Das Sozialgericht Duisburg (Az: S 7 AS 77/05) hat sich mit der Frage befasst, ob die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II auch die Kosten einer Einzugsrenovierung beeinhalten oder aber gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II als gesonderte Beihilfe zu übernehmen sind.
Die Klägerin steht laufend im Leistungsbezug der beklagten ARGE. Weil die Beklagte die Unterkunftskosten für die Wohnung der Klägerin für unangemessen hoch hielt, forderte sie die Klägerin dazu auf, sich eine neue Wohnung zu suchen. Die Klägerin zog in eine kleinere Wohnung um und beantragte die Übernahme der Kosten für die Renovierung der Wohnung, was die Beklagte ablehnte.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie könne die beantragten Renovierungskosten nicht selbst tragen, da die Wohnung keine Tapeten und Bodenbeläge enthalte und es unzumutbar sei, die erforderlichen Beträge von der Regelleistung anzusparen. Eine Renovierung „nach und nach“ sei menschenunwürdig.
Die Beklagte hingegen ist der Auffassung, sie könne nicht mit den Kosten der Einzugsrenovierung für eine Wohnung belastet werden, die von den Kosten her weiterhin unangemessen sei. Im Übrigen sei nach ihren Erfahrungen davon auszugehen, dass ohne Weiteres voll renovierte Wohnungen zugänglich seien oder zumindest von Vermietern Unterstützungszahlungen für die Aufwendungen anlässlich einer Einzugsrenovierung geleistet würden. Nach der Rechtsprechung seien Vermieter nach zivilrechtlichen Vorschriften auch grundsätzlich dazu verpflichtet, Wohnungen mit einem gebrauchsfähigen Bodenbelag auszustatten.
Das Sozialgericht Düsseldorf gab der Klägerin Recht. Ihr Anspruch auf Übernahme der Renovierungskosten ergibt sich aus § 22 Abs. 3 Satz 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzesbuches (SGB II).
Aus den Gründen:
Die Anwendung der genannten Vorschrift ist nicht deswegen versperrt, weil es sich bei den hier fraglichen Aufwendungen um solche handelt, die (als Regelleistung) unter § 20 Abs. 1 SGB II fallen. Denn grundsätzlich sind Aufwendungen, die anlässlich eines Umzuges in eine neue Wohnung entstehen und über Bagatellbeträge hinausgehen, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch die Regelleistung abgegolten (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 10.01.2007, Az. L 13 AS 16/06 ER; Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 26.02.2007, Az.: S 17 AS 321/06 ER; bestätigt durch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.06.2007, Az. L 12 B 49/07 AS-ER m.w. N.). Richtig an der Argumentation der Beklagten ist zwar, dass die seit dem 01.01.2005 neu konzipierten Regelsätze als Pauschale gezahlt werden und insofern für Bedarfe, die innerhalb der Regelsatzleistung liegen, grundsätzlich keine einmaligen Beihilfen mehr verlangt werden können. Die Beklagte verkennt jedoch, dass die hier fraglichen Aufwendungen für eine Einzugsrenovierung einen Bedarf darstellen, der nicht von den Regelsätzen erfasst wird und deswegen auch nicht aus der Regelleistung zu decken ist. (…) Schon bei Zugrundelegung der in diesem Verfahren eher als gering zu veranschlagenden Kosten für eine Einzugsrenovierung würde ein Mieter für das Ansparen dieser Kosten über 5 Jahre benötigen, wenn man unterstellt, dass in dieser Zeit keinerlei weitere Ausgaben für Instandhaltung oder Schönheitsreparaturen für die Wohnung aufgewandt werden. Schon diese einfache Hilfsüberlegung macht aus Sicht der Kammer klar, dass die Kosten für eine Einzugsrenovierung bei der Bemessung der Regelsatzleistung nicht miterfasst wurden.
Nach alledem liegt es vielmehr nahe, mit wesentlichen Teilen der Literatur und Rechtsprechung (…), denen sich die Kammer anschließt, davon auszugehen, dass alle im Zusammenhang mit und wegen des Umzuges anfallenden notwendigen Kosten von der Vorschrift des § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II erfasst sind. (…).
Zu beachten ist jedoch, dass sich aus der für einen Einpersonenhaushalt nicht mehr angemessenen Größe der Wohnung (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7 b AS 18/06 R), die hier grundsätzlich bei etwa 45 m² liegt (…), möglicherweise Beschränkungen für die Übernahme der Kosten der Einzugsrenovierung ergeben können, soweit daraus Mehrkosten entstehen. Dies ist aber keine Frage der Übernahme der Kosten der Einzugsrenovierung dem Grunde, sondern nur der Höhe nach. Denn auch die Kosten einer Einzugsrenovierung sind wie alle übrigen Kosten, die unter § 22 Abs. 3 SGB II fallen, nur dann zu übernehmen, wenn es sich um Kosten handelt, die durch zumutbare Selbsthilfeleistungen (§ 2 Abs. 1 SGB II) nicht vermieden werden können und mithin angemessen sind (…).
Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen. Im Hinblick auf die kontroverse Diskussion in Rechtsprechung und Literatur, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Aufwendungen für eine Einzugsrenovierung Gegenstand gesonderter Leistungen nach dem SGB II sein können, hat die Sache grundsätzliche Bedeutung. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage liegt noch nicht vor.
Sozialgericht Duisburg, Urteil vom 13.09.2007, Az: S 7 AS 77/05