Wer haftet für beleidigende Meinungsäußerungen oder Markenrechtsverletzungen in einem Internet-Forum oder Kommentare in einem Blog? Die Frage der Haftung des Betreibers für veröffentlichte Inhalte Dritter innerhalb des Forums oder in den Kommentaren eines Blogs kann nur in ihrem Kernbereich als geklärt angesehenen werden, die Rechtsprechung ist differenziert.
In seiner Entscheidung vom 31.05.2007 stellte das Landgericht Berlin (Aktenzeichen: 27 S 02/07) klar, dass ein Forenbetreiber unmittelbar nach Kenntnisnahme (gleichgültig auf welchem Wege diese erlangt wurde) verpflichtet ist, Kommentare, welche die Rechte eines Dritten verletzten oder aber sogar strafrechtlich relevant sind, zu löschen. Eine Pflicht zur Vorabprüfung der Kommentare, eine Art Zensur, ist dem Betreiber hingegen nicht zumutbar.
Aus der Pressemitteilung von MeinProf.de:
„Auf MeinProf.de wurde ein Professor einer Brandenburgischen Fachhochschule von Studenten im Zuge der Lehrveranstaltungsbewertung als „Psychopath“ und „echt das Letzte“ bezeichnet. Obwohl die beanstandeten Bewertungen umgehend nach Kenntnisnahme entfernt wurden, forderte dieser den Betreiber zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung auf. In dieser wurden für jede weitere unzulässige Äußerung 3.000 € von MeinProf.de verlangt. Da der Betreiber mit der Löschung der Einträge nach Kenntnisnahme seine rechtlichen Pflichten erfüllt hatte, wurde die Abgabe der Unterlassungserklärung verweigert. Daraufhin klagte der Professor vor dem Amtsgericht Tiergarten und erhielt in erster Instanz Recht. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin am 31. Mai 2007 wiesen die Richter den Anspruch auf Unterlassung allerdings zurück. Hochschuldozenten müssten sich in ihrer Funktion öffentlicher Kritik stellen. Eine pauschale Unterlassungserklärung könne nicht eingesetzt werden, um vorab kritische Kommentare zu verhindern. Aufbauend auf der Rechtsprechung des BGH könne dem Betreiber auch keine Vorab-Prüfungspflicht zugemutet werden.“
In den Entscheidungsgründen des Urteils des LG Berlin heißt es:
„Abgesehen davon, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um zulässige Meinungsäußerungen handeln dürfte, die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 686, 688), ist die Beklagte hier nicht passivlegitimiert. Spezialgesetzliche Vorschriften des TDG oder MDStV (Anm. d. Verfassers: Mit dem Telemediengesetz wurden in 2007 die bisherigen Rechtsgrundlagen MDStV und TDG vereinheitlich. Eine wesentliche Inhaltsänderung war hiermit nicht verbunden.), nach denen die Verantwortlichkeit der Beklagten als Betreiberin der Meinungsplattform „MeinProf.de“ in der beanstandeten Art und Weise zu beurteilen wäre, bestehen nach der geltenden Rechtslage nicht. Die Störerhaftung der Beklagten für die Ermöglichung des Zugriffs auf rechtswidrige fremde Informationen ist vorliegend nach den allgemeinen Grundsätzen zu verneinen. (…)
Von Dritten, die eine rechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv durch ihr Handeln unterstützen, darf durch eine Störerhaftung nichts Unzumutbares verlangt werden. Die Haftung als Störer setzt daher die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind. Eine solche Prüfpflicht hat die Beklagte als Betreiberin einer Meinungsplattform vorliegend verletzt. Die Annahme einer Pflicht zur inhaltlichen Überprüfung aller eingestellten Beträge scheidet für den Betreiber eines Onlineportals aus, sie wäre wegen der Fülle der Beiträge praktisch nicht durchführbar (so Kammergericht, Beschluss vom 07.12.2006 – 10 W 106/06; BGH NJW 2004, 3102). Allein der Umstand, dass sich die Beklagte in ihren Nutzungsbedingungen die Löschung rechtswidriger Äußerungen vorbehalten hat, führt entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend nicht zu einer generellen Prüfpflicht.
