte die Angeklagte über eBay Kosmetikartikel und Handtaschen als „hochwertige“ Markenartikel verkauft, obwohl es sich um billige Imitationen handelte. Das Landgericht Berlin verwarf die auf das Strafmaß beschränkte Berufung.

Die Revision der Angeklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung, da ein gewerbsmäßiges Handeln und damit ein besonders schwerer Fall des Betruges  nach Auffassung des Kammergerichts nicht vorlagen und die verhängten Einzelstrafen somit zu hoch ausgefallen waren. Selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen scheidet ein besonders schwerer Fall dann aus, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze die das Kammergericht bei 25 Euro sieht, nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und gewichtige zugunsten des Täters sprechende Umstände vorliegen.

Aus den Gründen:

(…) (Das Landgericht hat) verkannt, dass gemäß § 263 Abs. 4 StGB in Verbindung mit § 243 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Fall des Betrugs ausgeschlossen ist, wenn sich die Tat lediglich auf eine Vermögensverschiebung (Schaden und Vorteil) von geringem Ausmaß bezieht. Als gering sind jedenfalls Schäden bis etwa 25,- EUR anzusehen (vgl. OLG Oldenburg NStZ-RR 2005, 111; Fischer, StGB 57. Aufl., § 248 a StGB Rdn. 3 mit weit. Nachw.). Ob diese Grenze auf 50,- EUR angehoben werden sollte (vgl. OLG Hamm NJW 2003, 3145 und wistra 2004, 34; OLG Zweibrücken NStZ 2000, 536; Satzger in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rdn. 289; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl., § 248 a Rdn. 10; Schmitz in Münchener Kommentar, § 243 StGB Rdn. 64), erscheint zweifelhaft, wenn man diese Summe in Beziehung zum Regelbedarf gemäß § 20 Abs. 2 SGB II (derzeit 359,- EUR/Monat) setzt oder bedenkt, dass damit der Wert etwa des halben Wochenlohns eines geringfügig Beschäftigten als geringfügige Bagatelle eingeordnet würde (vgl. ablehnend Fischer a.a.O.). Letztlich bedarf diese Frage hier keiner Entscheidung. Jedenfalls bei den festgestellten Schäden in Höhe von 19,05 EUR (…) und 16,50 EUR (…) hätte das Landgericht zwingend den Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB zugrunde legen müssen. Feststellungen dahingehend, dass die subjektiv erstrebte Bereicherung oberhalb der Geringwertigkeitsgrenze lag (vgl. dazu Satzger a.a.O.), sind nicht getroffen worden.

Der Senat geht davon aus, dass die Einzelstrafen deutlich geringer ausgefallen wären, wenn der Strafkammer bewusst gewesen wäre, dass die unwiderlegbare Gegenindikation des § 243 Abs. 2 StGB die Annahme der besonderen Schwere dieser Fälle ausschließt. (…)

Aber auch in den Fällen, in denen die Geringwertigkeitsgrenze überschritten war, nahm das Kammergericht keinen besonders schweren Fall an und stellte auf den Gesamtschaden und besondere für die Angeklagte sprechende Umstände wie Geständigkeit und die Leichtfertigkeit der Geschädigten ab.

(…) Zwar war (…) die Annahme besonders schwerer, weil gewerbsmäßig begangener Fälle, denkbar, weil die Geringwertigkeitsgrenze, wenn man sie bei 25,- EUR zieht, überschritten war. Auch hat das Landgericht erkannt, dass von der Erfüllung des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB nur eine Indizwirkung ausgeht, die durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann. Es hat jedoch nicht bedacht, dass beim Betrug für die Strafzumessung vor allem die Schadenshöhe ausschlaggebend ist (vgl. BGH NStZ 1999, 244, 245; BGHSt 36, 320, 325; Satzger a.a.O. § 263 Rdn. 286; Fischer a.a.O. § 263 Rdn. 207) und beim gewerbsmäßigen Betrug selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen ein besonders schwerer Fall dann nicht in Betracht kommt, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und gewichtige zugunsten des Täters sprechende Umstände vorliegen (vgl. BGH wistra 2001, 303f zu § 263 StGB a.F.).

(…) Hinzu kommt, dass hinsichtlich der gelieferten Waren deren – wenn auch geringer – Wert zu saldieren gewesen wäre. Auch kann der festgestellte Gesamtschaden von 2.121,14 EUR noch als „relativ gering“ angesehen werden (so BGH a.a.O. für einen Schaden von ca. 15.000,- DM). Zudem sprechen zahlreiche im Urteil mitgeteilte Umstände zu Gunsten der Angeklagten, die Volkswirtschaft studiert und als verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern mit ihrer Familie in bescheidenen, gleichwohl geordneten Verhältnissen lebt. Insbesondere stellen das umfassende Geständnis der bisher unbestraften Angeklagten, die seit der letzten Tat bis zur Entscheidung verstrichene Zeit von etwa drei Jahren sowie das festgestellte leichtfertige Handeln der Geschädigten günstige Umstände dar, die bei den hier verursachten Schäden die Wahl des für besonders schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens als unangemessen erscheinen lassen. Demgegenüber sind die straferschwerenden Umstände, die das Landgericht in der Dauer der Tatserie, dem erkennbar gewordenen Maß an krimineller Energie und darin gefunden hat, dass die Angeklagte nach polizeilichen Vernehmungen (…) weitere Taten begangen hat, nicht so gewichtig, dass unter Berücksichtigung aller Umstände der Regelstrafrahmen keine ausreichende Reaktionsmöglichkeit mehr bietet. (…)

KG, Beschluss13.01.2010, Az: (1) 1 Ss 465/09 (23/09)



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