Bei einer Fahrzeugkontrolle am frühen Morgen wurde ein Autofahrer angehalten. Da ein erster Atemalkoholtest positiv verlief, wurde er mit zur Polizeiwache genommen. Sein Pkw blieb verschlossen zurück. Auf der Polizeiwache wurde eine weitere Atemalkoholmessung durchgeführt und der Autofahrer anschließend entlassen. Er wurde jedoch darauf hingewiesen, dass er wenigstens 3 – 4 Stunden kein Auto fahren dürfe. Der Autofahrer bestellt sich ein Taxi, ließ sich zu seinem Fahrzeug bringen und fuhr mit seinem Pkw nach Hause.
Gegen den Bußgeldbescheid, der wegen der Alkoholfahrt erging, legte er hingegen Einspruch ein. Der Autofahrer meinte, bei dieser Fahrt handele es sich noch um dieselbe Tat, so dass die Trunkenheitsfahrt nicht mehr gesondert verfolgt werden dürfe. Das Amtsgericht Iserlohn verurteilte ihn dennoch wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §24a Abs. 1 zu einer Geldbuße von 250 € und verhängte außerdem ein Fahrverbot von einem Monat. Die gegen die Verurteilung zum OLG Hamm eingelegte Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Betroffene einen Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ geltend macht (…). § 24a StVG ist – ebenso wie die Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB – Dauerdelikt (…). Das bedeutet, das die Verkehrsordnungswidrigkeit – ebenso wie eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB – mit dem Antritt der Fahrt im alkoholisierten Zustand nach Genuss dem Genuss der Rauschmitteln beginnt und (erst) dann endet, wenn die Fahrt endgültig beendet ist. Wann dies der Fall ist, wird in Rechtsprechung und Literatur für § 316 StGB nicht ganz einheitlich beantwortet. Das gilt vor allem für die Frage, ob es sich, wenn der Täter die Fahrt unterbrochen hat, ggf. um zwei Trunkenheitsfahrten oder nur um eine handelt. Insoweit wird angenommen (…) dass lediglich kurzfristige Fahrtunterbrechungen, etwa zum Tanken, zum Zigarettenholen oder zum Aufsuchen einer Toilette die Dauerstraftat nicht unterbrechen (…). Das soll jedenfalls dann gelten, wenn der Täter von Anfang an vorhatte, nach der Unterbrechung seine Fahrt zu Ende zu führen, und zwar auch dann, wenn der Täter sein Fahrzeug während der Fahrtunterbrechung verlässt (…). Nach Ansicht eines Teils der Rechtsprechung soll die Dauerstraftat sogar auch bei längeren Fahrtunterbrechungen, z.B. zu einem Gaststättenbesuch, nicht unterbrochen werden (…).
Die Frage kann jedoch vorliegend dahinstehen. (…) Der Betroffene hat, als er nach der Alkoholkontrolle zu seinem Pkw zurückgekehrt ist und sich mit diesem dann auf den Heimweg begeben hat, einen neuen Tatentschluss gefasst. Die Alkoholkontrolle bildete eine Zäsur, die die Dauerstraftat „Trunkenheitsfahrt“ beendete. Er wusste aufgrund der Belehrung durch die Polizeibeamten zudem, dass er einen Pkw im öffentlichen Straßenverkehr nicht führen durfte. Bei der danach liegenden Fahrt handelte es sich demgemäß um eine neue Tat. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht daraus, dass es dem Betroffenen immer noch um das Erreichen des von vornherein ins Auge gefassten Ziels, nämlich seine Wohnung, ging. Dies allein ändert nichts daran, dass es sich bei der „Weiterfahrt“ um eine weitere, auf einem neuen Tatentschluss beruhende (Trunkenheits)Fahrt gehandelt hat. Durch die Verurteilung wegen der auf dieser Fahrt begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung ist daher „Strafklageverbrauch nicht eingetreten. Dass der Betroffene insoweit nur wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden ist, belastet ihn nicht und ist zudem nicht Gegenstand dieses Verfahrens. (…)
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 08.08.2008, Az: 2 Ss OWi 565/08 (Volltext bei IWW)
Praxisrelevanz:
In der Praxis kann die Frage, ob bei einer Fahrtunterbrechung wegen zwei Trunkenheitsfahrten oder nur wegen einer zu bestrafen ist, für die Rechtsfolge durchaus von Bedeutung sein. Wenn es sich um lediglich kurzfristige – freiwillige – Fahrtunterbrechungen handelt (Tanken, Zigarettenholen etc.) geht die Rechtsprechung von einer Fahrt aus. Wobei es entscheidend aber auch darauf ankommt, ob von Anfang an die Absicht bestand, nach der Fahrtunterbrechung weiterzufahren (so. AG Lüdinghausen Urt. v. 22. 5. 2007 – 16 Cs 82 Js 9045/06 – 70/07, VRR 2007, 356). Nach Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgericht führen selbst längere Fahrtunterbrechungen (z.B. Gaststättenbesuch) nicht dazu, dass zwei Taten vorliegen (z.B. für mehr als zwei Stunden BayObLG, NStZ 1987, 114).
Auch wenn der Täter während seiner Fahrt erkennt, dass er eigentlich zu betrunken ist um noch sicher zu fahren, trotzdem aber weiterfährt, demzufolge eine zunächst fahrlässig begangene Trunkenheitsfahrt vorsätzlich fortsetzt, reicht dies nicht aus, um zwei Taten annehmen zu können (BayObLG, VRS 59, 195). Wenn der Täter während der Fahrt erkennt, dass er von der Polizei verfolgt wird und versucht zu fliehen, unterbricht auch dies die Dauerstraftat der Trunkenheitsfahrt nicht (BGH, Urt. v. 17.02.1983 – 4 StR 716/82). Selbst dann nicht, wenn der Täter bei einer Polizeikontrolle zunächst anhält, dann aber die Fahrt Fahrt plötzlich fortsetzt (OLG Koblenz, VRS 56, 38).
Eine Unterbrechung der Dauerstraftat einer Trunkenheitsfahrt liegt erst dann vor, wenn der Täter nach einem Unfall flüchtet (BGHSt 21, 203 = NJW 1967, 942 [BGH 17.02.1967 – 4 StR 461/66]; Tröndle/Fischer, StGB, § 316 Rn. 56), auch wenn er erst später erfährt, dass ein Unfall stattgefunden hat und trotzdem weiterfährt (BayObLG, MDR 1981, 1035 [BayObLG 07.07.1981 – 2 RReg St 142/81]). Wer nach einem Verkehrsunfall entgegen seiner Verpflichtung nach § 142 StGB weiterfährt, fasst nach der Rechtsprechung einen neuen Fahrentschluss. Die davor liegende Trunkenheitsfahrt sei dann beendet und mit der Weiterfahrt werde eine erneute, zweite Trunkenheitsfahrt begangen.