Eine Prüfpflicht ist nur zumutbar, wenn der Betroffene im Wege einer Abmahnung in Bezug auf bestimmte vermittelte Inhalte konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend macht. In einem solchen Fall braucht der Betreiber keine umfangreichen Nachforschungen unter hohen personellen und technischen Aufwand durchzuführen. Ihm wird lediglich zugemutet, nachzuprüfen, ob der angemahnte Beitrag aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen ist. (…)
Auf einen Verstoß gegen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetztes kann der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht stützen. Zwar stellt jede durch das Bundesdatenschutzgesetz nicht gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BGH NJW 1984, 436). Soweit in den konkret angegriffenen Äußerungen eine Persönlichkeitsverletzung liegen sollte, ist der Beklagte aber – wie ausgeführt – schon nicht Störer. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten des Klägers an sich – wie Titel, Name, Tätigkeitsbereich – ist nicht Gegenstand des Unterlassungsantrages. Unabhängig davon liegt insoweit ein Verstoß gegen § 41 BDSG auch gar nicht vor, da dieses Aufgaben, weil aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG privilegiert sind. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten zuletzt im Schriftsatz vom 15. Mai 2007 verwiesen.“
BGH zur Haftung von Forenbetreibern
Auch der Bundesgerichtshof (vgl. stellv. BGH, Urteil vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06 -) ist der Ansicht, dass dem Forenbetreiber keine Vorab-Prüfungspflicht zukommt. Anders als das Landgericht Berlin beurteilt er allerdings die Frage der Störereigenschaft.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs des Klägers ist das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht maßgebend (BGHZ 131, 308, 311 f.), welches grundsätzlich auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen ist (BGHZ 9, 101 f.). Abzustellen ist mithin auf die mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz-ElGVG) vom 26. Februar 2007 am 1. März 2007 in Kraft getretenen Vorschriften des Telemediengesetzes (BGBl I S. 179), welches an die Stelle des Teledienstegesetzes und des Medienstaatsvertrages getreten ist. Die im Telemediengesetz enthaltenen Vorschriften zur Verantwortlichkeit von Diensteanbietern (§§ 7 bis 10 TMG) haben die Regelungen des Teledienstegesetzes und die für Mediendienste bisher geltenden entsprechenden Regelungen des Medienstaatsvertrages unverändert übernommen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf vom 26. Oktober 2006, BT-Drucks. 16/3078, S. 15). Die diesbezüglichen Vorschriften weisen keinen haftungsbegründenden Charakter auf und enthalten ebenso wie schon die §§ 8 bis 11 TDG in der Fassung von Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S. 3721) keine Anspruchsgrundlagen. Wie sich aus § 7 Abs. 1 TMG ergibt, setzen die nachfolgenden Bestimmungen des Gesetzes ebenso wie schon § 8 Abs. 1 TDG und § 5 TDG i.d.F. vom 22. Juli 1997 (BGBl I S. 1870) eine Verantwortlichkeit nach allgemeinen Vorschriften des Zivil- oder Strafrechts voraus (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2003 – VI ZR 335/02 – VersR 2003, 1546 [zu § 5 TDG a.F.] m.w.N.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, 2. Aufl., Rn. 18). Nach Auffassung des Schrifttums kommt diesen Vorschriften deshalb eine Art „Filterfunktion“ zu (vgl. Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 445 m.w.N.). Vorliegend beruht der Unterlassungsanspruch des Klägers auf § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB.“
Zur Prüfungspflicht führt der Bundesgerichtshof dann aus:
„In dem Unterlassen, einen als unzulässig erkannten Beitrag zu entfernen, liegt eine der Wiederholung einer Rundfunk- oder Fernsehaufzeichnung vergleichbare Perpetuierung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Der Betreiber eines Internetforums ist „Herr des Angebots“ und verfügt deshalb vorrangig über den rechtlichen und tatsächlichen Zugriff. Internetangebote sind – wie etwa auch Aufzeichnungen im Fernsehen – dem nachträglichen Zugriff des Anbieters in keiner Weise entzogen. Auch wenn von ihm keine Prüfpflichten verletzt werden, so ist er doch nach allgemeinem Zivilrecht zur Beseitigung und damit zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verpflichtet (Jürgens/Köster, AfP 2006, 219, 222).“
Mit dem Telemediengesetz wurden in 2007 die bisherigen Rechtsgrundlagen MDStV und TDG vereinheitlicht. Eine wesentliche Inhaltsänderung war hiermit nicht verbunden. Im Unterschied zu dem vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall hatte sich in dem vom BGH zu entscheidenden Fall der Forenbetreiber geweigert, die beanstandeten Kommentare zu entfernen.
