LG Saarbrücken – Haftpflichtversicherung muss auch einen teuren Kfz-Sachverständigen bezahlen


Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ist der Fahrzeugschaden von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners zu ersetzen. Zur Feststellung des Schadenumfanges kann der Geschädigte einen Sachverständigen seiner Wahl beauftragen, dessen Kosten ebenfalls von der gegnerischen Versicherung zu tragen sind. Dabei muss der Geschädigte nach einer Entscheidung des Landgericht Saarbrücken in der Regel auch nicht auf den Preis schauen.
Die Geschädigte im zu Grunde liegenden Fall hatte vorgerichtlich ein Sachverständigengutachten eingeholt, wofür ihr vom Gutachter einen Betrag von 495,28 Euro in Rechnung gestellt wurde. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners zahlte diese Kosten nur in Höhe von 417,86 Euro. Die Geschädigte klage auf Zahlung des Restbetrages von 77,42 Euro beim Amtsgericht Saarbrücken.

Dort wurde die Klage zunächst abgewiesen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, die Kosten des Sachverständigen seien unangemessen. Ein angemessenes Honorar sei anhand der BVSK-Honorarbefragung 2005/2006 (PDF) zu ermitteln. Wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hatte das Amtsgericht aber die Berufung zugelassen. Das Landgericht Saarbrücken sprach der Geschädigten in der Berufungsinstanz daraufhin die vollen Sachverständigenkosten zu.

Aus den Gründen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Sachverständigenkosten vom Schädiger gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (vgl. BGH NJW-RR 1989, 953; VersR 2005,380; VersR 2007, 560; vgl. auch die Entscheidung der Kammer vom 22.09.2006, 13A S 12/06, DAR 2007, 270 m.w.N.). Ob und in welchem Umfang Herstellungskosten – und damit auch Sachverständigenkosten – erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl, BGH VersR 2007, 560 m,wM.).

Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH VersR 2007, 560 m.w.N.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BGHZ 132, 373, 376 m.w.N,). Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, den Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist (vgl. BGHZ 132, 373, 376/377; 163, 362, 365 jew. m.w.N.; vgl. auch Urteil der Kammer vom 22,09.2006 aaO m.w.N.).

Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zwar verbleibt ihm das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH VersR 2007, 560 unter II 2 c m.w.N.). Weil es jedoch im Gegensatz etwa zu dem Bereich des Mietwagengeschäfts bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt (vgl. Roß NZV 2001, 321, 322 f.; Hörl NZV 2003, 305, 309 f. jew. m.w.N.), wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Erst wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (vgl. Urteil der Kammer vom 22.09.2006 aaO; OLG Hamm NZV 2001, 433; DAR 1997, 275; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471; Geigel/Knerr, Der Haftplichtprozess, 25. Aufl., 3. Kap. Rdn. 121, jew. m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Sachverständigengebühren zu. Das an den Sachverständigen gezahlte Honorar hält sich im Rahmen des zur Wiederherstellung (hier zur Begutachtung des Fahrzeugs) Erforderlichen, es ist insbesondere weder willkürlich festgesetzt noch erkennbar überhöht.

Der Umstand, dass die Abrechnung an der Schadenshöhe orientiert und ohne Rücksicht auf den Zeitaufwand erfolgt ist, ist unbedenklich. Eine solche an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars trägt nämlich dem insoweit entscheidenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist (BGH VersR 2007, 560 unter II 3 a, vgl. auch das Urteil der Kammer vom 22.09.2006 aaO, jew. m.w.N,). (…)

LG Saarbrücken, Urteil vom 30.05.2008, Az: 13 S 20/08 (www.unfall.net/blog)
Vorinstanz: AG Saarbrücken, Urteil vom 27.11.2007, Az: 5 C 863/07

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