Bundesarbeitsgericht – Befristeter Arbeitsvertrag im Anschluss an Ausbildung


Die Parteien stritten darüber, ob das Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung geendet hat. Die Klägerin absolvierte an der Fachhochschule eine Ausbildung zur Bürokommunikationskauffrau, die sie erfolgreich abschloss. Nach einem Erlass des Bundesministeriums des Innern konnte mit ehemaligen Auszubildenden nach bestandener Abschlussprüfung ein auf 24 Monate befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden.

Die Parteien vereinbarten einen solchen befristeten Arbeitsvertrag, nach dessen § 1 die Klägerin nach ihrer Ausbildung bei der Fachhochschule „nach § 14 I Nr. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) … in Verbindung mit Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1a SR 2y BAT wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes (Befristung im Anschluss an eine Ausbildung, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern)“ als Zeitangestellte für die Dauer von zunächst 12 Monaten eingestellt wurde.

Nach § 2 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung, insbesondere nach den SR 2y BAT. Durch Änderungsverträge vereinbarten die Parteien jeweils eine Vertragsverlängerung um ein halbes Jahr. Die Klägerin klagte nach Ende des befrsiteten Arbeitsverhältnisses auf Feststellung, dass ein unbefristeten Arbeitsverhältniss besteht und meinte, die Befristungen seien mangels eines sie rechtfertigenden Sachgrundes unwirksam. Die Voraussetzungen des § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG lägen nicht vor.
Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht sah die in dem letzen Änderungsvertrag vereinbarte Befristung als unwirksam an, da sie nicht durch einen sachlichen Grund nach § 14 I TzBfG gerechtfertigt sei.

Aus den Gründen:

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht auf Grund der in dem Änderungsvertrag vom 9. 12. 2004 vereinbarten Befristung am 23. 7. 2005 geendet. Die Befristung ist unwirksam. Die Befristung kann nach der Protokollnotiz Nr. 6 lit. a zu Nr. 1 SR 2y BAT nicht auf § 14 II TzBfG gestützt werden. Die Befristung ist auch nicht nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Die Vorschrift gestattet nur den einmaligen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags im Anschluss an die Ausbildung, nicht jedoch dessen Verlängerung.

Das LAG hat zu Recht nur die in dem Änderungsvertrag vom 9. 12. 2004 vereinbarte Befristung zum 23. 7. 2005 der Befristungskontrolle unterzogen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die in dem zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (st. Rspr. seit BAGE 49, 73 …). Nur ausnahmsweise kann auch die in einem vorangegangenen Vertrag vereinbarte Befristung der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, wenn die Parteien dem Arbeitnehmer bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrags das Recht vorbehalten haben, die in dem früheren Vertrag vereinbarte Befristung gerichtlich überprüfen zu lassen (…) oder wenn es sich bei dem letzten Vertrag um einen unselbstständigen Annex zu dem vorangegangenen Vertrag handelt, mit dem das bisherige befristete Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich seines Endzeitpunkts modifiziert werden sollte (…). Beide Ausnahmetatbestände liegen im Streitfall nicht vor. Die Parteien haben bei Abschluss des Änderungsvertrags vom 9. 12. 2004 keinen Vorbehalt vereinbart, der eine Überprüfung der vorangegangenen Befristungen ermöglichen könnte. Bei den Änderungsverträgen vom 25./26. 5. 2004 und vom 9. 12. 2004 handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um Annexverträge zu dem Erstvertrag vom 15. 8. 2003.

Ein Annexvertrag liegt nicht bereits dann vor, wenn der letzte und der vorletzte Vertrag in den Vertragsbedingungen übereinstimmen und die zu erfüllende Arbeitsaufgabe die gleiche bleibt (…). Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten. Diese sind anzunehmen, wenn der Anschlussvertrag lediglich eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts betrifft, diese Korrektur sich am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrags orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit an erst später eintretende, zum Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Umstände besteht. Den Parteien darf es nur darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrags mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang zu bringen (…).

