Versicherung kommt die Nachbegutachtung durch eigenen Sachverständigen teuer zu stehen


Unser Mandant hatte im Dezember 2006 sein Fahrzeug geparkt und war mit einem Bekannten unterwegs. Als er zurückkam, fand er sein Fahrzeug beschädigt vor. Ein Kleintransporter mit Anhänger war beim rangieren rückwärts gegen den hinteren Radlauf gefahren. Der Fahrer des Kleintransporters gab die Unfallverursachung gegenüber der Polizei zu. Unser Mandant beauftragte einen Sachverständigen, der den Schaden mit 1.257,13 Euro netto kalkulierte, und verlangte diesen Schaden von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ersetzt.

Statt den Schaden zu regulieren, schickte die Versicherung zunächst einmal einen eigenen Sachverständigen, der das Fahrzeug unseres Mandanten nochmals begutachtete. Ein Ergebnis teilte man unserem Mandanten natürlich nicht mit. Ende Februar 2007 war die Engelsgeduld unseres Mandanten dann aufgebraucht, er beauftragte unsere Kanzlei mit der Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche.

Die Versicherung wurde nochmals außergerichtlich unter Fristsetzung aufgefordert, den Schaden zu bezahlen. Diese schickte uns daraufhin ein – wie sich später herausstellte – unvollständiges Gutachten und teilte mit, dass allenfalls der hintere Reifen ausgetauscht werden müsse, so dass die Instandsetzungskosten tatsächlich nur 187,56 Euro netto betragen. Diesen Betrag zuzüglich einer Unfallkostenpauschale von 10,00 Euro habe man überwiesen. Dass von unserem Mandanten in Auftrag gegebene Gutachten sei unbrauchbar, daher übernehme man die für dessen Erstellung berechneten Kosten auch nicht.

Ende März reichten wir im Auftrag unseres glücklicherweise rechtsschutzversicherten Mandanten Klage beim AG Berlin Mitte über den Differenzbetrag der tatsächlichen Instandsetzungskosten, die restliche Unfallkostenpauschale und natürlich die Gutachterkosten ein. Die Versicherung behauptete weiterhin vollmundig, die im Gutachten unseres Mandanten aufgeführten Schäden habe der Fahrer des bei ihnen versicherten Fahrzeuges nicht verursacht, man habe das bezahlt was zur Instandsetzung notwendig wäre, mehr gebe es nicht.

Da unser Mandant beweisbelastet dafür war, dass die Schäden an seinem Fahrzeug durch den Unfallgegner verursacht wurden, hatten wir beantragt, ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen einzuholen. Das Gericht erließ einen entsprechenden Beweisbeschluss und das Ende August 2008 fertig gestellte Gutachten ergab ohne jeden Zweifel, dass die Schäden selbstverständlich von dem Anhänger des Kleintransporter verursacht wurden und die vom Gutachter unseres Mandanten bereits außergerichtlich kalkulierten Instandsetzungskosten zwar etwas hoch angesetzt, aber immer noch nachvollziehbar sind, während das außergerichtlich eingeholte Gutachten der Versicherung völlig wertlos sei. Einziger Wermutstropfen war, dass das Fahrzeug unseres Mandanten im Fall der Reparatur eine Wertverbesserung von 150 Euro erfahren würde, die er sich natürlich abziehen lassen muss. Schließlich darf ein Geschädigter an einem Schaden nicht verdienen.

Das Urteil des AG Berlin Mitte erging mit Zustimmung aller Beteiligten im schriftlichen Verfahren, die Richterin hatte verständlicherweise keine Lust, für diese Sache einen Termin zu opfern. Unserem Mandanten wurden die eingeklagte Summe abzüglich der Wertverbesserung, weitere 10 Euro Unfallkostenpauschale und natürlich die Gutachterkosten zugesprochen. Hinsichtlich der nicht zugesprochenen vorgerichtlichen Kosten gab es wieder einmal eine Gehörsrüge.

Aus den Gründen:

Kosten für einen Sachverständigen, die der Geschädigte zur Schadenfeststellung aufwendet, sind grundsätzlich auch dann zu erstatten, wenn sich das eingeholte Privatgutachten als falsch herausgestellt hat. Die Notwendigkeit sachverständiger Schadenfeststellung hat der Schädiger verursacht, während es dem Geschädigten nach Sinn und Zweck des § 249 Satz 2 BGB nicht zuzumuten ist, sich auf eine Begutachtung allein durch jenen einzulassen. Vielmehr ist die sachverständige Schadenfeststellung prinzipiell Teil der vom Schädiger gemäß § 249 Satz 1 BGB geschuldeten Herstellung, so wie die Kosten der Ermittlung des nach § 249 Satz 2 BGB zu erstattenden Herstellungsaufwandes Teil desselben sind. Das Risiko des Fehlschlages der Kostenermittlung muss daher der Schädiger tragen, solange den Geschädigten hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl kein verschulden trifft. Im Übrigen hatte das von dem Kläger eingeholte Gutachten eine deutlich bessere Qualität als das des (von der gegnerischen Versicherung beauftragten) Sachverständigen.

AG Berlin Mitte, Urteil vom 28.10.2008, Az: 102 C 3088/07 (Volltext)

Ergebnis der ganzen Veranstaltung für unseren Mandanten: Nach 1 ½ Jahren erhält er endlich seinen Schaden natürlich verzinst ersetzt, seine Rechtsschutzversicherung erhält nach Kostenfestsetzung die in nicht unerheblicher Höhe geleisteten Vorschüsse zurück. Ohne Rechtsschutzversicherung hätte er sich ein gerichtliches Verfahren wahrscheinlich nicht leisten können, allein der zu leistende Vorschuss für den Gerichtsgutachter betrug 1.800 Euro.

Ergebnis für die Versicherung: Neben den Gerichts und Anwaltskosten müssen nicht nur die noch offenen Instandsetzungskosten für das Fahrzeug unseres Mandanten, die weitergehende Unfallkostenpauschale und die Zinsen, sondern auch die Kosten für das eigene Gutachten und das Gutachten unseres Mandanten nebst Kosten für das Gerichtsgutachten bezahlt werden. Damit wird letztlich die Gemeinschaft der Versicherten belastet. Allerdings hat die Versicherung auch durch die Wertverbesserung am Fahrzeug unseres Mandanten 150 Euro gespart. Wenn das die Sache nicht wert war…

Nachtrag: Unter Fristsetzung hatten wir die Versicherung über deren Prozessbevollmächtigten zur Zahlung der Klageforderung aufgefordert. Als keine Zahlung einging, standen wir vor der Wahl sämtliche Konten dichtzumachen und die Forderung zu pfänden, oder aber den Kollegen anzurufen, woran es denn liegt. Wir haben uns für das Anrufen entschieden. Der Kollege rotierte mächtig, um die Zahlung schleunigst anweisen zu lassen. Binnen zwei Tagen war das Geld dann bei uns. Komische Versicherung…

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