Bundesverfassungsgericht – Verfassungswidrige Durchsuchung einer Arztpraxis


Eine Ärztin rechnete gegenüber einer Patientin unter anderem Kosten für Ultraschalluntersuchungen in Höhe von 74,71 Euro ab. Auf den Widerspruch der Patientin, die geltend machte, dass die Untersuchungen bei dem fraglichen Termin nicht erbracht worden seien, übersandte die Ärztin ihr Abdrucke von Ultraschallbildern, auf denen der Name der Patientin, das Datum und die Uhrzeit der Untersuchung aufgedruckt waren.

Die Patientin zweifelte die Echtheit der Bilder an, weil sie vermutete, dass es sich entweder um Bilder der Vorjahresuntersuchung handelte, bei denen nachträglich das Datum ausgetauscht worden sei, oder aber um Bilder einer anderen Patientin, bei denen der Name ausgetauscht worden sei. Auf Anzeige des Ehemannes leitete die Staatsanwaltschaft gegen die Ärztin ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Abrechnungsbetrugs ein und erwirkte beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohn- und Praxisräume der Ärztin sowie ihrer Person und ihrer Kraftfahrzeuge. Daraufhin wurden die Praxis- und Laborräume durchsucht. Hiergegen eingelegte Rechtsmittel wies das Landgericht zurück.

Die Verfassungsbeschwerde der Ärztin war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen Beschlüsse die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzen. In Anbetracht des relativ geringen Schadens und der Tatsache, dass ein kaum über bloße Vermutungen hinausreichender Tatverdacht bestanden hat, war die Durchsuchung der Arztpraxis unverhältnismäßig. Die Verdachtsgründe bewegten sich im Grenzbereich zu vagen Anhaltspunkten oder bloßen Vermutungen, die eine Durchsuchung unter keinen Umständen rechtfertigen konnten. Das Landgericht hat zwar erkannt, dass den Ultraschallbildern, auf denen der Name der Patientin und das Datum des Arzttermins aufgedruckt sind, grundsätzlich ein erheblicher Indizwert dafür zukommt, dass die Untersuchung tatsächlich vorgenommen wurde. Es hat aber diesen Indizwert durch die abweichende Uhrzeit zu Unrecht als gänzlich entwertet angesehen. In diese Wertung hat es die nahe liegende Überlegung, die Uhrzeit könne aufgrund eines technischen Fehlers falsch wiedergegeben worden sein, nicht eingestellt. Hierbei hat es auch nicht bedacht, dass die korrekte Wiedergabe der Uhrzeit einer Untersuchung regelmäßig keine zentrale Funktion eines Ultraschallgeräts ist. Es kann auch nicht nachvollzogen werden, warum der schriftlichen Strafanzeige des Ehemanns der Patientin gegenüber den Ultraschallbildern ein derart starker Beweiswert zukomme. In die Verhältnismäßigkeitserwägungen hätte auch eingestellt werden müssen, dass mit der Durchsuchung der Praxisräume empfindliche Daten Dritter (anderer Patientinnen) gefährdet waren.

Im Ergebnis kann damit die Frage offen bleiben, ob der Durchsuchungsbeschluss auch deswegen als verfassungswidrig anzusehen war, weil nicht nur die Durchsuchung der Praxisräume, sondern auch die Durchsuchung der privaten Wohnung und der Kraftfahrzeuge der Beschwerdeführerin angeordnet war.

BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 2008, AZ: 2 BvR 1219/07

Quelle: Pressemitteilung  Nr. 14/2008 vom 7. Februar 2008

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