OLG Celle – hohes Alter ist allein kein Grund für Führerscheinentzug


Der spätere Angeklagte fuhr in unsicheren „Schlenkerbewegungen“ eine Straße entlang und geriet sodann mit beiden linken Reifen über den Bordstein auf den Gehweg. Obwohl beide Reifen platzten, fuhr der Angeklagte mit unverminderter Geschwindigkeit weiterhin noch etwa 30 bis 50 Meter auf dem Gehweg entlang. Ihm kam dabei ein Fußgänger entgegen, der einen Zusammenprall nur dadurch vermeiden konnte, dass er durch „ein paar forsche Schritte zur rechten Seite“ auswich. Der Angeklagte fuhr auf einen Hof und stellte dort sein Fahrzeug ab.

Das Amtsgericht Lüneburg verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 45 EUR, entzog ihm die Fahrerlaubnis und bestimmte eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von 12 Monaten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung lasse im hohen Alter die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit durch altersbedingte Prozesse nach. Aufgrund des grob fehlerhaften Fahrverhaltens und des hohen Lebensalters des Angeklagten hatte das Amtsgericht keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte zur Tatzeit aufgrund körperlicher Mängel nicht in der Lage gewesen sei, sein Fahrzeug sicher zu führen.

Hiergegen legte der Angeklagte mit Erfolg Revision ein. Das Oberlandesgericht Celle hob das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüneburg zurück. Aus den Gründen: Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Zwar könnten die Feststellungen zum Fahrverhalten des Angeklagten, seinem Alter und des Tatgeschehen den Schluss rechtfertigen, der Angeklagte sei aufgrund vorübergehender körperlicher Mängel nicht in der Lage gewesen, sein Fahrzeug sicher zu führen. Es wird jedoch nicht mitgeteilt, um welche körperliche Mängel es sich dabei handeln könnte und woraus der Schluss zu ziehen ist, dass der Angeklagte diese hätte erkennen können und müssen, also fahrlässig gehandelt habe. Es hätte nahe gelegen, dass sich das Amtsgericht hierzu sachverständiger Hilfe eines auf dem Gebiete der Verkehrsmedizin erfahrenen Neurologen oder Arztes für Innere Medizin bedient hätte. Die Feststellung des Amtsgerichts, der Zeuge S. habe dem Fahrzeug des Angeklagten durch ein paar forsche Schritte ausweichen müssen, belegt keine konkrete Gefährdung des Zeugen i.S. des § 315 c Abs. 1 StGB. Es war dem Zeugen nach den Feststellungen ersichtlich möglich, ohne größere Schwierigkeiten dem Fahrzeug des Angeklagten auszuweichen. Eine konkrete Gefahr liegt aber nur dann vor, wenn ein folgenschwerer Unfall mit nahe liegender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre und es nur dem Zufall zu verdanken gewesen wäre, dass es nicht zum Zusammenstoß kam.

OLG Celle, Beschluss vom 07.08.2007, AZ: 32 Ss 113/07

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