OLG Koblenz – keine pauschale Verdoppelung eines Fahrverbots bei vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung


(c) tommy S / Pixelio

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Die im Bußgeldkatalog Abschnitt 1 aufgeführten Geldbußen gelten für verkehrsrechtlich nicht vorbelastete Betroffene, d.h. es liegen keine verwertbaren Eintragungen im Verkehrszentralregister vor, und setzen voraus, dass der Verstoß nur fahrlässig begangen wurde. Sozusagen der Regelfall. Vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten haben einen eigenen Abschnitt in der BKatV. Liegen bereits Eintragungen im Verkehrszentralregister vor oder wurde die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich begangen, wird die Geldbuße erhöht. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 50 Prozent wird Vorsatz anzunehmen sein, worauf z.B. in Berlin von Bußgeldrichtern in Vorbereitung auf einen anstehenden Hauptverhandlungstermin gern  hingewiesen wird, verbunden mit dem Zusatz, man möge den Einspruch nochmals „überdenken“.

Das Oberlandesgericht Koblenz hob auf die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen ein Urteil des Amtsgerichts Linz auf und verringerte die wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung verhängte Geldbuße von 450 auf 300 Euro. Das vom Amtsgericht ausgesprochene zweimonatige Fahrverbot wurde auf einen Monat reduziert.

Der Betroffene war nach Abzug der Toleranz mit 157 km/h unterwegs gewesen, erlaubt waren 100 km/h.  Das Amtsgericht Linz war zum einen von einer falschen Regelgeldbuße von 225 Euro ausgegangen und hat diese als auch die Regeldauer des Fahrverbots im Hinblick auf die vorsätzliche Begehungsweise und die Uneinsichtigkeit des Betroffenen einfach pauschal verdoppelt. Das sah das OLG Koblenz als rechtsfehlerhaft an. Zwar könne die Geldbuße erhöht werden, dann aber einzefallbezogen. Auch sei der Betroffene nicht uneinsichtig gewesen, er hatte nur bestritten, der Fahrer zu sein. Allein das zulässige Ausnutzen prozessualer Rechte könne aber nicht zu einer Verdoppelung des Fahrverbotes herangezogen werden.

Die Entscheidung des OLG Koblenz betraf einen Altfall vor Einführung des § 3 Abs. 4a BKatV zum 01.02.2009. Dieser lautet: „Wird ein Tatbestand des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs vorsätzlich verwirklicht, für den ein Regelsatz von mehr als 35 Euro vorgesehen ist, so ist der dort genannte Regelsatz zu verdoppeln, …“. Von einer Verdoppelung des Fahrverbotes bei vorsätzlicher Begehung ist dort allerdings nicht die Rede.

Aus den Gründen:

(…) Nicht tragfähig sind (…) die zur Begründung der Fahrverbotsdauer herangezogenen Kriterien. Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG hat eine Erziehungs- und Warnfunktion. Es ist als rein spezialpräventive Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (BVerfG NJW 1969, 1623; BGH NJW 1992, 449, 450; Hentschel StVG § 25 Rdn. 11). Wie der enge gesetzliche Rahmen für die Dauer eines Fahrverbots von einem bis drei Monaten zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, das die beabsichtigte Wirkung grundsätzlich schon mit einem einmonatigen Fahrverbot zu erreichen ist (BayObLG NZV 1994, 487, 488). Es ist daher auch bei Anordnung eines Fahrverbots nicht zulässig, dessen Regeldauer nach dem Bußgeldkatalog pauschal wegen vorsätzlichen Handelns zu verdoppeln.

Ebenso verfehlt ist es, bei Bestimmung der Fahrverbotsdauer auf die Frage einer charakterlichen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen abzustellen. Dieser Maßstab gilt für die Entziehung der Fahrerlaubnis, die in § 69 StGB als Maßregel der Besserung und Sicherung im Zusammenhang mit einer Straftat, nicht jedoch als Folge von Verkehrsordnungswidrigkeiten im Straßenverkehrsgesetz vorgesehen ist.

Das angeführte Prozessverhalten des Betroffenen kann ebenfalls keinen Grund für eine Erhöhung der Fahrverbotsdauer darstellen. Zwar kann sich Uneinsichtigkeit verschärfend auswirken. Allein das Ausnutzen prozessualer Rechte, wie vorliegend der Antrag des Betroffenen auf Vernehmung eines Zeugen zum Beweis einer fehlenden Fahreridentität, rechtfertigt aber noch nicht die Annahme von Uneinsichtigkeit, selbst wenn die Vernehmung die Beweisbehauptung nicht bestätigt und nur zu einer Verfahrensverzögerung geführt hat (KK OWiG-Mitsch § 17 Rdn. 69 – 71 m.w.N.). Andernfalls bestünde die Gefahr einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigungsrechte des Betroffenen. Nur wenn sein Prozessverhalten nach der Art seiner Tat und Persönlichkeit auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit seiner Person und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen ließe, wäre darin eine die Verschärfung der Rechtsfolgen rechtfertigende Uneinsichtigkeit zu erkennen (BGH NStZ 1983, 453; OLG Koblenz NStZ 1985, 369; KK OWiG-Mitsch a.a.O., jeweils m.w.N.). Dafür liefert das Urteil jedoch keine Tatsachengrundlage. (…)

(…) gegen den Betroffenen (ist) gem. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ein Fahrverbot wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers festzusetzen. Die grobe Pflichtwidrigkeit wird indiziert durch Erfüllung des Tatbestands nach Tabelle 1 lfd. Nr. 11.3.8 BKat, die bereits für fahrlässige Begehungsweise ein Regelfahrverbot von einem Monat vorsieht. Ein Fall des „Augenblicksversagens“, der den Vorwurf grob pflichtwidrigen Verhaltens entfallen lassen kann (BGH NJW 1997, 3252), scheidet bei einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung von vornherein aus.

Die Dauer des Verbots kann trotz der vorsätzlichen Begehungsweise auf das gesetzliche Mindestmaß beschränkt bleiben. Der Betroffene hat die Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bislang noch nicht erfahren, so dass anzunehmen ist, dass die nunmehr erstmalige Anordnung mit der Mindestdauer ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Zudem hat sich der Betroffene Vorsatz bei Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit vorher noch nicht zu Schulden kommen lassen. Den festgestellten Voreintragungen im Verkehrszentralregister liegen fahrlässige Verkehrsverstöße zugrunde. Unter diesen Umständen reicht die vorgenommene Erhöhung der Regelgeldbuße aus, dem aufgrund des Vorsatzes gesteigerten Schuldgehalt gerecht zu werden. Im Wiederholungsfall wäre jedoch eine Erhöhung der für den Regelfall vorgesehenen Mindestdauer des Fahrverbots zu erwägen (vgl. Hentschel § 25 StVG Rdn. 27 m.w.N.).

Die für den Regelfall fahrlässigen Handelns nach § 4 Abs. 4 BKatV vorgeschriebene (bei Fahrlässigkeitstaten stets erforderliche und im Urteil zu dokumentierende) Abwägung, ob ein Wegfall des Fahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße in Betracht kommt, ist bei vorsätzlicher Verwirklichung des Bußgeldtatbestands entbehrlich (BGH NJW 1992, 449; OLG Koblenz, Beschl. 1 Ss 133/05 vom 17.5.2005, 1 Ss 131/05 vom 9.5.2005).  (…)

OLG  Koblenz, Beschluss vom 10.03.2010, Az: 2 SsBs 20/10 (Justiz Rheinland-Pfalz)

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