BGH – Kein Nutzungsausfall für reinen Freizeitzwecken dienendes Wohnmobil wenn ein weiterer Pkw zur Verfügung steht


Nach einem unverschuldeten Unfall verlangte der Kläger wegen der Beschädigung seines Wohnmobils, einer Spezialanfertigung, Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Reparatur von 35 Tagen in Höhe von 150 EUR pro Tag. Im Alltag und auch für die Dauer der Reparatur benutzte der Kläger seinen Pkw. Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Nutzungsersatz ab. Die Berufung des Klägers beim OLG Frankfurt am Main blieb ebenso erfolglos.
Das Berufungsgericht führt aus, eine abstrakt berechnete Nutzungsausfallentschädigung komme nur in Betracht, wenn ein Wohnmobil mangels eines weiteren Fahrzeugs atypisch wie ein Pkw, beispielsweise für Fahrten zur Arbeitsstätte oder für alltägliche Besorgungen, genutzt werde. Dies sei hier nicht der Fall, so dass der vorübergehende Entzug der Nutzungsmöglichkeit des Wohnmobils sich nicht signifikant auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung auswirke. Es sei lediglich eine Einbuße in der Freiheit der Freizeitgestaltung gegeben. Darin liege aber kein ersatzfähiger Vermögensschaden.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Ersatz von Nutzungsausfall weiter und scheiterte auch beim Bundesgerichtshof.

Aus den Gründen:

Die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs stellt nach allgemeiner Rechtsauffassung grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit des Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinsten Sinn zu fördern (…). Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Betrachtung des Schadens sowie des Bereicherungsverbots (…). Dem betroffenen Eigentümer gebührt die Entschädigung daher nicht unabhängig davon, ob er seinen Wagen während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. So ist ein Nutzungsschaden nicht gegeben, wenn etwa wegen Erkrankung oder Ortsabwesenheit der allein für die Benutzung in Frage kommenden Person der Gebrauch des Fahrzeugs ohnehin nicht möglich war (…).

Die Entbehrung der Nutzung muss darüber hinaus auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeuges für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. (…) Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst (…). (…) Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist. (…)

Dies gilt auch für den Streitfall. Anders als bei einem für den alltäglichen Gebrauch vorgesehenen Pkw ist die jederzeitige Benutzbarkeit des Wohnmobils für den Kläger nach seinem eigenen Vortrag zwar ein die Lebensqualität erhöhender Vorteil, der jedoch keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellt. Die Wertschätzung des Wohnmobils stützt der Kläger auf die Möglichkeit, seine Freizeit aufgrund der besonderen Mobilität besonders intensiv gestalten zu können. Dieser Gesichtspunkt betrifft indes nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich einer vermögensrechtlichen Bewertung. (…) Zwar ist der Revision zuzugeben, dass anders als beim Wohnanhänger (…) das Wohnmobil auch der Personenbeförderung dient. Doch musste der Kläger diese Nutzung nicht infolge der Beschädigung entbehren, da ihm dafür ein Pkw zur Verfügung steht. Das Argument der Revision, dass die Nutzungsmöglichkeit eines Wohnmobils nach heutiger Verkehrsauffassung kommerzialisiert sei, legt ebenfalls keine andere Betrachtung nahe. Zwar kann es für die Annahme eines Vermögensschadens sprechen, wenn ein Markt für den betreffenden Gegenstand besteht und anerkannte Maßstäbe zur geldmäßigen Bemessung einer vorübergehend entzogenen Gebrauchsmöglichkeit zur Verfügung stehen (…). Die Anerkennung einer Gebrauchsmöglichkeit als Vermögensgut bedeutet indes nicht, dass jeder Entzug von Gebrauchsvorteilen, jede Einbuße an Freizeit und jede Beeinträchtigung von Genussmöglichkeiten als ersatzfähiger Vermögensschaden anzuerkennen wären. Genussmöglichkeiten lassen sich heute weitgehend mit Geld erkaufen. Soll die in § 253 BGB getroffene Regelung nicht völlig ausgehöhlt werden, bedarf es der wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägung im Einzelfall, ob nach der Verkehrsauffassung die Benutzbarkeit einer Sache als selbständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert angesehen werden kann und ob deshalb die Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit als solcher einen Vermögensschaden darstellt (…).

Nach diesen Kriterien begegnet es keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls die Nutzung des reinen Freizeitzwecken dienenden Wohnmobils nicht als vermögenswerten Vorteil angesehen hat. Ob anderes gilt, wenn mangels eines Pkws das Wohnmobil zur Bewältigung alltäglicher Transportaufgaben genutzt wird (vgl. OLG Hamm, VersR 90, 864; LG Kiel, VersR 1988, 47; AG Augsburg, ZfS 1988, 8 f.; AG Dresden Schaden-Praxis 1999, 54 f.), muss vom Senat in diesem Fall nicht entschieden werden. (…)

BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 – VI ZR 248/07 (Volltext als PDF)
Vorinstanzen: LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.10.2006 – 2/12 O 42/06 ./. OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 13.09.2007 – 1 U 224/06 –

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