Abwendung eines Fahrverbots bei drohendem Arbeitsplatz- oder Existenzverlust


(c) Viktor Mildenberger / Pixelio

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Berufskraftfahrer, Vielfahrer, Selbstständige, sie stecken oftmals in einem Dilemma. Auf der einen Seite verlangt der Arbeitgeber von ihnen mit Nachdruck die termingerechte Lieferung, ein Auftrag muss „just in time“ erledigt werden. Auf der anderen Seite steht bei entsprechenden Geschwindigkeitsüberschreitungen ein Fahrverbot im Raum und der Arbeitgeber droht plötzlich mit der Kündigung, falls der Kraftfahrer für den Zeitraum eines Fahrverbotes ausfällt, oder die eigene Firma steht vor dem Aus weil Aufträge nicht erledigt werden können. In einer solchen Situation sollte sich der von einem Fahrverbot Betroffene nicht scheuen, dies zu seinem Vorteil zu nutzen, um gegebenenfalls einem Fahrverbot zu entgehen.

Absehen vom Regelfahrverbot stellt immer Ausnahme dar

Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots nach § 25 StVG, § 4 BKatV vor, ist dies vom Betroffenen zunächst einmal als vorhersehbar und selbstverschuldet hinzunehmen. Die Anordnung des Fahrverbots nach einer Drogen- oder Trunkenheitsfahrt ( § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG) und bei Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24, 25 StVG i.V.m. § 4 BKatV ist die Regel, das Absehen davon demnach eine Ausnahme. Es ist also Sache des Betroffenen, entsprechende Tatsachen zu einem drohenden Arbeitsplatzverlust vorzutragen. Das Gericht ist im Rahmen seiner Aufklärungspflicht zwar gehalten, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zu erfragen, zu einer drohenden Kündigung oder der Existenzvernichtung muss der Betroffene aber schon selbst vortragen.

Unverhältnismäßige Härte als Voraussetzung

Gemäß § 4 Abs. 4 BKatV kann in Ausnahmefällen unter angemessener Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, wenn die Folgen des Fahrverbotes in der Person des Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würden, ihn also stärker treffen würden als andere Betroffene. Im Unterschied zu dem Regelfahrverbot in den Anwendungsfällen des § 24a StVG, in denen nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes rechtfertigen können, reichen in den Fällen des § 4 Abs. 1 BKatV zwar möglicherweise schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um einen Ausnahmefall zu begründen. Typische mit einem Fahrverbot verbundene Belastungen wie etwa der Zwang zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind dabei unbeachtlich.

Drohende Kündigung durch den Arbeitgeber als Härtefall

Eine unverhältnismäßige Härte liegt bei Arbeitnehmern erst dann vor, wenn diese im Zusammenhang mit der Berufsausübung – also nicht lediglich für die Fahrten zum und vom Arbeitsplatz – auf das Führen von Kfz angewiesen sind (so bei Berufskraftfahrern in weiteren Sinne) und deshalb bei Anordnung des Fahrverbots eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht.

Die Gefahr einer Kündigung des Arbeitsplatzes wegen des Fahrverbotes muss allerdings konkret bestehen, die bloße Vermutung oder generelle Befürchtung des betroffenen, dass er gekündigt werde, reicht nach ständiger Rechtsprechung nicht aus. Auf die arbeitsrechtliche Rechtmäßigkeit der angedrohten Kündigung soll es dabei nicht ankommen (so Oberlandesgericht Celle in NZV 1996, 291; a.A. OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 93 bei einer „offensichtlich“ rechtswidrigen Kündigung).

Ein Absehen vom Fahrverbot scheidet auch aus, wenn eine Kündigung durch andere zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, z.B. durch Verbüßung des Fahrverbotes im Urlaub, ggfls. unter Beachtung der viermonatigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG, oder durch organisatorische Maßnahmen des Arbeitgebers, z.B. Innendienst.

