Bundesverfassungsgericht – Verfassungsbeschwerde gegen Fortdauer der Untersuchungshaft erfolgreich


Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende Oktober 2006 wegen des Verdachts des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Untersuchungshaft. Im März 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Von Mai bis Ende des Jahres 2007 wurden an insgesamt 25 Tagen Hauptverhandlungstermine vor dem Landgericht durchgeführt.
Vier weitere Fortsetzungstermine sollen im Januar und Februar 2008 stattfinden. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls lehnte das Landgericht ab. Das Oberlandesgericht verwarf die hiergegen eingelegte Haftbeschwerde.

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht verletzen. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben nachvollziehbar dargelegt, welche Umstände für die weiträumige – einer Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen nicht mehr entsprechende – Terminierung verantwortlich sind und ob diese die aufgezeigten Verfahrensverzögerungen rechtfertigen können. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Landgericht ist auf das Vorliegen von Verfahrensverzögerungen mit keinem Wort eingegangen. Das Oberlandesgericht hat diese Frage zwar aufgegriffen. Es unterlässt aber eine hinreichende Analyse der konkreten Verfahrensabläufe. Es prüft nicht hinreichend, ob angesichts der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft und des seit Beginn der Hauptverhandlung im Mai 2007 bereits verstrichenen Zeitraums die Terminierungsdichte noch angemessen ist. Der Hinweis auf die bis Oktober 2007 durchgeführten 20 Hauptverhandlungstermine allein genügt nicht, zumal dies einer Terminierungsdichte von weniger als einem Verhandlungstag pro Woche entspricht. Die Terminierungsdichte nimmt gegen Jahresende sogar noch ab. Es wird nicht dargelegt, weshalb nicht an mehreren Wochentagen verhandelt wurde, um das Verfahren zeitgerecht abzuschließen. Bei umfangreichen Verfahren wie dem vorliegenden fordert das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als durchschnittlich nur einem Hauptverhandlungstag pro Woche. Der verfassungsrechtlichen Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer Hauptverhandlung in Haftsachen steht zwar deren Unterbrechung für eine angemessene Zeit zum Zwecke des Urlaubs der Verfahrensbeteiligten oder auch zum Zweck des Antritts einer Kur nicht grundsätzlich entgegen. Das Beschleunigungsgebot ist jedoch dann nicht mehr gewahrt, wenn auch außerhalb dieser sich in einem angemessenen Rahmen zu haltenden Unterbrechungszeiten die in Haftsachen gebotene Terminierungsdichte nicht annähernd eingehalten wird.

Soweit für die geringe Terminierungsdichte von der Verteidigung geltend gemachte Terminskollisionen eine Rolle gespielt haben sollten, entlastet dies die Strafkammer nicht von dem Vorwurf einer der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerung. Denn zum einen können derartige Terminskollisionen bei einer vorausschauenden Terminsplanung weitgehend vermieden werden. Zum anderen darf die Strafkammer nicht ausnahmslos auf Terminskollisionen der Verteidiger Rücksicht nehmen. Vielmehr stellt sich dann die Frage, ob andere Pflichtverteidiger zu bestellen sein werden oder inwieweit die Verteidiger verpflichtet werden können, andere Termine zu verschieben.

BVerfG, Beschluss vom 23.01.2008, AZ: 2 BvR 2652/07

Quelle: Pressemitteilung  Nr. 17/2008 vom 15.02.2008

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