Ergänzende Rechtsprechung
Ergänzend sei auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2006, Az.: 1-15 U 180/05 (Vorinstanz zum Urteil des BGH vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06 ) hingewiesen:
„Derjenige, der ein Forum im Internet betreibt, kann grundsätzlich auf Unterlassung rechtswidriger Inhalte in Anspruch genommen werden, weil er als Betreiber des Forums diese Inhalte verbreitet. Der Betreiber eines Forums ist zwar nach § 8 II 3 TDG bzw. § 6 II 3 MDStV nicht verpflichtet, den Kommunikationsvorgang zu überwachen. Da die Beklagte als Betreiberin des Forums spätestens durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers Kenntnis von dem unzulässigen Inhalt des Beitrags des „[XXX]“ erhalten hat, kann von ihr grundsätzlich das tatsächliche Entfernen bzw. Sperren verlangt werde (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 10 Rz. 237). Denn der Diensteanbieter, der Kenntnis erlangt hat, ist nach § 11 Nr. 2 TDG bzw. § 9 Nr. 2 MDStV verpflichtet, unverzüglich tätig zu werden, um die Information zu entfernen oder zu sperren (Burkhardt in: Wenzel, a.a.O., Kap. 10 Rz. 243).
Eine Ausnahme kann nach Auffassung des Senats dann bestehen, wenn es sich um ein Meinungsforum handelt. In diesen Fällen ist vorrangig derjenige in Anspruch zu nehmen, der sich geäußert hat.
Es ist anerkannt, dass derjenige, der sich von einer Äußerung ausreichend distanziert, sich diese nicht zu eigen macht (Burhardt in: Wenzel, a.a.O. Kap. 10 Rz. 208 ff). Das OLG München diskutiert insoweit die Möglichkeit, dass ein deutlich angebrachter Disclaimer eine ausreichende Distanzierung darstellen könne, mit der Folge, dass die Grundsätze angewendet werden könnten, die für die „alten“ Medien als Markt der Meinungen entwickelt worden seien (OLG München, AfP 2002, 522, 523 m.w.N.). Die grundsätzliche Möglichkeit, dass der Host Provider, d.h. der Betreiber eines solchen Meinungsforums, sich auf die grundrechtlich verbürgten Freiheiten berufen kann, wird auch in der Literatur angenommen, wenn tatsächlich meinungsbildende Inhalte verbreitet oder kommunikationsbezogene Dienste wie Meinungsforen bereitgehalten werden (Spindler/Schmitz/Geis, TDG, 2004, § 11 Rz. 59). Selbst bei Kenntnis des Anbieters von den Beiträgen sei dem Charakter einer „quasi-live“ Sendung Rechnung zu tragen, der zu entsprechenden Milderung der Verantwortlichkeit führe (Spindler/Schmitz/Geis, a.a.O., § 11 Rz. 74). Dies verweist auf die Grundsatzentscheidung des BGH, nach der dort, wo das Fernsehen als Veranlasser oder Verbreiter einer Äußerung zurücktritt und – etwa im Rahmen einer gar „live“ ausgestrahlten Fernsehdiskussion – gewissermaßen nur als „Markt“ der verschiedenen Ansichten und Richtungen in Erscheinung trete, es dem Wesen des Mediums und seiner Funktion widerspräche, es n Jnoder gar anstelle des eigentlichen Urhebers der Äußerung in Anspruch nehmen zu können (BGH, Urt. v. 06.04.1976, VI ZR 246/74, www.jurisweb.de Rz. 18 = BGHZ 66, 182 ff „Panorama“). (…)
