AG Wiesloch – Rentner lebt auf großem Fuß


Herr Stadter, kürzlich Rentner geworden, betrat eines Tages ein Wieslocher Autohaus und kaufte sich ein schönes Auto. Ein silberfarbenes Cabriolet eines schwedischen Automobilherstellers. 39.000 Euro kostete der erfüllte Traum. Die Jungfernfahrt im offenen Wagen führte den Rentner durch den Odenwald. Grund genug, den Moment zu genießen und sich glücklich zu fühlen.

Die zweite Fahrt führte dann nach Köln, zu einem offiziellen Termin. Herr Stadter trug einen Anzug, dazu schwarze Halbschuhe. Als sich Herr Stadter anschnallte und die Kupplung treten wollte, blieb er aber hängen. Egal wie er seinen Fuß drehte, es ging nicht. Schließlich fuhr Herr Stadter in Socken nach Köln, grübelnd, bis ihm des Rätsels Lösung in den Sinn kam. Herr Stadter hat mit Schuhgröße 47 größere Füße als der Durchschnitt, am Tag des Autokaufs trug er aber Sportschuhe mit flachen Sohlen.

Auf dem Rückweg hielt er bei seinem Autohändler. Grundsätzlich sah man dort das Problem, eine Lösung hatte man allerdings nicht parat. Da könne man halt nichts machen. Herr Stadter erhielt zwei Briefe, einen von den Anwälten des schwedischen Automobilherstellers, die der Meinung waren, der Fußraum sei gar nicht zu klein. Einen zweiten von den Anwälten des Autohauses, er solle sich nicht ungelenk anstellen, dann gehe das schon. Herrn Stadter ging es nun um die Ehre und um das berühmte Prinzip. Er klagte vor dem Amtsgericht in Wiesloch. Nicht auf Rückgabe des Wagens, wie man vielleicht denken könnte, nein er wollte 10 Prozent des Kaufpreises zurückhaben.

Für das Verfahren vor dem Amtsgericht hatte sich Herr Stadter vorbereitet. Seine Halbschuhe und die Sportschuhe hatte er akribisch vermessen und mitgebracht, auch eine Schautafel auf der er die Abmessungen seiner Schuhe auf den Fußraum seines Wagens übertragen hatte und natürlich sein Cabriolet. Also begaben sich die Anwälte, der Richter und Herr Stadter zur „Voführung“ nach draußen. Und in der Tat, der Halbschuh war für den Fußraum tatsächlich zu groß.

Nach Ansicht des Richters müsse ein Fahrzeug nicht nur mit Freizeitschuhen, sondern auch mit Büroschuhen bedienbar sein. Das Gericht scheint also davon ausgegangen zu sein, dass in der Tatsache, dass Herr Stadler mit seinen Halbschuhen die Pedale nicht bedienen kann, ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB vorliegt.

Da eine Vereinbarung über die Beschaffenheit wohl getroffen wurde, kann ein Sachmangel nur dann vorliegen, wenn sich das Cabriolet nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 BGB) oder wenn es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die nicht der üblichen Beschaffenheit von Gütern der gleichen Art entspricht (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 BGB). Nach dem Vertrag bzw. nach der gewöhnlichen Art der Verwendung, schuldete das Autohaus ein Fahrzeug was fährt, das tat das Cabriolet hier offensichtlich. Es handelt sich bei dem Fahrzeug um ein Serienmodell, der Fußraum dürfte demnach bei allen Fahrzeugen gleich sein. Die Pedale des Cabriolet konnten vom Käufer auch problemlos bedient werden, wenn auch nur mit Sportschuhen. Zur Beschaffenheit gehören gem. § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB auch Eigenschaften, die der Käufer aufgrund von öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder Herstellers (insb. aus der Werbung) erwarten kann. Auch hier ist nicht ersichtlich, dass das Autohaus oder der Hersteller einen ausreichenden Fußraum für Menschen mit großen Füßen angepriesen hätten. Ob hier tatsächlich ein Sachmangel vorlag, ist also mehr als fraglich.

Der Prozess endete wie bei einer Vielzahl zivilrechtlicher Streitigkeiten üblich mit einem Vergleich. Vom Kaufpreis erhielt Herr Stadter 1.676,25 Euro zurück. Dafür kann er sich sicher das eine oder andere Paar anzugtauglicher Sneaker mit flacher Sohle kaufen.

Quelle: Spiegel-Online vom 14. Juli 2008

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