Weil seine Ex-Freundin nach der Trennung seinen Werbungsversuchen nicht nachgab, kam der spätere Beklagte auf eine wirklich glorreiche Idee. Während ihrer Beziehung hatte er seine Ex fotografiert, zwei Bilder zeigten die Klägerin lächelnd, mit entblößter Brust auf dem Bett sitzend, während sie auf dem dritten Foto vollkommen nackt schlafend zu sehen ist. Diese Fotos stellte er nun in einer Tauschbörse ins Internet. Dessen noch nicht genug, hatte er die Fotos auch noch bearbeitet, so dass Name, vollständige Postanschrift und Telefonnummer der Ex-Freundin und das Wort “… danach!” zu sehen waren.
Auf anwaltliche Aufforderung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und ein Schmerzensgeld von 11.000,00 Euro zu zahlen, erklärte der Beklagte, er habe sämtliche Fotos einschließlich gespeicherter Dateien bzw. Negative gelöscht und weitere Veröffentlichungen nicht vorgenommen und zahlte darüber hinaus 2.000,00 Euro. Weitere Zahlungen und auch die Anwaltskosten übernahm er nicht. Nachdem die Ex mit ihren Kindern ausgewandert war, und nunmehr in einem kleinen Dorf lebt, wurde eine Namensvetterin nachts angerufen und mit schlüpfrigen Angeboten überzogen. Die Fotos waren nach wie vor im Internet zu finden und die Ex klagte auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von mindestens 11.000,00 Euro. Das Landgericht Kiel ging über diese Mindestvorstellung weit hinaus und hielt ein Schmerzensgeld von 25.000,00 Euro für angemessen, abzüglich der bereits gezahlten 2.000,00 Euro.
Aus den Gründen:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten aufgrund der unberechtigten Veröffentlichung und Verbreitung erotischer Fotos von ihr über das Internet aus unerlaubter Handlung ein Schmerzensgeld wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB, Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) sowie auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu. Die Haftung des Beklagten steht zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist jedoch der von ihm 10 Monate nach erstmaliger Aufforderung gezahlte Schmerzensgeldbetrag nicht ausreichend, sondern in Anbetracht der Schwere und insbesondere der Permanenz der Verletzung der Klägerin sowie der Nichtigkeit des Anlasses und der mit einigem Aufwand umgesetzten Schädigungsabsicht des Beklagten vollkommen unangemessen.
Der Beklagte hat, allein um der Klägerin Schaden zuzufügen und sie buchstäblich vor aller Welt bloßzustellen, intime Fotos der Klägerin verbreitet, die niemals für eine Betrachtung durch Dritte bestimmt waren und von denen mindestens das eine, sie unbekleidet schlafend zeigende, auch ohne ihr Wissen aufgenommen worden ist. Er hat darüber hinaus diese digitalen Fotografien eigens in einer Weise bearbeitet, dass – durch das Wort “… danach!” – nicht nur eindeutig auf einen vollzogenen Geschlechtsverkehr angespielt wurde, sondern – durch die eingestellte vollständige Postanschrift und Telefonnummer – auch noch eine ebenso eindeutige Kontaktaufforderung enthalten war. Indem er die so bearbeiteten Fotos in eine eigene Datei (mit der gezielt sexuelle Neugier weckenden Dateibezeichnung “…X …”) brachte und auf einer Tauschbörse anonym, d.h. ohne Hinweis auf seine eigene Urheberschaft, Dritten zum Betrachten wie auch zum Herunterladen präsentierte, hat er bewusst den Eindruck erweckt, die Klägerin betreibe auf diese Weise Werbung für sich und sei geneigt, den Geschlechtsverkehr mit jedem beliebigen unbekannten Mann durchzuführen. Daran ändert es auch nichts, dass es sich um keine gestellten Fotos, sondern ersichtliche Amateur-Schnappschüsse handelte; vielmehr ist nicht auszuschließen, dass gerade diese Art von Fotografien auf einige Betrachter reizvoll wirkte. Eben diese Wirkung lassen auch die beiden der Klägerin (…) zugegangenen Schreiben kontaktsuchender Männer erkennen.