Ob es dem Betreffenden zugemutet werden könne, einen Kredit zur Anstellung eines Fahrers aufzunehmen, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt. So geht z.B. das OLG Frankfurt davon aus, dass einem durchschnittlich bis besser verdienenden Betroffenen die kurzfristige Finanzierung eines Aushilfsfahrers zumutbar sein soll (OLG Frankfurt, DAR 2002, 82). Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz hingegen, soll es durchschnittlich verdienenden Berufskraftfahrern in der Regel nicht zumutbar sein, die Einstellung und Bezahlung eines Fahrers für die Dauer des Fahrverbotes oder gar die Aufnahme eines Kredits zu dessen Finanzierung zu verlangen (OLG Koblenz 03.03.2004 – 1 Ss 333/03 – NJW 2004, 1400). Auch das OLG Hamm vertrat in seiner Entscheidung vom 30.04.2007 (Az.: 2 Ss OWi 218/07) die Ansicht, dass eine Kreditaufnahme nur ausnahmsweise zumutbar sei. Bei abhängig Beschäftigten sei die Kreditaufnahme in der Regel unzumutbar. Bei Selbstständigen hingegen könnte die Kreditaufnahme zumutbar sein, sofern in den Urteilsgründen die Einkommensverhältnisse genau dargestellt worden sind.

Viele Betroffene schrecken davor zurück, den Arbeitgeber von ein drohendes Fahrverbot zu beichten, gerade weil sie dann die Kündigung befürchten. Ohne Kenntnis des Arbeitgebers kann eine drohende Kündigung aber aus den dargelegten Gründen nicht bewiesen werden. Zudem wird einem Betroffenen bei erst nachträglicher Kenntnisnahme des Arbeitgebers von einem dann rechtskräftigen Fahrverbot die Kündigung in gleicher Weise erst recht drohen.

Was muss dem Gericht vorgetragen werden?

Die bloße Behauptung, es drohe konkret der Arbeitsplatzverlust und Urlaub könne man auch nicht nehmen, genügt in aller Regel nicht. Bußgeldrichter werden in der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaften gegen zu „großzügige“ Entscheidungen von den Obergerichten stets dazu angehalten, entsprechenden Vortrag des Betroffenen nicht einfach ungeprüft zu übernehmen, sondern anhand von Beweismitteln einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Dies hat zur Folge, dass die Anforderungen an den Vortrag des Betroffenen stetig wachsen. Wenn aber ein Bußgeldrichter überzeugt werden kann und seine Überzeugung, dass ein Fahrverbot zu unterbleiben hat, im Urteil auch nachvollziehbar darlegt, ist dies auch vom Obergericht hinzunehmen und zwar „bis zur Grenze des Vertretbaren“ (OLG Hamm NZV 97, 240 ). Seine tatrichterliche Überzeugung gewinnt ein Richter aus Beweismitteln, also muss man etwas bieten.

Als Beweismittel bietet sich zunächst ein Schreiben des Arbeitgebers an, aus dem sich unzweideutig die unbedingte Absicht ergeben sollte, dass das Arbeitsverhältnis im Fall der Anordnung des Fahrverbots gekündigt werden wird und Maßnahmen zur anderweitigen Abwendbarkeit nicht möglich sind. Solche Schreiben können in der Hauptverhandlung verlesen und im Urteil im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden.
Ungenügend sind Formulierungen, eine Kündigung werde erwogen oder sei zu befürchten. Auch Bedingungen sollten nicht enthalten sein, wie etwa „abhängig von der zum Zeitpunkt der Verbüßung bestehenden Auftragslage“, weil damit der Eindruck hervorgerufen werden kann, die Kündigung könne auch wegen anderer betriebsbedingter Faktoren außerhalb des Fahrverbotes ausgesprochen werden. Hilfreich sind auch aussagekräftige Angaben zur Tätigkeit des Betroffenen im Unternehmen. Ergibt sich aus der Berufsbezeichnung nicht, dass die Tätigkeit von einer Fahrzeugnutzung zwingend abhängig ist, muss auch dies näher dargelegt werden.

Das Scheiben sollte auch Angaben zu den Fragen der anderweitigen Abwendbarkeit durch Maßnahmen des Arbeitgebers enthalten. Insbesondere in den Fällen des § 25 Abs. 2a StVG, wenn also der Betroffene das Fahrverbot erst innerhalb von 4 Monaten ab Rechtskraft antreten muss, sollten Angaben gemacht werden, warum dann das Fahrverbot nicht im Jahresurlaub verbüßt werden kann. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Betroffene wegen der Vorgaben des Arbeitsgebers keinen entsprechend langen Urlaub am Stück nehmen kann. Es muss auch dargelegt werden, dass und warum der Betroffene betriebsintern für die überschaubare Dauer eines Fahrverbots nicht ersetzt und im Innendienst eingesetzt werden kann.

