OVG Münster – Fahrräder dürfen nicht abgeschleppt werden Teil 2


In Deutschlands Fahrradhauptstadt Münster dürfen am Hauptbahnhof abgestellte Fahrräder auch künftig nicht abgeschleppt werden. Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen in Münster lehnte den Antrag der Stadt auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 11. Juli 2008 (Az: 1 K 1536/07) ab.
Der klagende Münsteraner hatte sein Fahrrad am Morgen an der Seitenwand des überdachten Treppenaufgangs vor dem Hauptbahnhof Münster abgestellt. Im Laufe des Tages versetzten Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt das Rad zu einer mehrere Straßen entfernten Sammelstelle, wo der Eigentümer es einige Tage später abholte. Der Radler hielt das Entfernen des Fahrrads für rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Münster gab ihm Recht.

Das OVG bestätigte die Entscheidung, indem es den Antrag die Berufung zuzulassen, ablehnte. Auch nach Auffassung der Richter des OVG wurden Fußgänger nicht behindert. Das Rad habe nur ca. 70 cm in den am Abstellplatz über 6 m breiten Gehweg hineingeragt und damit jedem Fußgänger – auch in der Gruppe, mit Gehhilfe oder mit Gepäck – und jedem Rollstuhlfahrer genügend Raum gelassen, den Bereich zügig zu passieren. Der Kläger habe durch das Abstellen des Fahrrads auch nicht gegen brandschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, nach denen Rettungs- und Fluchtwege ständig freizuhalten seien. Die Stadt habe nicht dargetan, dass die durch das Fahrrad belegte Fläche als Rettungs- und Fluchtweg benötigt werde. Die Fläche sei weder entsprechend beschildert gewesen noch gebe es – bislang – ein Brandschutzkonzept, aus dem sich eine Freihaltepflicht entnehmen lasse. Der Stadt sei es jedoch unbenommen, eine Freihaltepflicht auf der Grundlage eines Brandschutzkonzepts künftig anzuordnen.

OVG Münster, Beschluss vom 30.01.2009, Az: 5 A 2239/08

Quelle: Pressemitteilung vom 03. Februar 2009

Praxisrelevanz:

Das Abschleppen von Fahrrädern von öffentlichen Plätzen scheint kein allzu fern liegendes Problem zu sein.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig musste sich mit der Frage beschäftigen, ob in Fußgängerbereichen Fahrräder abgestellt werden dürfen. Die Stadt Braunschweig hatte den Bahnhofsvorplatz als Fußgängerbereich ausgewiesen und das entsprechende Verkehrsschild „Fußgängerzone“ aufgestellt. Weitere, nicht amtliche Zeichen wiesen darauf hin, dass das „Abstellen von Fahrrädern verboten“ sei. Auf dem Platz befand sich eine Fahrradabstellanlage, die als Parkbereich für Fahrräder gekennzeichnet war. In einer „Säuberungsaktion“ entfernte die Stadt 2002 alle auf dem Bahnhofsvorplatz außerhalb der Abstellanlage geparkten 138 Fahrräder und zerstörte teilweise die Fahrradschlösser. Ein Radler, der sein Fahrrad an einer Straßenlaterne angeschlossen hatte und von der Aktion betroffen war, klagte auf Feststellung, um klären zu lassen, ob ihm die straßenverkehrsrechtliche Regelung auf dem Bahnhofsvorplatz tatsächlich nicht erlaube, sein Fahrrad dort zu parken.

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig stellte in ihrem Urteil vom 25.01.2005 (5 A 216/03 – Volltext) fest, dass die Beschilderung des Bahnhofsvorplatzes es nicht verbiete, Fahrräder auch außerhalb der gekennzeichneten Parkfläche abzustellen. Nach den allgemeinen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung sei das nicht verkehrsbehindernde Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen oder anderen Fußgängerflächen zulässig. Von abgestellten Fahrrädern gingen für Fußgänger in der Regel keine Gefahren aus. Ein Verbot ergebe sich auch nicht aus dem Verkehrsschild „Fußgängerbereich“: Das Verkehrszeichen führe zwar dazu, dass der betroffene Bereich Fußgängern vorbehalten sei und andere Verkehrsteilnehmer ihn nicht benutzen dürften. Um eine Benutzung in diesem Sinne handele es sich aber nicht, wenn dort Fahrräder abgestellt werden. Die nicht amtlichen Verbotsschilder auf dem Bahnhofsvorplatz enthielten keine eigenständige Regelung: Sie gäben nur die (unbechtliche weil falsche) Rechtsauffassung der Stadt wieder, wie sich das Verkehrszeichen „Fußgängerbereich“ aus ihrer Sicht auswirke.