Dem Betreiber eines Meinungsforums ist es auch nicht unzumutbar, dafür zu sorgen, dass ihm die Identität und Adresse der Teilnehmer bekannt ist, um diese im Streitfall an die angeblich Verletzten weiterzugeben. Denn der Betreiber hat die Möglichkeit, die Teilnahme an dem Forum von einer Registrierung abhängig zu machen, bei der jeder Teilnehmer seinen Namen und seine Adresse angeben muss und dann erst das Recht erhält, unter einem Pseudonym Beiträge zu verfassen. Die von den möglichen Teilnehmern vor dem Hintergrund etwa empfundene Einschränkung der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit dadurch, dass sie der Möglichkeit beraubt werden, ihre Beiträge völlig anonym einzustellen, was einzelne Personen davon abhalten mag, einen Beitrag zu verfassen, ist hinzunehmen. Da die Meinungsfreiheit ihre Schranken insbesondere in dem Recht der persönlichen Ehre findet, muss gewährleistet bleiben, dass derjenige, der durch einen Beitrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und seiner Ehre verletzt wird, den Verfasser auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann. Gewährleistet der Betreiber des Forums dies nicht, kann er sich nicht auf die grundrechtlich verbürgten Freiheiten berufen und selber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.“
Die Sachen edelight, einer Plattform mit „User-Generated-Content“, ist, nachdem sich der abgemahnte Forumbetreiber mit einer negativen Feststellungsklage wehrte, ein Anerkenntnisurteil des LG Stuttgart ergangen. Somit liegen leider keine Urteilsgründe vor.
Die Prozessvertreter des Forumbetreibers berichten in ihrem Blog:
„Festgestellt wurde zunächst, dass den Betreiber einer solchen Plattform keine Pflicht trifft, etwaige Beiträge vorab zu kontrollieren. Soweit eine Rechtsverletzung durch „User Generated Content“ – wie vorliegend – nicht auf ersten Blick evident und für den Portalbetreiber ohne weiteres zu erkennen war, kann eine Verantwortlichkeit grundsätzlich erst ab Kenntnis (d.h. regelmäßig ab der Abmahnung) angenommen werden. Erscheint die behauptete Rechtsverletzung plausibel, hat der Portalbetreiber den jeweiligen Inhalt unmittelbar zu löschen.“
Rechtsprechung des LG Hamburg und des Hanseatischen OLG
Eine ganz andere Auffassung vertreten nach wie vor das Landgericht Hamburg sowie das Hanseatische Oberlandesgericht und versetzen mit der sog. „Heise-Entscheidung“ Forenbetreiber in Angst und Schrecken.
Das OLG Hamburg, Urteil v. 22.08.2006 – Az.: 7 U 50/06 (Vorinstanz LG Hamburg, Urteil v. 02.12.2005 – Az.: 324 0 721/05) führte in seiner die Vorinstanz bestätigenden Entscheidung aus:
Leitsätze des Verfassers:
1. Im Grundsatz haftet der Betreiber eines Internet-Forums erst ab Kenntniserlangung für fremde, rechtswidrige Einträge.
2. Musste der Foren-Betreiber bereits in der Vergangenheit rechtswidrige Postings verzeichnen, ist es nicht ausreichend, neue, rechtswidrige Postings zu löschen. Der Betreiber muss dann dafür sorgen, dass zukünftige, rechtswidrige Postings unterbleiben. Eine solche Pflicht besteht umso sehr, sofern die Foren-Webseiten kommerziell betrieben werden.
3. Kommt der Betreiber der Verpflichtung nach 2.) nicht nach, haftet er als Mitstörer auf Unterlassung.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Da der Antragsgegnerin der Inhalt der Beiträge bei Einstellen in das von ihr eröffnete Forum nicht bekannt war, kommt sie allerdings weder als Täterin noch Teilnehmerin an den schadensträchtigen Veröffentlichungen in Betracht. Ihr Beitrag zu diesen Veröffentlichungen besteht ausschließlich darin, generell ein Forum für Beiträge Dritter zur Verfügung gestellt zu haben.
Wie sich § 9 MDStV entnehmen lässt, sind Mediendiensteanbieter im Allgemeinen nicht für fremde Informationen verantwortlich, die sie für einen Nutzer speichern, sofern sie von dem rechtwidrigen Beitrag keine Kenntnis haben und sofern sie nach Kenntnis unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen.