Hiernach handelt es sich bei den Verlängerungsverträgen vom 25./26. 5. 2004 und vom 9. 12. 2004 nicht um unselbstständige Annexverträge. Die Änderung des Fristendes um jeweils circa sechs Monate stellt bereits keine verhältnismäßig geringfügige Korrektur der in dem Erstvertrag vereinbarten einjährigen Vertragslaufzeit dar. Außerdem erfolgte durch die Änderungsverträge keine Anpassung der Vertragslaufzeit an Umstände, die bei Abschluss des Erstvertrags am 15. 8. 2003 nicht absehbar waren. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten war von Anfang an geplant, die Vertragslaufzeit bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren auszudehnen, sofern Haushaltsmittel zur Verfügung standen und die Leistungen der Klägerin während des zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses den Anforderungen entsprachen. Die Vertragsverlängerung war daher bereits bei Abschluss des Erstvertrags am 15. 8. 2003 absehbar.

Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der in dem Änderungsvertrag vom 9. 12. 2004 vereinbarten Befristung zum 23. 7. 2005 nicht auf § 14 II TzBfG berufen. Im Anwendungsbereich des BAT, der auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden ist, kann eine Befristung nur auf § 14 II TzBfG gestützt werden, wenn im Arbeitsvertrag angegeben ist, dass es sich um eine Befristung nach dieser Vorschrift handelt. Daran fehlt es.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind auf Grund der vertraglichen Vereinbarung in § 2 des Arbeitsvertrags vom 15. 8. 2003 die Vorschriften des BAT einschließlich der SR 2y anzuwenden. Nach der Protokollnotiz Nr. 6 lit. a zu Nr. 1 SR 2y BAT ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis nach § 14 II TzBfG handelt. Im Anwendungsbereich des BAT genügt es daher zur Rechtfertigung der Befristung nicht, dass die Voraussetzungen des § 14 II TzBfG im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv vorlagen. Erforderlich ist vielmehr die Angabe im Arbeitsvertrag, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis nach § 14 II TzBfG handelt. Die Nichtbeachtung des Zitiergebots führt dazu, dass der Arbeitgeber die Befristung nicht auf § 14 II TzBfG stützen kann (…). Danach kann sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf § 14 II TzBfG berufen. Weder in dem Ausgangsvertrag vom 15. 8. 2003 noch in dem Änderungsvertrag vom 9. 12. 2004 ist angegeben, dass es sich um eine Befristung nach § 14 II TzBfG handelt. Beide Verträge verweisen ausschließlich auf den in § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG normierten Sachgrund.

Die in dem Änderungsvertrag vom 9. 12. 2004 vereinbarte Befristung zum 23. 7. 2005 ist nicht nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Die Befristung erfolgte nicht im Anschluss an die Ausbildung der Klägerin, da die Klägerin nach Beendigung ihrer Ausbildung bereits auf Grund des Arbeitsvertrags vom 15. 8. 2003 seit dem 24. 7. 2003 bei der Beklagten angestellt war. § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG lässt entgegen der Auffassung des LAG und der Beklagten nur den einmaligen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags im Anschluss an die Ausbildung zu, nicht jedoch dessen (mehrfache) Verlängerung. Nach § 14 I 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG vor, wenn die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Voraussetzung für die Befristung ist daher, dass sie im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt.

