LG Frankfurt a.M. – Bei verzögerter Umschaltung muss Telefongesellschaft dem Kunden den entstandenen Schaden ersetzen


Eine Versicherungsagentur zog um und brauchte in den neuen Büroräumen natürlich einen Telefonanschluss. Einen Monat vor dem für März geplanten Umzug beantragte die Agentur mit einem aus dem Internet von der Website der Telefongesellschaft heruntergeladenen Formular die Änderung des Anschlusses wegen Umzugs. Die Lage des Telefonanschlusses wurde zunächst mit „Souterrain“ angegeben. Die Telefongesellschaft bat die Agentur daraufhin mit einem Schreiben um „Unterstützung“, sie wollte die „eindeutige Lage“ des Telefonanschlusses (Lage der TAE Dose) wissen. Der Umzugstermin war da bereits wenige Tage verstrichen.
Die Agentur füllte auch dieses Formular aus und sandte es per Fax an die Telefongesellschaft Die Lage der TAE Dose wurde diesmal angegeben mit „Einfamilienhaus – Keller“. Daraufhin bestellte die Telefongesellschaft die Umschaltung bei der X AG – der Umzug war schon lange erledigt – und teilte der Agentur den Umschalttermin für April mit. Die Agentur behauptete, mehrfach mit der Hotline der Telefongesellschaft über das Datum der Umschaltung im März gesprochen zu haben, dieser Termin sei auch bestätigt worden, was die Telefongesellschaft natürlich abstritt. Durch den um einen Monat verzögerten Anschluss sei es zu Gewinneinbußen in Höhe von 13.396,60 Euro gekommen, welche die Telefongesellschaft zu ersetzen habe.

Die Telefongesellschaft sah sich hier nicht in der Pflicht. Bei Umzügen sei sie von der X AG abhängig, bei der sie die bisherige Leitung kündigen und eine neue anmieten müsse. Das sei, nachdem ihr die genaue Lage der TAE Dose bekannt gegeben wurde, eben erst zum April möglich gewesen. Man müssse, so die Telefongesellschaft, zwischen der exakten Lage im „geografisch/naturwissenschaftlichen Sinn“, und der – von ihr gemeinten – exakten Lage im „logischen Sinn“ differenziert werden. Die Agentur reichte beim Landgericht Frankfurt am Main Klage ein. Das Gericht holte ein Sachverständigengutachten ein und gab der Klage statt.

Aus den Gründen:

Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von € 13.396,60 verlangen (§ 280 BGB). Zwischen den Parteien bestand im Jahr 2003 ein Vertrag über die Zur-Verfügung-Stellung von Telefonanschlüssen. Die Beklagte bietet im Rahmen dieses Vertrags auch den Umzug des Anschlusses an, wie sich aus der Einleitung ihrer Schreiben mit „Sie ziehen um und [die Beklagte] zieht mit!“ ergibt. Die vom Kläger am 10.02.2003 der Beklagten in Auftrage gegebene Umschaltung seines geschäftlichen Telefonanschlusses innerhalb Berlins zum 01.03.2003 hat die Beklagte durchgeführt, allerdings erst am 08.04.2003 und damit unter Verletzung ihrer Vertragspflichten.

Die Beklagte war verpflichtet, die Umschaltung am 01.03.2003 vorzunehmen oder dem Kläger jede Unterstützung zukommen zu lassen, um diesen Umschalttermin sicherzustellen. Gegen diese Pflichten hat die Beklagte mehrfach verstoßen. Der gravierendste Verstoß liegt in dem Schreiben vom 07.03.2003, also 25 Tage nach der Antragstellung und 7 Tage nach dem beauftragten Umschalttermin, mit dem die Beklagte die „eindeutige Lage des Telefonanschlusses (Lage der TAE Dose)“ wissen wollte. Auf diese Kenntnis aber kommt es für die Technik der Umschaltung überhaupt nicht an. Der Sachverständige hat insoweit eindeutig ausgeführt: Zur Bestellung einer Leitung bei X AG sind die genaue Anschrift des Gebäudes und die Lage des APL [Abschlusspunkt Linientechnik], in dem der Anschluss geschaltet werden soll, erforderlich. X AG verfügt über bzw. beschafft sich Leitungspläne, aus denen hervorgeht, wo sich die Zuführungen in die jeweiligen Häuser und zu dem zugehörigen APL befinden. Im APL werden die aus dem öffentlichen Telekommunikationsnetz kommenden Leitungen, die oft unterirdisch in die Häuser geführt werden, mit den in den Häusern verlegten Kommunikationsleitungen verbunden. Die exakte Lage der TAE-Dose in einem Einfamilienhaus oder auch in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ist daher aus technischer Sicht für die Schaltung einer Teilnehmeranschlussleitung nicht erforderlich.

Die Beklagte erhielt vom Kläger die Mitteilung der Lage der Telefonschlussdose mit „Einfamilienhaus – Keller“ am 11.03.2003. Wiederum – und das ist eine eigenständige Pflichtverletzung – dauerte es 17 Tage, bis die Beklagte am 28.03.2003 bei der X AG die Umschaltung online beantragte. Zu Recht verweist der Sachverständige deshalb darauf: Gemäß Bestellung (….) hat die Angabe „EFH, Keller“ zur Lage der TAE ausgereicht, um die am 28.03.2003 von der Beklagten bei X AG bestellte Teilnehmeranschlussleitung 11 Tage später am 08.04.2003 aktiv zu schalten. Daraus folgt zugleich, dass ein Zeitraum von ca. 11 Tagen erforderlich, aber auch ausreichend war, um die Umschaltung im Leitungsnetz der X AG zu bewerkstelligen. Insoweit hat der Beklagten vom Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers am 10.02.2003 bis zum Umschaltdatum am 01.03.2003 ein auskömmlicher Zeitraum von 18 Tagen zur Verfügung gestanden. Dazu hätte die Beklagte nur die ihr bereits am 10.02.2003 vorliegende Information aus dem von ihr gestalteten Änderungsformular nutzen müssen, wonach als Lage des Telefonanschlusses „Souterrain“ angegeben war. Da als Beispiele für die Antwort auf die Frage nach der Lage des Telefonanschlusses die Alternativen „Geschäftsgebäude, Erdgeschoss, Bürofläche, Bereich A, Raum B“ angegeben waren, war die Verwendung des Begriffs „Souterrain“ eindeutig richtig.

