LG Stuttgart – vermeintlicher Filesharer wehrt sich erfolgreich mit negativer Feststellungsklage


Die Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH stieß bei der Durchforstung des Angebotes einer Filesharing-Börse auf einen Nutzer, der unter einer bestimmten IP-Adresse 287 Audiodateien zum Herunterladen bereitgestellt hatte. Durch die Rechteinhaberin wurde daraufhin Strafantrag gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Duisburg wegen Verletzung von Urheberrechten gestellt. Es folgte das übliche Procedere. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelte über den Provider, welchem Anschlussinhaber die IP-Nummer zum fraglichen Zeitpunkt zugeordnet war, teilte dabei allerdings eine falsche Benutzerkennung mit und erhielt so die Adresse des späteren Klägers.

Den Anwälten der Rechteinhaberin fiel bei Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Zahlendreher im Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft nicht auf. Vielmehr mahnten sie im Auftrag den Kläger ab, forderten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie die Erstattung von – der Höhe nach noch nicht bezifferter – Anwaltskosten und Schadensersatz. Zur Abgeltung aller Ansprüche wurde dem Kläger vergleichsweise angeboten, 3.500 € zu zahlen.

Der Kläger teilte den Beklagten mit, dass er weder die genannten Musikdateien noch eine Filesharing-Software zum fraglichen Zeitpunkt auf seinem Rechner installiert gehabt habe. Unter Vorlage von Log-Dateien teilte er weiter mit, er besitze einen virtuellen Server, auf den er am fraglichen Tag mehrmals zugegriffen habe. Da diesen Zugriffen eine protokollierte IP-Adresse zugeordnet gewesen sei, habe die andere, ihm fälschlicherweise zugeordnete IP-Adresse nicht über seinen Anschluss genutzt werden können. Der Kläger ließ über seinen Anwalt eine Frist zur Prüfung und Rücknahme der Forderungen setzen und reichte nach Fristablauf eine negative Feststellungsklage ein.

Die Beklagten erkannten den Klaganspruch an, allerdings verwahrten sie sich gegen die Kostenlast. Aus Sicht der Beklagten sei aus dem vom Kläger zugesandten Log-Protokoll lediglich erkennbar gewesen, dass irgendein Internetanschluss mit der Nummer mit einem Server verbunden gewesen sei, nicht jedoch, dass dieser Internetanschluss vom Kläger an dessen Wohnort betrieben worden sei. Die Beklagten seien daher zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei den Ausführungen des Klägers lediglich um eine Schutzbehauptung gehandelt habe. Die Beklagten hätten sich keiner weiteren Ansprüche gegen den Kläger berühmt, hätte dieser die Beklagten über den Zahlendreher der Staatsanwaltschaft Duisburg informiert.

Aus den Gründen:

Die Kosten des Rechtsstreits waren den Beklagten aufzuerlegen. Es liegt kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO vor. Die Beklagten haben durch ihre unberechtigte Abmahnung und den fruchtlosen Ablauf der ihnen zur Erklärung der Abstandnahme von ihren Ansprüchen gesetzten Frist Veranlassung zur Klage gegeben. Die Beklagten hatten gegen den Kläger von vorneherein keinen Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz aus Urheberrecht wegen des Bereithaltens von Musikstücken in einer Tauschbörse. Der Kläger hatte an einer solchen Tauschbörse – wie jetzt unstreitig ist – zum fraglichen Zeitpunkt nicht teilgenommen.

Der Kläger hatte die Beklagten vorgerichtlich darauf hingewiesen, dass ihre Ansprüche unberechtigt sind. Unter Vorlage von Server-Logs hatte der Kläger (…) konkret dargelegt, warum er nicht diejenige Person sein konnte, die unter der IP-Adresse … gehandelt hatte. Der Kläger wies zudem darauf hin, dass die von Beklagtenseite mitgeteilte IP-Adresse dem Standort Wesel in Nordrhein-Westfalen zugeordnet ist. Den Beklagten hätten sich spätestens aufgrund des Schreibens des Klägers Zweifel am richtigen Gegner aufdrängen müssen, zumal sie selbst der Staatsanwaltschaft Duisburg in ihrer Strafanzeige mitgeteilt hatten, dass der Verdächtige einen Einwahlknoten im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Duisburg genutzt haben musste, der Kläger jedoch zum fraglichen Zeitpunkt seinen Wohnsitz in 63762 Großostheim-Ringheim hatte. Da die Beklagten die Akte der Staatsanwaltschaft Duisburg zur Einsicht vorliegen hatten, hätten sie auch nachvollziehen könnten, wie es zum falschen Angriff gegen den Kläger kam.

Der Kläger musste die Beklagten, nachdem er (…) ausführlich mitgeteilt hatte, warum er nicht diejenige Person sein konnte, die die Urheberrechtsverletzung begangen hatte, nicht gesondert noch auf den Zahlendreher der Staatsanwaltschaft hinweisen. Nachdem das Schreiben des Klägers vom (…) unbeantwortet blieb und die Frist, die den Beklagten zur Abstandnahme von ihren Ansprüche gesetzt worden war, fruchtlos verstrich, hatte der Kläger hinreichenden Anlass, zur Abwehr der unberechtigt gegen ihn erhobenen Ansprüche Klage einzureichen. Das Anerkenntnis der Beklagten (…) war deshalb kein sofortiges, weshalb die Kosten des Verfahrens den Beklagten aufzuerlegen waren. (…)

Die Streitwertfestsetzung ergeht gem. § 3 ZPO. Der Kläger will mit seiner Klage festgestellt haben, dass den Beklagten keine Unterlassung- und/oder Schadensersatzansprüche aus Urheberrechtsverletzungen zustehen. Das geltend gemachte Interesse des Klägers an der Klage ist damit höher als der vergleichsweise vorgerichtlich von Beklagtenseite mitgeteilte Betrag von 3.500 €. In ihrer vorgerichtlichen Abmahnung gingen die Beklagten von einem Gegenstandswert von 10.000 € je unberechtigt im Internet angebotenem Musiktitel aus. Da dem Kläger das Bereithalten von 287 Audio-Dateien (…) vorgeworfen wurde, hält das Gericht – auch wenn man pro Titel von einem geringeren Streitwert als 10.000,00 € aus- ginge – einen Streitwert von insgesamt 60.000 € für die negative Feststellungsklage für angemessen. (…)

LG Stuttgart, Anerkenntnisurteil vom 16.07.2008, Az: 17 O 243/07
MMR 2008, 63 und auf Medien Internet und Recht – MIR Dok.: 379-2007 (PDF)

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