Die Tatsache, dass der Beklagte nicht aus kommerziellen Motiven gehandelt hat, ist entgegen seiner Ansicht kein Grund für eine Ermäßigung des Schmerzensgeldes, da er vorliegend allein von dem niedrigen Beweggrund getrieben war, sich an der Klägerin, die sich auf eine Fortführung der Beziehung mit ihm nicht einlassen mochte, zu rächen.
Der Beklagte kann sich auch nicht, (…), auf eine “affektähnliche Handlung” berufen. Abgesehen davon, dass er selbst keinerlei konkretes Ereignis nennt, das ihn plötzlich derart hätte außer sich geraten lassen, weist die Präparierung der Fotos durch Einfügung von Kommentar und Anschrift vor der Veröffentlichung deutlich auf eine sorgsame und mit Zielstrebigkeit umgesetzte Planung der Tat hin. Dass er, falls seine Angaben zutreffen, die Bilder nicht länger als 14 Stunden im Internet zur Verfügung gestellt hat, entlastet ihn nicht, da in dieser Zeit, wie er auch erkannt hatte, bereits drei Mitglieder der Tauschbörse die Fotos heruntergeladen hatten und damit die sich später verwirklichende Möglichkeit bereits eröffnet war, dass diese Bilder über das Internet verbreitet würden. Die Behauptung des Beklagten, diese Eigendynamik sei ihm damals nicht klar und jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen, hält das Gericht für eine reine Schutzbehauptung, denn der Beklagte war sowohl mit der Wirkungsweise des Internets als auch speziell mit der Funktion derartiger Tauschbörsen vertraut.
Das von dem Beklagten (…) zwei Wochen nach der bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung und vorübergehenden Beschlagnahme von PC und Digitalkamera und nach Einschaltung seines Anwalts gefertigte Schreiben an die Klägerin (…) wirkt eher wie der Versuch, sich “reinzuwaschen” als wie der Ausdruck ehrlichen Bedauerns: So wirft der Beklagte der Klägerin vor, sie habe ihn mit seinen Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen “eiskalt stehen gelassen”, was er als “herzlos und egoistisch” empfinde und “die Schmerzen, die er ertragen habe”, hätten ihn zu der Unüberlegtheit geführt, die er “wie in einem Traumzustand” begangen habe. Auch Sätze wie “Statt offen aufeinander zuzugehen und ehrlich miteinander zu reden, werde ich diese rechtlichen Folgen (der Verbreitung der Fotos) hinnehmen müssen. Dennoch bin ich im Rückblick sehr verletzt und enttäuscht über das Geschehene …”, sprechen eher für Selbstmitleid als Selbstkritik des Beklagten. Diesen Eindruck erweckte der Beklagte auch in seiner persönlichen Anhörung, in welcher er einerseits darauf verwies, dass die Klägerin ja selbst zum Bekanntwerden seiner Handlungen beigetragen habe, indem sie davon – was er schriftsätzlich als ihre “erfolgreiche Rache” bezeichnet hat – ihren Bekannten gegenüber gesprochen habe, um sogleich anschließend zu erklären, über ihn seien Gerüchte im Zusammenhang mit Kinderpornografie aufgekommen, die dazu geführt hätten, dass man ihn geschnitten habe, und aus diesem Grunde seien die beiden letzten Jahre die schlimmsten seines Lebens gewesen.
Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind neben der Art und Intention der Tatausführung insbesondere die Folgen dieser Handlung für die Klägerin von Bedeutung. Insoweit hat der Beklagte selbst dargestellt, dass eine endgültige Entfernung der Bilddateien aus dem Internet nach dem derzeitigen technischen Stand nicht möglich ist, da weder die Identität desjenigen festgestellt werden kann, der die Bilder herunterlädt, noch zu ermitteln ist, wer diese Bilder erneut einstellt und damit seinerseits wieder zur Verbreitung freigibt. Da auch die Dateinamen frei veränderbar und zumindest teilweise auch bereits verändert worden sind, muss nach den gegenwärtigen Erkenntnissen die Klägerin damit rechnen, zeitlebens von Dritten auf diesen Fotos “besichtigt” zu werden, ohne dass sie weiß und jemals kontrollieren kann, ob und wann jemandem aus ihrem Bekanntenkreis diese Bilder bekannt geworden sind und ob das von Dritten ihr gegenüber an den Tag gelegte Verhalten auf die Kenntnis von diesen Fotos zurückzuführen ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es damit nicht entscheidend, ob und wann zuletzt die Klägerin aufgrund eindeutiger Veranlassung durch die Internetveröffentlichung konkrete Angebote mit sexuellem Bezug erhalten hat, sondern ihr Leben hat sich dadurch einschneidend verändert, dass sie auch bei unspezifischen Verhaltensweisen Dritter wie der Nennung beim Vornamen durch Unbekannte, einem anzüglichen Grinsen oder – so geschehen, solange sie noch unter der auf den Fotos angegebenen Anschrift wohnte – nächtlichem Klopfen an die Fensterscheiben, Klingeln an der Haustür oder Telefonanrufen niemals sicher sein kann, ob dieses Verhalten nicht aufgrund der im Internet kursierenden Fotos veranlasst ist. Hinzu kommt, dass die Klägerin fürchten muss, dass auch ihre Kinder beim Surfen im Internet auf diese Fotos stoßen. Die Gefahr konkreter Belästigungen an ihrem Wohnort dürfte zwar durch den Wegzug der Klägerin zurückgegangen sein, jedoch haben sie und ihre Kinder damit auch ihr vertrautes Umfeld eingebüßt. Insoweit spielt es nur eine untergeordnete Rolle, dass die Klägerin (…) ausgewandert ist. Auch ein Umzug innerhalb Deutschlands hätte den Verlust des sozialen Umfeldes zur Folge gehabt, und dass die Klägerin bei einem Umzug lediglich innerhalb der Stadtgrenzen mit weiteren konkreten Nachstellungen zu rechnen gehabt hätte, zeigen die nach ihrem unbestrittenen Vorbringen noch heute vorkommenden Anrufe bei ihrer Namensvetterin. Dass sich die Klägerin auch nach ihrer Auswanderung nicht sicher vor Nachstellungen fühlt, ist im Übrigen daraus ersichtlich, dass sie ausdrücklich darum gebeten hat, ihre jetzige Anschrift nicht preiszugeben.
Insgesamt hält das Gericht in Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin zukünftig bis auf weiteres mit den im Internet – weltweit – kursierenden verunglimpfenden Fotos wird leben müssen, auch in Anbetracht der vorgetragenen Einkommensverhältnisse des Beklagten ein Schmerzensgeld von insgesamt 25.000,00 EUR für angemessen. Der Beklagte kann sich zu seiner Entlastung nicht darauf berufen, für die Folgen seiner Handlung, insbesondere das wiederholte Herunterladen und Neueinstellen der Fotos durch Dritte, nur eingeschränkt verantwortlich zu sein, weil diese Dritten ihrerseits haften würden. Abgesehen davon, dass sich aus der Aufmachung der Bilder gerade nicht ergibt, dass durch das Herunterladen und das erneute Einstellen ins Netz eine unerlaubte, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen wird, lassen sich wegen der Anonymität der vom Beklagten gewählten Tauschbörse die weiteren Nutzer der Fotos – zumindest derzeit – nicht ermitteln.
Gleichwohl war auch dem Antrag der Klägerin auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Schäden stattzugeben.
Auch wenn gegenwärtig unstreitig keine technische Möglichkeit besteht, die Fotos (unter sämtlichen derzeit verwendeten Dateinamen) vollkommen und dauerhaft aus dem Internet zu entfernen, und daher derzeit etwa für eine solche Entfernung aufgewendete Kosten nicht zum Erfolg führen können, ist es nicht ausgeschlossen, dass zukünftig ein effizientes Löschungsverfahren entwickelt wird. Die Möglichkeit, dass ohne eine jetzige Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach die spätere Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen wegen der Erhebung einer Verjährungseinrede gefährdet wäre, rechtfertigt das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin. Solange im Übrigen die Fotos im Internet weiterhin vorhanden sind, ist auch die Entstehung neuer Schäden bei der Klägerin nicht auszuschließen. (…)
LG Kiel Urteil vom 27.4.2006, 4 O 251/05