Nach der Entscheidung des BVerfG zum Rauchverbot – Rauchen auch in Sachsens Diskotheken wieder erlaubt?


Seit Februar 2008 gilt auch im Freistaat Sachsen ein Nichtraucherschutzgesetz, wonach u.a. in abgetrennten Nebenräumen von Gaststätten geraucht werden darf. Diskotheken sind bislang von dieser Ausnahme generell ausgeschlossen. Wie bereits berichtet, führt unser Kooperationspartner, Rechtsanwalt Dr. Carsten Pagels (40) aus Torgau für die zwei sächsischen Diskotheken Volkspalast in Leipzig und Glashaus in Adorf (Vogtland) Verfassungsbeschwerden vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof in Leipzig, die sich gegen das totale Rauchverbot in Diskotheken richten.
Die Leipziger Richter hatten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe abgewartet und selbst noch nicht entschieden, um eine ggfls. divergierende Rechtsprechung zu vermeiden.

Nach der nun ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus Karlsruhe zum Nichtraucherschutzgesetz in Baden-Württemberg, das ebenfalls keine Ausnahme für Diskotheken vorsah, dürfte auch das sächsische Totalrauchverbot in Diskotheken gekippt sein. Ein solches Verbot ist nach der Entscheidung des BVerfG verfassungswidrig und verstößt gegen die Grundrechte. Ab heute darf (zunächst für eine Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ab 2010) in Diskotheken wieder geraucht werden, allerdings unter folgenden zwei Voraussetzungen:

zur Disko dürfen nur Personen ab 18 Jahren Zugang erhalten und der Raucherraum darf keine Tanzfläche haben.

Rechtsanwalt Dr. Pagels dazu gegenüber MFUR: Wir sind hoch zufrieden. Das ist ein großer Erfolg für einen vernünftigen Ausgleich zwischen dem Nichtraucherschutzbedürfnis und den Interessen der rauchenden Gäste. Gleichzeitig ist dies – dies haben wir schon immer gesagt – eine ordentliche Backpfeife für die Bevormundungsgesetzgebung aus Dresden. Einer der Karlsruher Richter hat dies auch ganz zutreffend und ausdrücklich „Bevormundung“ genannt. Wir wollten schon im Gesetzgebungsverfahren eine ausgewogene Regelung erreichen, wie sie jetzt im Karlsruher Richterspruch erzielt worden ist. Zwar hat das Leipziger Verfassungsgericht noch nicht entschieden, die Leipziger Entscheidung dürfte jetzt nur noch Formsache sein.

MFUR fragt: Was bedeutet die Karlsruher Entscheidung für die Diskothekenbesucher in Sachsen?

Rechtsanwalt Dr. Pagels: „Aschenbecher ab heute wieder auf den Tisch“. Aber auch die Nichtraucher müssen sich nicht grämen: die Regelung erlaubt das Rauchen in Diskotheken nur unter engen Voraussetzungen. Im Bereich des Dancefloors sind die Gäste weiter vor dem Tabakrauch geschützt. Wer sich nicht dem Rauch aussetzen will, der sollte sinnvollerweise die Raucherzone meiden. Auch die Anwohner von Diskotheken dürften sich freuen: die Zeiten, in denen größere Rauchergruppen „in Verbannung“ unter gewisser Geräuschentwicklung nachts vor der Eingangstür stehen, sind ab heute vorbei.

MFUR fragt: Wie geht es in der Zukunft weiter?

Rechtsanwalt Dr. Pagels: Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung für verfassungswidrig erklärt, gleichwohl den Gesetzgeber aufgefordert, spätestens in 1 ½ Jahren eine Neuregelung zu schaffen. Das kann entweder ein totales Verbot für alle Gaststätten ohne jede Ausnahme sein oder eine ausgewogene Regelung der beiderseitigen Interessen unter besonderer Berücksichtigung des Nichtraucherschutzes. Es bleibt jedoch zu hoffen, das der sächsische Gesetzgeber jetzt Augenmaß walten lässt, und nicht wieder Extremlösungen anstrebt. Ein „fertiges Kochrezept“ für eine vernünftige abgewogene Regelung hat Karlsruhe heute dem Sächsischen Landtag quasi mit auf den Weg gegeben.

Auf einen wichtigen und bislang überhaupt nicht beachteten Nebenaspekt weist Rechtsanwalt Dr. Pagels jedoch ausdrücklich hin:

Erst vor wenigen Jahren hat der Gesetzgeber das Jugendschutzgesetz erheblich gelockert, in dem Jugendlichen bis Mitternacht der Diskoaufenthalt gestattet wurde. Wenn eine Aufsichtsperson dabei ist (die unter gewissen Voraussetzungen auch ein volljähriger Bekannter sein kann), sogar open end.

Jetzt wird es damit vorbei sein: Es steht zu erwarten, dass viele Diskobetreiber sich bei der Wahl zwischen Raucherraum oder jungen Gästen für den Raucherraum entscheiden dürften. Für die Jugend heisst es: kein Diskobesuch mehr bis zum 18. Geburtstag. Ich kann gut nachvollziehen, dass die Jugendlichen davon nicht begeistert sind. Ob 17jährige sonnabends nachts im Buswartestellenhäuschen oder auf dem Kinderspielplatz besser aufgehoben sind als in der Disko, bezweifele ich.

Insofern kann man ein Fazit ziehen: Ein guter Tag für eine vernünftigen Ausgleich zwischen Nichtrauchern und Nichtrauchern; ein schlechter für die Jugend.

Wir bedanken uns bei unserem Kooperationspartner Rechtsanwalt Dr. Carsten Pagels aus Torgau für das Gespräch.

Kontaktdaten:
Dr. Carsten Pagels
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dr.pagels @ online.de

Quelle: Pressemitteilung der Kanzlei Dr. Carsten Pagels vom 30.07.2008

Update:
RA Dr. Carsten Pagels im Interview zum Urteil aus Karlsruhe auf mephisto 97.6, dem lokalen Radiosender der Universität Leipzig (direkter Download als mp3)

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