Zeitpunkt des Vortrages

Verwaltungsbehörden neigen nicht dazu, intensiv die Möglichkeit eines Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes zu prüfen und in Erwägung zu ziehen. Vor dem erkennenden Bußgeldrichter sind die Chancen und Möglichkeiten deutlich größer. Das Schreiben sollte daher erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegt und dann zeitnah zur tatrichterlichen Hauptverhandlung ausgestellt und datiert sein und einen eindeutigen Aussteller erkennen lassen, um einen genügenden Beweiswert zu besitzen und eine natürliche Person als möglichen Zeugen erkennen zu lassen. Unter Umständen kommt nämlich auch die Vernehmung des Arbeitsgebers bzw. eines zuständigen Mitarbeiters als Zeuge in Betracht, wenn z.B. das Scheiben unklar oder unvollständig ist oder der Verdacht einer Gefälligkeitsbescheinigung besteht.

Gefälligkeitsbescheinigung

Das Schreiben muss in jeder Hinsicht formal und inhaltlich den Eindruck einer Gefälligkeitsbescheinigung vermeiden. Ein solcher Verdacht läge z.B. nahe, wenn sich aus dem Schreiben, dem Briefkopf oder sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass formeller Betriebsinhaber zwar der Ehepartner der Betroffenen ist, dieser aber faktisch die Geschäfte führt. Auch in anderen Fällen der Anstellung in einem Familienbetrieb sollte das Schreiben eingehende Angaben zur Stellung des Betroffenen im Betrieb sowie zur Betriebsstruktur aufweisen, um den Verdacht einer bloßen Gefälligkeit zu entkräften.

Vortrag zur Existenzgefährdung bei Selbständigen

Auch bei Selbständigen kann unter Umständen von einem Fahrverbot abgesehen werden, wenn andernfalls eine ernsthafte Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens bzw. Betriebes begründet würde. Das gilt aber nur, wenn diese Gefahr nicht mit zumutbaren Maßnahmen anderweitig abgewendet werden kann. Das ist insbesondere bei Kleinbetrieben der Fall, wenn der Betriebsinhaber selbst betriebsbedingt auf die Fahrzeugbenutzung angewiesen ist und er keinen Angestellten mit Fahrerlaubnis hat oder sich die Einstellung eines Fahrers auch für die nur relativ kurze Zeit des Fahrverbots finanziell nicht leisten kann (s. z. B. OLG Hamm DAR 1999, 178 = VRS 96, 291 = NZV 1999, 301). Eine Existenzgefährdung angenommen bzw. nicht ausgeschlossen worden ist z. B. bei einer Baufirma mit nur 2 Mitarbeitern und 2 Fahrzeugen, die der Betroffene selbst fahren muss (OLG Hamm DAR 1999, 178 = VRS 96, 291 = NZV 1999, 301; ähnlich AG Offenbach zfs 2001, 431; AG Bersenbrück NZV 2003, 152 = zfs 2003, 97).

Daher ist auch hier ein detaillierter Vortrag notwendig, die (beengten) persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Betroffenen müssen belegt werden. Dies kann z. B. durch Vorlage Steuerbescheinigungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Bankbescheinigungen usw. geschehen. Auch muss die Tätigkeit des Betroffenen eingehend geschildert und belegt werden und sei es durch Auszüge aus dem Terminkalender, aus denen sich ergibt, dass Betroffene darauf angewiesen ist, seine Termine selbst mit dem Pkw wahrzunehmen.

Fazit

Falls man befürchtet, der Arbeitgeber werde bei einem Fahrverbot eine Kündigung aussprechen, sollte man mit offenen Karten spielen und den Arbeitgeber informieren. Wenn der Arbeitgeber dann ernsthaft eine Kündigung androht, muss man ihm beim Wort nehmen und sich das schriftlich bestätigen lassen. Nur so kann im gerichtlichen Bußgeldverfahren versucht werden, das Fahrverbot zu umgehen. Selbstverständlich sollte sein, dass ganz erhebliche Verkehrsverstöße und vorhandene Voreintragungen, ggfls. zuvor angeordnete Fahrverbote, nicht zum erhofften Erfolg des Absehens von einem Fahrverbot führen können. Ihr Verteidiger kann möglicherweise viel, nur zaubern kann er nicht.

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