Dabei ist die Bedeutung des Wortes „Souterrain“ als „teilweise oder ganz unter der Erde liegendes Geschoss eines Hauses, Kellergeschoss“ definiert (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache). Mit der späteren Angabe „Keller“ hat der Kläger der Beklagten also keine andere Information gegeben als bereits zuvor. Unverständlich ist der Kammer zudem, dass die Beklagte trotz der Kenntnis, dass es sich um einen geschäftlich genutzten Anschluss ging, Bearbeitungszeiträume von 25 und 17 Tagen gestattete, um einfachste Anfragen zu starten oder die danach erhaltene Information zu bearbeiten. In Anbetracht der heutigen Bedeutung der Telekommunikation und ihrer ständigen Aufrechterhaltung im geschäftlichen, aber auch bereits im privaten Bereich sind solche Bearbeitungszeiten ein Pflichtverstoß für sich.

Vergeblich versucht die Beklagte ihr Verhalten nach Vorlage des Gutachtens, das wohl auch ihr die Unhaltbarkeit ihrer bisherigen Position aufgezeigt hat, umzudeuten. (…) Ganz eindeutig ging es der Beklagten (…) um die genaue örtliche Lage der TAE Dose. Dementsprechend war auch der Sachverständige (…) beauftragt worden, insbesondere zu erklären, ob die Kenntnis der genauen Lage der TAE-Dose für die Umschaltung erforderlich ist, bevor die neue Leitung bei der DTAG bestellt werden könnte. Nach Vorlage des Gutachtens aber hält die Beklagte dessen, ihrem bisherigen Vortrag widersprechende Ergebnis für absolut richtig, will aber zwischen der exakten Lage im „geografisch/naturwissenschaftlichen Sinn“, die der Sachverständige untersucht habe, und der – von ihr gemeinten – exakten Lage im „logischen Sinn“ differenzieren. Darunter versteht sie die Kennzeichnung von TAE-Dosen durch Aufkleber mit Nummern oder farbigen Punkten, wie sie nur in ausgedehnten Liegenschaften üblich seien. Da das bei EFH – wie beim Kläger – nicht der Fall sei, reichte die Angabe „Keller“, um klarzustellen, welche von eventuell mehreren vorhandenen TAE-Dosen aufgeschaltet werden sollen.

Dieses Verhalten der Beklagten spricht für sich selbst und bedarf keiner weiteren Kommentierung. Hätte die Beklagte so von Anfang an im Rechtsstreit vorgetragen, wäre die Beweisaufnahme entbehrlich gewesen, weil sich der Pflichtverstoß unmittelbar aus ihren Ausführungen ergeben hätte. Auf die in den AGB der Beklagten enthaltene Haftungsbeschränkung, sollten die AGB überhaupt wirksam einbezogen worden sein, kann die sich Beklagte nicht berufen, weil kein Fall der einfachen Fahrlässigkeit vorliegt und weil die Pflichtverletzung die Kardinalpflicht aus dem Telekommunikationsvertrag betrifft.

Aufgrund der Pflichtverletzungen der Beklagten ist dem Kläger ein Schaden in Höhe von 13.396,60 entstanden, wie er vorgetragen hat. Durch die Pflichtverletzungen der Beklagten war der Kläger mit seiner Versicherungsagentur nahezu 7 Wochen von Kontakten über den Festnetzanschluss abgeschnitten. Der parallel dazu bestehende Handy-Anschluss wird erstens ohnehin vorgehalten, ersetzt also nach dem Geschäftsplan des Klägers den Festnetzanschluss nicht und kann zweitens auch nicht als vollgültiger Ersatz für den Festnetzanschluss gelten, der einen reibungsloseren Fax-Verkehr und den Internetzugang einschließt. Gerade eine Versicherungsagentur aber ist auf reibungslose Telekommunikationsmöglichkeiten für die Bedürfnisse aller Kunden für Rückfragen, Anfragen und Terminsvereinbarungen angewiesen. Der Schaden, der durch die Unterbrechung des Telefonanschlusses entstanden ist, lässt sich naturgemäß nicht bis auf den letzten Cent berechnen. Dem trägt § 287 ZPO Rechnung, der der Kammer die Möglichkeit einräumt, „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung“ zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist, eine Beweisaufnahme dazu durchzuführen steht im Ermessen der Kammer.

Die dadurch ermöglichte Schätzung des Schadens kann zwar in der Regel nicht völlig frei erfolgen, der Geschädigte muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte vortragen, aus denen auf den Eintritt und die Höhe des Schadens Rückschlüsse möglich sind. Das hat der Kläger durch die umfangreiche, einseh- und nachvollziehbare Erläuterung seiner vorgelegten Geschäftszahlen getan, die Umsatz- und daraus abgeleitete Gewinnrückgänge gerade in der hier interessierenden Zeit belegen. Die Kammer schätzt den entstandenen Schaden in genau dieser Höhe. (…)

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.06.2008, Az: 3-13 O 61/06

, , ,