Fruit of the poisonous tree (Früchte des vergifteten Baumes) nennt man einen im amerikanischen Rechtssystem etablierten Grundsatz, wonach illegal gewonnene Beweise in einem Strafprozess unverwertbar sind. Bildlich vorgestellt, werden die unter Missachtung rechtsstaatlicher Kriterien von einer Beweisquelle (Baum) gewonnene Beweise (Früchte) ungenießbar. Sie und alle nachfolgend ermittelten Beweise sind durch den Rechtsverstoß vergiftet und unterliegen einem absoluten Beweisverwertungsverbot.
Im deutschen Strafrecht geht man nicht so streng mit Beweisen um, die unter Verstoß rechtsstaatlicher Grundsätze erlangt wurden. Aus einem Verbot, Beweise durch bestimmte Methoden zu gewinnen, folgt nicht automatisch ein Verwertungsverbot. Verstöße können z.B. dadurch geheilt werden, dass der Beschuldigte später sein Einverständnis zur Verwertung gibt oder wenn der Beweis regelkonform erneut oder auf andere Art und Weise erhoben wird.
Unumstößliche Ausnahme stellen Verstöße gegen §§ 136, 136a der Strafprozessordnung dar, wonach ein Beschuldigter umfassend zu belehren ist, das Recht hat, sich nicht äußern zu müssen und jederzeit einen Anwalt zu konsultieren. Ferner seine Aussage unverwertbar wird, wenn sie durch Anwendung oder Androhung verbotener Vernehmungsmetoden oder Täuschung erlangt oder eine gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil versprochen wurde. Aussagen, die derartig zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung später zustimmt.
Grundsätzlich sollte man darauf vertrauen, dass die Vorschriften der Strafprozessordnung auch der Polizei bekannt sind und sich diese bei Vernehmungen an die gesetzlichen Verbote hält. Vor dem Wuppertaler Landgericht hat sich wieder einmal das Gegenteil offenbart. Zwei Männer, 20 und 35 Jahre alt, stehen dort wegen Mordverdacht vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, ihren Vater 2007 in Wuppertal erschlagen und die Leiche bei Rosbach abgelegt zu haben. Später sollen sie Spuren gelegt haben, um das Verbrechen einem Mann aus dem Frankfurter Rotlicht-Milieu in die Schuhe zu schieben. Der jüngere der beiden Angeklagten hatte den Mord in seiner polizeilichen Vernehmung gestanden.
Dieses Geständnis ist aber nach Auffassung des Gerichts nicht verwertbar. Die Vernehmung war durch die Friedberger Beamten gefilmt worden. Bei der auf DVD dokumentierten rund zehnstündigen Vernehmung hatte sich der Beschuldigte 38 Mal vergeblich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen, 11 mal hatte er angegeben, nichts sagen zu wollen, 27 mal wollte nichts ohne einen Anwalt sagen, bevor er dem Druck schließlich nachgab und ein Geständnis ablegte. Dies aber auch erst, nachdem ihm die vernehmenden Beamten sagten, ihm drohe keine lebenslängliche, sondern nur eine zehnjährige Jugendstrafe. Dass sei nach Auffassung des Gerichts falsch, da bei dem 20jährigen zwar Jugendstrafrecht Anwendung finden könne, dies aber nur bei jugendtypischen Verfehlungen gelte (§§ 1 Abs. 2, 105 JGG).
Der Prozess wird am 17. Dezember fortgesetzt. Die Anklage muss sich nun auf andere Beweismittel stützen. Ob die Friedberger Beamten künftig bei ihren Vernehmungen ein Videoband laufen lassen, darf bezweifelt werden.
Quelle: HR-Online vom 10.12.2008