Bundesverfassungsgericht – Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen Unterbringungsbedingungen im Straf- und Maßregelvollzug


Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat drei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, welche die Unterbringungsbedingungen im Straf- und Maßregelvollzug betrafen.

Gegenstand des Verfahrens 2 BvR 2354/04 war die Unterbringung eines Maßregelpatienten in einem Zweibettzimmer, das aufgrund der Überbelegungssituation im Landeskrankenhaus des Landes Sachsen-Anhalt mit drei Personen belegt war. Das Zimmer wies eine Grundfläche von 14,5 m2 auf und verfügte über einen räumlich abgetrennten WC-Bereich von 4 m2. Auf der Station gab es einen Hobbyraum, eine Patientenküche und zwei Aufenthaltsräume. Zusätzlich bestand für die Patienten die Möglichkeit, sich stundenweise allein im Besucherzimmer aufzuhalten. Ein Einschluss erfolgte nur zur Nachtruhe.

Das Verfahren 2 BvR 2201/05 betraf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Haftraumgröße im offenen Strafvollzug. Der Beschwerdeführer befand sich mit einem weiteren Gefangenen in einem Haftraum des offenen Vollzuges, der eine Grundfläche von 11,7 m2 sowie ein Luftvolumen von 27,2 m3 aufwies. Auf der Etage befand sich ein gesonderter Toiletten-, Wasch- und Duschraum. Die Haftraumtüren waren weder tagsüber noch nachts verschlossen.

Der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 939/07 war Untersuchungsgefangener. Er war in einem Einzelhaftraum untergebracht, der mit einer räumlich nicht vom übrigen Haftraum abgetrennten, nicht gesondert entlüfteten Toilette ausgestattet war.

Die Verfassungsbeschwerden hatten keinen Erfolg. Die Kammer sah die Beschwerdeführer durch ihre jeweilige Unterbringungssituation nicht in ihrer Menschenwürde verletzt.

Den Entscheidungen liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Dem Ermessen der Justizvollzugsanstalten und Maßregelkliniken sind bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume und Patientenzimmer Grenzen durch das Recht der Insassen auf Achtung ihrer Menschenwürde gesetzt. Die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 1 GG). Der öffentlichen Gewalt ist danach jede Behandlung verboten, die die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt. Durch das Sozialstaatsprinzip bekräftigt, schließt die Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde die Pflicht zu aktiver Gewährleistung der materiellen Mindestvoraussetzungen menschenwürdiger Existenz ein. Für den Strafvollzug bedeutet dies, dass die Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins den Gefangenen auch in der Haft erhalten bleiben müssen und der Staat zu den dafür erforderlichen Leistungen verpflichtet ist. Nichts anderes gilt für den Maßregelvollzug. Kann aufgrund der besonderen Verhältnisse in einer bestimmten Anstalt oder Klinik den Anforderungen, die sich aus der Pflicht zum Schutz der Menschenwürde ergeben, einem Gefangenen oder Patienten gegenüber nicht entsprochen werden, so ist dieser in eine andere Anstalt oder Klinik zu verlegen.

Die Frage nach den Standards, deren Unterschreitung eine Missachtung bedeuten und die Menschenwürde der Betroffenen verletzen würde, kann dabei, soweit es um die Sicherung eines Minimums an materiellen Voraussetzungen menschenwürdiger Existenz geht, hier wie sonst nicht ohne Berücksichtigung der allgemeinen – auch wirtschaftlichen – Verhältnisse beantwortet werden.

Die dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen waren in den hier zu beurteilenden Fällen gewahrt.

In den Verfahren 2 BvR 2354/04 und 2 BvR 2201/05, die eine Gemeinschaftsunterbringung betrafen, kam dabei dem Umstand Bedeutung zu, dass durch die räumliche Abtrennung des Toilettenbereichs bzw. die durchgängig eröffnete Möglichkeit zur Nutzung sanitärer Anlagen außerhalb des Haftraumes für einen ausreichenden Schutz der Intimsphäre gesorgt war. Den Beschwerdeführern standen außerdem aufgrund der Öffnung des Vollzuges nach innen Bewegungs- und Rückzugsmöglichkeiten auf der Station zu. Solche Ausweichmöglichkeiten sind auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geeignet, eine geringe Größe des zur individuellen Nutzung zugewiesenen Raumes zu kompensieren.

Im Verfahren 2 BvR 939/07 verletzten die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum sowie das Fehlen einer gesonderten Entlüftung nicht den Anspruch des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde, weil bei einer Zuweisung des Haftraumes zur Einzelnutzung grundsätzlich die Möglichkeit besteht, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten. Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass der Gefangene, in dessen Haftraum die Toilette nicht mit ausreichendem Sichtschutz versehen ist, einen Anspruch auf besondere Rücksichtnahme durch das Vollzugspersonal beim Betreten des Raumes hat.

BVerfG, Beschlüsse vom 13. November 2007, AZ: 2 BvR 2354/04; AZ: 2 BvR 2201/05; AZ: 2 BvR 939/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 114/2007 vom 4. Dezember 2007

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