Wie der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 11.3.2004 (NJW 2004, 3102) in Bezug auf die gleich lautende Bestimmung des § 11 TDG überzeugend ausgeführt hat, schließt dies allerdings eine weitergehende Verantwortung im Rahmen von Unterlassungsansprüchen nicht aus. Zwar zeigt die genannte Regelung auf, dass die Zur-Verfügung-Stellung von Speicherplatz oder technischen Möglichkeiten als Tatbeitrag nicht ausreicht, um eine rechtwidrige Handlung des Betreibers anzunehmen (vgl. Wenzel/Burckhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 10, Rn.240).
In Betracht kommt jedoch ein Unterlassungsanspruch gegen den Forenbetreiber als Störer. Hierbei ist zur Vermeidung der übermäßigen Erstreckung der Störerhaftung anerkannt, dass die Haftung als Störer zusätzlich die Verletzung von Prüfungspflichten voraussetzt, deren Umfang sich danach bestimmt, inwieweit eine Prüfung dem als Störer in Anspruch genommenen zuzumuten ist {vgl. BGH a.a.O.; BGH GRUR 2004,619).
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das Betreiben eines Internetforums unter dem Schutz der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit steht, und dass die Existenz eines derartigen Forums bei Oberspannung der Überwachungspflichten gefährdet wäre. Auf der anderen Seite ist das verfassungsrechtlich geschützte Persöniichkeitsrecht der Betroffenen zu berücksichtigen, die Gegenstand von Beiträgen der Nutzer des Forums geworden sind, und deren Verletzung durch die Bereitstellung des Forums erst ermöglicht worden ist.
In Anlehnung an diese Grundsätze gilt für ein Internetforum, bei dessen Nutzung nicht einmal der Eindruck erweckt wird, der Beitrag gebe die Meinung des Forumsbetreibers wieder, dass schon im Hinblick auf die garantierte Freiheit der Meinungsäußerung auch eine Haftung als Störer im Regelfall nicht in Betracht kommt, soweit lediglich der Vorgang des Einsteilens des Beitrags durch Dritte in Frage steht. Soweit nicht der Forenbetreiber durch sein eigenes Verhalten Rechtsverletzungen durch die Nutzer provoziert, sind ihm diese nicht zuzurechnen. Eine generelle Verpflichtung zu einer vorherigen „Eingangskontrolle“ würde die Möglichkeiten des freien Meinungsaustauschs in grundrechtswidriger Weise einschränken und gegen § 6 Abs.2 MDStV verstoßen. (…)
Dies gilt indessen nicht zwangsläufig auch für die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Forenbetreiber nach Einstellung von Beiträgen der Teilnehmer verpflichtet ist, den Inhalt der Seite zu überwachen und bei Vorliegen einer offensichtlichen Verletzung der Rechte Dritter Beiträge zu löschen. Im Unterschied zur Ausstrahlung einer Live-Sendung, die, wenn man von der Möglichkeit der Erstellung von Kopien absieht, lediglich von dem gerade zuhörenden Publikum wahrgenommen wird, bleibt nämlich der Beitrag in einem Internetforum Ober längere Zeit einem wechselnden Publikum zugänglich, so dass sich die Verletzung mit jedem weiteren Leser perpetuiert.
Wie sich au$ § 9 Satz 1 Nr, 2 MDStV ergibt, trifft den Betreiber die Verpflichtung, bei Bekanntwerden (offensichtlich) rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen. In diesen Fällen geht die gesetzliche Regelung von dem Vorliegen einer Störerhaftung nach allgemeinen Grundsätzen aus (vgl. auch Jürgens/Koster, Die Haftung von Webforen für rechtsverletzende Einträge, AfP 2006, 219,222). Dieser Verpflichtung ist die Antragsgegnerin nachgekommen, indem sie unmittelbar nach Bekanntmachung der Verletzungen innerhalb weniger Stunden die beanstandeten Postings löschte. (…)
Die Antragsgegnerin traf darüber hinaus die Pflicht, die Beiträge des konkreten Forums laufend daraufhin zu prüfen, ob sie erneute Aufrufe der beanstandeten Art enthielten.
Dabei kann die Frage, ob die Antragsgegnerin eine generelle Verpflichtung zur Überwachung aller Einträge in ihre Foren traf, im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Senat neigt allerdings zu der Auffassung, dass die Antragsgegnerin ohne konkreten Anlass jedenfalls nicht die Pflicht zur Überwachung alier von ihr betriebenen Foren gehabt hätte. Dies ergibt sich bereits aus § 6 Abs.2 MDStV.
