LG Ravensburg – Kraftstoffmehrverbrauch von 3,03 % gegenüber den Angaben im Verkaufsprospekt stellt einen unerheblichen Sachmangel dar


Der Kläger kaufte bei der Beklagten einen Chrysler PT Cruiser Cabrio GT „Street Cruiser“ 2,4 Turbo. In einem Verkaufsprospekt war für das Fahrzeug ein Kraftstoffverbrauch (innerorts/außerorts/kombiniert, jeweils in l/100 km) „Super Plus Bleifrei – 13,2/8,2/9,9“ angegeben. Diese Werte seien, darauf wies eine Fußnote hin, nach dem vorgeschriebenen Messverfahren (Richtlinie 80/1268/EWG) ermittelt worden, seien nicht Bestandteil des Angebotes und sollten allein Vergleichszwecken zwischen verschiedenen Fahrzeugen dienen. Wenige Monate später beschwerte sich der Kläger über einen überhöhten Kraftstoffverbrauch zwischen 14 und 16 l/100 km. Nach zwei Versuchen der Beklagten, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, erklärte der Kläger nach Fristsetzung schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und klagte erfolglos auf Rückzahlung , hilfsweise auf Minderung des Kaufpreises.
Der erworbene Pkw wies zwar nach Auffassung des Landgericht Ravensburg durchaus einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB auf. Ein im vorgeschriebenen Testverfahren festgestellter Kraftstoffmehrverbrauch stellt bereits dann einen Sachmangel dar, wenn er jenseits üblicher Toleranzwerte liege. Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Verbrauchsangaben im Prospekt durchaus nicht unbeachtlich sind, auch wenn der Fußnotenzusatz die Angaben relativiere. Der Käufer kann und darf eine derartige Prospektangabe zumindest dahingehend verstehen, dass auch das konkret von ihm erworbene Produkt, die angegebenen Werte einzuhalten vermag. Ein Rücktrittsrecht bestehe allerdings nicht, weil der Sachmangel im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB unerheblich sei. Auch eine Wertminderung sei durch den erhöhten Verbrauch nicht gegeben, so dass auch kein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises bestehe.

Aus den Gründen:

Speziell hinsichtlich der Frage des Kraftstoffmehrverbrauchs werden unterschiedliche Positionen vertreten: Zum Teil heißt es unter Bezugnahme auf (…) BGH-Rechtsprechung, ein Kraftstoffmehrverbrauch bis zu 10 % oder gar 15 % sei unerheblich (Palandt- Weidenkaff , 66. Auflage 2007, § 437 RdNr. 23); zum Teil heißt es, dass der 10 %-Grenzwert der alten Rechtsprechung mit Rücksicht auf das gestiegene Umweltbewusstsein und die entsprechende Zielsetzung der europarechtlichen Vorgaben für die Kennzeichnung des Treibstoffverbrauchs wohl herabzusetzen sei ( Schmidt , NJW 2005, 329, 332; MünchKomm- Westermann , BGB, 4. Auflage 2004, RdNr. 12; BeckOK- Faust , BGB, Stand 01. März 2006, § 437, RdNr. 26). (…) Ein gegenüber den Prospektangaben festzustellender Kraftstoffmehrverbrauch von 3,03 % im gewichteten Gesamtverbrauch ist (…) unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB und rechtfertigt keinen Rücktritt vom Kaufvertrag.

Auch das Minderungsbegehren des Klägers bleibt erfolglos. (…) Das Minderungsrecht des Käufers setzt nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 441 Abs. 1 Satz 2 BGB eine wie immer geartete Erheblichkeit des Mangels nicht voraus. Der aus dem Prüfprotokoll sich ergebende Mehrverbrauch des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat jedoch keine Wertminderung des Fahrzeugs zur Folge, so dass eine Kaufpreisherabsetzung nach § 441 Abs. 3 BGB nicht in Frage kommt. (…) Ab welchem Ausmaß eines festgestellten Kraftstoffmehrverbrauches ein Minderwert anzunehmen sein wird (5 %?, 10 %?), kann hier dahinstehen. Jedenfalls für den hier festgestellten Mehrverbrauch von 3,03 % liegt beim hier betroffenen Fahrzeugtyp ein Minderwert nicht vor.

