AG Mitte – Wer aus einer Gruppe von Fußgängern auf die Fahrbahn stolpert, hat bei einem Unfall Schadenersatz zu leisten


Unser Mandant stand nach einer recht feuchten Party mit mehreren anderen Personen an einer roten Fußgängerampel. Als sich ein Pkw der Ampel näherte, strauchelte er und machte versehentlich einen Schritt auf die Straße und dann wieder zurück auf den Bürgersteig. Der Pkw musste deshalb abbremsen. Ein dahinter fahrender Pkw musste ebenfalls abbremsen, fuhr aber trotzdem noch auf das Heck des vorderen Pkw auf. Die Polizei wurde hinzu gerufen und nahm den Unfall auf und unseren Mandanten mit. Eine Stunde nach dem Unfall ergab die Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 Promille.

Die Eigentümerin des aufgefahrenen Pkw verlangte von unserem Mandanten Schadenersatz. Dessen private Haftpflichtversicherung wollte es aber genau wissen, so dass der Rechtsstreit vor dem AG Mitte landete. Dort entschied die Richterin, dass der Klägerin voller Schadenersatz zu leisten sei, eine Mithaftung zumindest aus der Betriebsgefahr des Pkw sei nicht ersichtlich. Dass unser Mandant gestolpert sei, entlaste ihn nicht. Einen Fußgänger müsse so weit vom Fahrbahnrand warten, dass er von einer möglicherweise drängelnden Menschengruppe nicht auf die Straße geschoben werden kann. Also immer schön hinten anstellen.

Aus den Gründen:

(…) Nach dem Vortrag der Parteien steht zur sicheren Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO fest, dass der Beklagte den Verkehrsunfall allein verursacht und verschuldet hat. Denn unstreitig betrat der Beklagte die Fußgängerfurt bei für Fußgänger rotem Ampellicht, wodurch das erste von links herannahende Fahrzeug, der Pkw des Zeugen R, bis zum Stillstand abbremsen musste. Desgleichen musste das klägerische Fahrzeug abbremsen und fuhr auf das Heck des Pkw des Zeugen R auf. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Fahrzeuge der Klägerin und des Zeugen Richter im fließenden Verkehr mit ca. 50 km/h fuhren oder aber an der Haltelinie anfuhren, als der Beklagte die Straße betrat. Denn wenn die Fahrzeuge im fließenden Verkehr fuhren, fehlt jeglicher Vortrag des Beklagten dazu, dass und wieso das klägerische Fahrzeug rechtzeitig und mühelos hätte anhalten können. Allein die pauschale Behauptung, das klägerische Fahrzeug sei zu schnell, mit zu geringem Sicherheitsabstand oder die Fahrzeugführerin zu unaufmerksam gefahren, reicht insoweit nicht aus. Der Anscheinsbeweis der § 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 2 StVO gegen den Auffahrenden gilt nur im Verhältnis zum voranfahrenden Fahrzeug, nicht aber im Verhältnis zu einem verbotswidrig die Straße betretenden Fußgänger.

Sollten die Fahrzeuge, wie der Beklagte behauptet, erst im Anfahren begriffen gewesen sein, konnte und musste das klägerische Fahrzeug noch keinen ordnungsgemäßen Sicherheitsabstand erreicht haben, so dass ein Mitverschulden des klägerischen Fahrzeugs nicht in Betracht kommt.

Soweit der Beklagte behauptet, er sei gestolpert und habe nur um sein Stürzen zu verhindern die Straße betreten, entlastet ihn diese bestrittene Behauptung nicht. Es obliegt der Sorgfalt des Fuß-gängers derart weit vom Fahrbahnrand zu warten, dass er auch innerhalb einer möglicherweise drängelnden Menschengruppe nicht auf die Straße geschoben wird oder stolpert. Ein entsprech-ender Vorgang kann jedenfalls nicht ein Verschulden eines vorbeifahrenden Pkw begründen. Dass sich die Fahrzeugführerin des klägerischen Fahrzeuges nicht darauf eingestellt hätte, dass aus der wartenden Menschgruppe plötzlich jemand auf die Fahrbahn treten könnte, trägt der Beklagte schon selbst nicht schlüssig vor. Denn nach seinem Vortrag war das klägerische Fahrzeug im Anfahren begriffen, mithin noch sehr langsam. Darüber hinaus hat das klägerische Fahrzeug gebremst. Es ist nicht ersichtlich, wie sich die Fahrzeugführerin noch auf die Menschen am Fahrbahnrand hätte einstellen sollen. (…)

AG Mitte, Urteil vom 21.10.2009, Az: 112 C 3022/09 (Volltext)

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