Aus dem Tatbestandsmerkmal „Anschluss“ in § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG ergibt sich, dass es sich um die Befristung des ersten Arbeitsvertrags handeln muss, den der Arbeitnehmer nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums abschließt. Ein zwischenzeitliches Arbeitsverhältnis schließt daher eine Befristung nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG aus (…). Bestand nach der Ausbildung bereits ein Arbeitsverhältnis, erfolgt die Befristung nicht, wie es § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG voraussetzt, im Anschluss an die Ausbildung, sondern im Anschluss an die zwischenzeitliche Beschäftigung. Diese am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung entspricht auch deren Sinn und Zweck. Dieser besteht darin, Berufsanfängern den Berufsstart zu erleichtern (BT-Dr 14/4374, S. 19), indem es ihnen ermöglicht wird, im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses Berufserfahrung zu sammeln und dadurch ihre Einstellungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Dieser Zweck ist erreicht, sobald der Arbeitnehmer das erste – befristete oder unbefristete – Arbeitsverhältnis nach dem Studium oder der Ausbildung eingeht. Damit ist der Start in das Berufsleben erfolgt und der Arbeitnehmer kann sich unter Berufung auf die in dem Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung um eine Anschlussbeschäftigung bemühen. Eine wiederholte Befristung nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG ist deshalb nach dem Normzweck nicht zulässig (…). Bei jedem weiteren – befristeten oder unbefristeten – Arbeitsvertrag handelt es sich bereits um die nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG anzustrebende Anschlussbeschäftigung, für die die Befristungsmöglichkeit nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG gerade nicht vorgesehen ist.

Da § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG nur den einmaligen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums zulässt, kann entgegen der Auffassung des LAG und der Beklagten ein nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG befristeter Arbeitsvertrag auch nicht mit dem in der Vorschrift normierten Sachgrund „verlängert“ werden. Eine Vertragsverlängerung, das heißt die während der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags getroffene Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, mit der der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses hinausgeschoben wird, enthält – ebenso wie der Neuabschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags – eine eigenständige Befristung. Denn das Arbeitsverhältnis soll nicht zu dem ursprünglich vorgesehenen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt enden. Die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags unterscheidet sich vom Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags nur dadurch, dass der Folgevertrag noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags abgeschlossen wird und ausschließlich der Beendigungszeitpunkt geändert wird, die übrigen Arbeitsvertragsbedingungen hingegen unverändert beibehalten werden. Die Unterscheidung zwischen Vertragsverlängerung und Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags ist befristungsrechtlich nur von Bedeutung, wenn eine gesetzliche Vorschrift zwar eine Vertragsverlängerung, nicht aber den Neuabschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags zulässt wie zum Beispiel § 14 II TzBfG. Ansonsten ist es für die Befristungskontrolle unerheblich, ob die Befristung in einem Verlängerungsvertrag im vorstehend dargestellten Sinne vereinbart wird oder in einem neu abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag. § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG sieht die Verlängerung eines im Anschluss an die Ausbildung oder das Studium abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrags nicht vor.

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil die Befristung im Anwendungsbereich der SR 2y BAT vereinbart wurde und diese Tarifvorschriften sowohl die mehrfache Verlängerung als auch den mehrfachen Neuabschluss befristeter Arbeitsverträge zulassen. Sachgrundbefristungen im Anwendungsbereich der SR 2y BAT müssen den Anforderungen des § 14 I TzBfG genügen, da nach § 22 I TzBfG von dieser Bestimmung nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Deshalb ist auch im Anwendungsbereich der SR 2y BAT die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags mit dem Sachgrund des § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG nicht zulässig. Aus demselben Grund kann auch der Erlass des BMI vom 31. 1. 2001, wonach mit ehemaligen Auszubildenden nach bestandener Abschlussprüfung ein auf 24 Monate befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden kann, die Befristungsmöglichkeit nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG nicht zu Gunsten der Beklagten erweitern. Davon abgesehen ist in dem Erlass von der Verlängerung eines nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG befristeten Arbeitsvertrags nicht die Rede.

Nach diesen Grundsätzen ist die in dem Änderungsvertrag vom 9. 12. 2004 vereinbarte Befristung zum 23. 7. 2005 nicht nach § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Bei dem Änderungsvertrag handelt es sich nicht um die erste, sondern um die dritte Befristung eines Arbeitsvertrags nach dem Abschluss der Ausbildung der Klägerin Diese kann nicht auf § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG gestützt werden.

BAG, Urteil vom 10. 10. 2007 – 7 AZR 795/06 (LAG Köln) NJW 2008, 538 (Volltext bei Lexitus)

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