AG Freiburg – Haftung des Vorausfahrenden bei einem Auffahrunfall durch plötzliches Abbremsen


„Wer auffährt ist schuld!“ Nach dieser allgemein verbreiteten Auffassung wäre die Schuldfrage bei Auffahrunfällen damit eindeutig geklärt. Dabei gilt auch bei Auffahrunfällen im allgemeinen nur, dass gegen den Auffahrenden der sogenannte Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten (§ 4 Abs. 1 S. 1 StVO), seine Fahrgeschwindigkeit nicht der Verkehrssituation angepasst hat (§ 3 Abs. 1 StVO) oder es an der notwendigen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen (§ 1 Abs. 2 StVO).

Wer sich als Auffahrender einer Haftung ganz oder teilweise entziehen will, muss diesen Anscheinsbeweis widerlegen. Vielfach wird nach einem Unfall behauptet, der Vorausfahrende habe abrupt und ohne erkennbaren Grund gebremst, was ohne entsprechenden Nachweis nicht zur Entkräftung des Anscheinsbeweises ausreicht.

In einem vor dem Amtsgericht Freiburg geführten Rechtstreit konnte der Auffahrende den Entlastungsnachweis führen, da der Vorausfahrende eingeräumt hatte, aus Versehen die Kupplung mit der Bremse verwechselt zu haben, so dass er plötzlich und unerwartet bremste. Bei dieser Sachlage liegt ein grober Verstoß gegen § 4 Abs.1 S.2 StVO vor und ein atypischer Geschehensablauf bei einem Auffahrunfall ist unstreitig, so dass der Beweis des ersten Anscheins nicht für ein Verschulden der Auffahrenden am Zustandekommen des Unfalls spricht. Auch sonst ist ein Verschulden des Auffahrenden am Zustandekommen des Unfalls nicht nachgewiesen, denn nach Angaben des Auffahrenden war er einfach aufgrund der Gesamtsituation so überrascht von der Vollbremsung des Vorausfahrenden, dass er trotz ausreichendem Sicherheitsabstand zu spät reagierte. Dies kann ihm anhand der gesamten Situation nicht als Verschulden vorgeworfen worden. Damit war der Vorausfahrende zur Leistung von Schadensersatz in vollem Umfang verpflichtet.

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass zum einen ein wirklich atypischer Auffahrunfall vorliegen muss und zum anderen der Auffahrende die Beweislast dafür trägt. Nicht immer hat man das Glück, dass der Vorausfahrende das plötzliche Abbremsen auch einräumt.

AG Freiburg, Urteil vom 19.06.2007, AZ: 55 C 958/07 (in VRS 113 31)

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