Zum einen liegt der festgestellte Wert nur sehr knapp jenseits des Toleranzbereiches, wie er allein schon durch das Messverfahren bedingt ist (+/- 2 %). Zum anderen kommt hier der eingeschränkte Zweck der Verbrauchsangaben im Prospekt entsprechend der dortigen Fußnote zum Tragen. Die nach dem vorgeschriebenen Prüfstandsverfahren ermittelten Werte sollen dem Käufer einen Vergleich zwischen verschiedenen Fahrzeugen ermöglichen. Solange aber die Durchschnittsverbrauchswerte bei Personenkraftwagen unterschiedlichster Art zwischen, grob gesagt, 5 l/100 km und 20 l/100 km variieren, ist nicht nur die Zuordnung eines Fahrzeugs zur entsprechenden Verbrauchsgrößenordnung letztlich unabhängig davon, ob 9,9 oder 10,2 l/100 km verbraucht werden; es kann auch nicht angenommen werden, dass auf dem allgemeinen Fahrzeugmarkt ein Neufahrzeug anstelle von 27.850,00 Euro allein aufgrund einer so minimalen Differenz gleich weniger wert sein soll. Für jeden umwelt- und folgekostenbewussten Käufer ist der hier betroffene Fahrzeugtyp allein schon aus den Prospektangaben als außerordentlich wenig sparsames Fahrzeug erkennbar.

Schließlich und vor allem ist auf die Besonderheit des Messverfahrens abzustellen. Nach den eindrücklichen Darlegungen des Sachverständigen bildet der von der EU-Norm vorgeschriebene Fahrzyklus, wie er auf dem Prüfstand zu simulieren ist, gerade nicht ein durchschnittliches, gleichsam „normales“ Fahrverhalten ab. Insbesondere die jeweiligen Beschleunigungswerte werden nur bei außergewöhnlich zurückhaltender Fahrweise erreicht und wären etwa bei einer Verkehrsunfallkonstruktion als unrealistisch niedrig auszuklammern. Die tatsächlich von den Fahrzeughaltern festgestellten Verbrauchswerte liegen demnach praktisch immer deutlich über den Herstellerangaben, die auf der genormten Prüfstandsmessung beruhen. Das Ausmaß des tatsächlichen Mehrverbrauchs hängt dabei von verschiedensten Faktoren ab (Fahrweise; Bereifung/Luftdruckkontrolle; Zuschaltung ergänzender Verbraucher im Bereich Komfort und Sicherheit – Klimaanlage, Abblendlicht bei Tag, Musikanlage und dergleichen). Beim hier betroffenen Fahrzeugtyp kommt dem Faktor Fahrverhalten besondere Bedeutung zu: Wer einen Pkw mit Turbomotor kauft, wird im Alltag eher selten so gemächlich beschleunigen, wie es der Prüfstands-Fahrzyklus vorsieht; der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass man gerade bei einem Turbo-Benzinmotor sehr leicht besonderes hohen Kraftstoffverbrauch feststellt, wenn man dessen besondere Beschleunigungs- bzw. Durchzugsmöglichkeiten auch entsprechend nutzt. Auch vor diesem Hintergrund hält das Gericht es für ausgeschlossen, dass der allgemeine Fahrzeugmarkt den Wert eines Fahrzeugs wie es hier streitgegenständlich ist, deshalb niedriger ansetzt, weil es in einem genormten Prüfstandsverfahren von durchaus eingeschränktem Realitätsbezug die vorgegebenen Werte um 3,03 % übersteigt.

LG Ravensburg, Urteil vom 06.03.2007, AZ: 2 O 297/06

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