Einem des illegalen Drogenhandels verdächtigen – unerkannt am Herzen vorgeschädigten – Gefesselten wurden auf polizeiliche Anordnung hin durch einen Arzt Brechmittel und Wasser über eine Magensonde verabreicht, um verschluckte Kokainbehältnisse sicherzustellen. Der Verdächtige verlor kurzzeitig das Bewusstsein, so dass ein Notarztes gerufen wurde. In dessen Anwesenheit setzte der Arzt die Zufuhr von Wasser nach Bergen eines ersten Kokainkügelchens fort. Der Verdächtige fiel ins Koma und verstarb an einer infolge eingeatmeten Wassers eingetretenen Sauerstoffunterversorgung des Gehirns.
Das Landgericht Bremen hat den Arzt vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Die Mutter und ein Bruders des Verstorbenen legten als Nebenkläger mit Erfolg Revision ein. Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshof hob den Freispruch auf und die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts Bremen zurück.
Hierfür ausschlaggebend war, dass das Landgericht die getroffenen Feststellungen nicht unter allen den Angeklagten betreffenden beruflichen Sorgfaltspflichten bewertet hat. So habe der Angeklagte den Betroffenen nicht über gesundheitliche Risiken bei zwangsweisem Brechmitteleinsatz aufgeklärt und nach einer ersten Ohnmacht unter menschenunwürdigen Umständen weitergehandelt. Den unerfahrenen und mit einem solchen Eingriff stark überforderten Angeklagten treffe auch ein Übernahmeverschulden, das durch ebenfalls todesursächliche Pflichtverletzungen Dritter (Notarzt, Organisatoren des Beweismittelsicherungsdienstes) nicht beseitigt werden konnte. Diese seien – bisher unbehelligt gebliebene – Nebentäter. Der 5. Strafsenat hat zudem die Erwägungen als rechtsfehlerhaft bewertet, auf Grund derer das Landgericht eine subjektive Pflichtverletzung des Angeklagten infolge der Anwesenheit und (beschränkten) Mitwirkung des Notarztes verneint hatte.
BGH, Urteil vom 29. April 2010, Az: 5 StR 18/10
Vorinstanz: LG Bremen, Urteil vom 4. Dezember 2008, Az: 7 (27) KLs 607 Js 1237/05
Quelle: Pressemitteilung Nr. 94/2010 vom 29. April 2010
Das Unglaubliche ist nicht, dass der Arzt hier auf Biegen und Brechen die Exkorporation durchführte, sondern vielmehr, dass ein hinzu gerufener Notarzt ihn zum einen nicht davon abhielt, dem bereits bewusstlosen Verdächtigen weiter Wasser einzuführen, zum anderen, dass alle weiteren Beteiligten bislang von Ermittlungsverfahren offensichtlich verschont blieben.
Nach der Entscheidung des EuGH vom 11. Juli 2006 (Jalloh ./. Deutschland) stellt die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln an einen potentiellen Drogenhändler, um ihn zum Erbrechen verschluckter Drogen zu veranlassen, eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar. Wegen Verstoß gegen den Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, unterliegen Beweise, die aus solch einem Verstoß gewonnen werden, einem absoluten Verwertungsverbot.