Selbst das Bundesverwaltungsgericht musste dem Ordnungswahn schon Einhalt gebieten. In dem zu Grunde liegenden Fall hatte die Stadt Lüneburg am Bahnhofsvorplatz auf den Gehwegen eingeschränkte Haltverbotszonen mit dem Zusatzzeichen „auch Fahrräder” eingerichtet. Fahrräder wurden danach vom Bahnhofsvorplatz zwangsweise entfernt und nur gegen Zahlung von 30 DM wieder herausgeben. Einer der betroffenen Radler klagte beim Verwaltungsgericht Lüneburg auf Feststellung, dass das eingeschränkte Haltverbot mit dem Zusatzschild „auch Fahrräder” nicht das Abstellen von Fahrrädern auf Verkehrsflächen, die der Fußgängernutzung vorbehalten sind, untersage. Ferner wollte er seine 15 € erstattet haben, die er zu entrichten hatte, um sein Fahrrad zurückzuerhalten.

Das VG Lüneburg gab mit Urteil vom 25. September 2002 (VG 5 A 161/01) der Klage statt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg wies die Berufung der Stadt mit Urteil vom 06.06.2003 zurück (OVG 12 LB 68/03). Die Stadt hatte noch nicht genug und ging in Revision. Das BVerwG entschied daraufhin mit Urteil vom 29.01.2004 (3 C 29.03 – Volltext), dass ein eingeschränktes Haltverbot für eine Zone auch mit Zusatzschildern nicht das Abstellen von Fahrrädern auf Flächen, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten sind umfasse. Das Zusatzschild „auch Fahrräder” bedeute nur, dass das Haltverbot auf der Fahrbahn und anderen auch dem Fahrzeugverkehr zugänglichen Flächen ebenfalls für Fahrräder gilt. Flächen, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten sind, seien hiervon aber nicht umfasst.

Das Verwaltungsgericht Hamburg musste sich mit der Frage beschäftigen, ob das Abstellen von Mietfahrrädern mit Werbetafeln auf Gehwegen einer Sondernutzungserlaubnis bedarf oder Gemeingebrauch darstellt. Die Stadt Hamburg hatte einen sofort vollziehbaren Bescheid gegen den Verleiher erlassen, wonach die Fahrräder zu entfernen seien und ein Zwangsgeld angedroht. Der Eilantrag gegen die sofortige Vollziehung hatte Erfolg. Mit Beschluss vom 30.7.2008 (4 E 1996/08 – Volltext), stellte das Gericht fest, dass das Aufstellen der Mietfahrräder keine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstelle. Die Nutzung der Gehwege durch abgestellte Mietfahrräder widerspreche nicht den Vorschriften über den Straßenverkehr. Anders als bei Kraftfahrzeugen, für die das Gehwegparken grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO untersagt ist, sei das Abstellen von Fahrrädern auf öffentlichen Gehwegen nicht nach dem Straßenverkehrsrecht verboten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29.1.2004, 3 C 29/03, NJW 2004, 1815 f. und in juris). Der Verordnungsgeber habe es bisher bewusst abgelehnt, für das Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen eine straßenverkehrsrechtliche Regelung zu erlassen (VG Lüneburg, Urteil vom 14.12.2005, 5 A 51/05, NJW 2006, 1609 ff.). Auch sei die Nutzung öffentlicher Flächen durch Mietfahrzeuge im ruhenden wie im fließenden Verkehr als Gemeingebrauch anzusehen, selbst wenn an diesen Werbetafeln angebracht sind. Anders könne die Beurteilung ausfallen, wenn das Verkehrsmittel praktisch nicht mehr als solches benutzt wird, sondern ausschließlich Werbezwecken diene. Schließlich sei bislang nicht davon auszugehen, andere Verkehrsteilnehmer in ihrem Gemeingebrauch unzumutbar beeinträchtigt würden.

Man kann also sein Fahrrad abstellen und anschließen wo man möchte, ob auf Gehwegen oder anderen Fußgängerflächen. Ausgewiesene Fahrradparkplätze muss man nicht benutzen. Durch das abgestellte Fahrrad darf allerdings niemand behindert werden. In Halteverbotszonen, die durch Zusatzbeschilderung auch für Fahrräder gelten, darf das Fahrrad auf der Fahrbahn und anderen auch dem Fahrzeugverkehr zugänglichen Flächen nicht abgestellt und angeschlossen werden. In Bereichen, die allein Fußgängern vorbehalten sind, gilt das Haltverbot hingegen nicht. Dort kann das Fahrrad abgestellt werden. Allerdings beliebt abzuwarten, ob wie im Beschluss des OVG Münster angeklungen, ein Verbot über den Umweg einer ausgewiesenen Brandschutzfläche durchgesetzt wird.

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