Diese Vorschrift schließt allerdings nicht aus, bei entsprechendem Anlass eine spezielle Prüfungspflicht des Forenbetreibers anzunehmen, bei deren Verletzung dessen Inanspruchnahme als Störer in Betracht käme. Hierbei ist abzuwägen zwischen der mit einer derartigen Überwachung verbundenen Belastung des Betreibers und der Gefahr von Persönlichkeits- oder Eigentumsverletzungen durch Nutzer des Forums.
Während eine allgemeine Überwachungspflicht (im Falle der Antragsgegnerin bei rund 200.000 Einträgen im Monat, wie diese glaubhaft gemacht hat) mit vertretbaren Mitteln nur schwer durchführbar erscheint, wird die Kontrolle über ein einzelnes Forum, in welchem mit dem Auftreten von Rechtsverletzungen konkret zu rechnen ist, mit wesentlich geringerem Aufwand möglich sein. Eine solche Kontrolle ist dem Betreiber jedenfalls dann zuzumuten, wenn die Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen droht. Bei vollständiger Freihaltung des Betreibers von Überprüfungspflichten auch in diesen Fällen entstände für den Schutz grundrechtlich geschützter Positionen der Betroffenen ein Vakuum, da diese vom Forenbetreiber dann lediglich die Löschung des konkreten Beitrags verlangen könnten, ohne einen darüber hinausgehenden Schutz vor künftigen Verletzungshandlungen erreichen zu können. Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass es dem Verletzten unbenommen sei, gegen den Autor der verletzenden Äußerung vorzugehen, da dieser in vielen Fällen nicht identifizierbar oder erreichbar sein wird.“
Aktuell hat das Landgericht Hamburg mit Urteil v. 27.04.2007 – Az.: 324 O 600/06 im sog. „Supernature-Fall“ entschieden, dass ein Forenbetreiber in vollem Umfang und auch ohne Kenntnis für die auf seiner Plattform getätigten Äußerungen haftet. Darüber hinaus geht das Gericht nun mit der Anwendung des § 54 Rundfunkstaatsvertrag auch noch davon aus, dass es sich bei einem Internetforum um ein redaktionell geführtes Angebot handelt, bei dem Inhalte auf ihre Richtigkeit geprüft werden müssten.
Leitsatz:
1. Ein Forums-Betreiber haftet für „eigene Informationen“ iSd. § 6 Abs. 1 MDStV. „Eigene Informationen“ im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur „eigene Behauptungen“ im Sinne der für Widerruf oder Richtigstellung entwickelten Grundsätze, sondern vielmehr auch Informationen, für deren Verbreitung der Betreiber einer Internetseite seinen eigenen Internetauftritt zur Verfügung stellt, mag auch nicht er selbst, sondern eine dritte Person die konkrete Information eingestellt haben.
2. Eine Grenze der Zurechnung ist allenfalls dann erreicht, wenn durch das Umfeld, in dem die jeweilige Information steht, hinreichend deutlich wird, dass es sich dabei um eine solche Äußerung handelt, deren Verbreitung trotz ihrer Aufnahme in den Internetauftritt der Inhaber der Domain gerade nicht wünscht. Das setzt voraus, dass der Betreiber der Internetseite sich von der betreffenden Äußerung nicht pauschal, sondern konkret und ausdrücklich distanziert.
3. Diese Wertung findet sich auch im neuen § 54 RfStV wieder, der nunmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für alle Anbieter redaktionell gestalteter Angebote gilt. Hierzu gehören auch Internetforen.
Keine Haftungsprivilegierung nach dem TMG
Ein Forenbetreiber kann sich nicht auf die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG (vormals § 11 TDG) berufen:
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern
1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder
2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird.
Hierzu führt der Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.03.2007, VI ZR 101/06,aus:
„Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit lässt sich insbesondere nicht aus der Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG herleiten. Diese Vorschrift findet ebenso wie § 11 TDG, worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist, auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung. Wie sich aus § 7 Abs. 2 TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung (BGHZ 158, 236, 246 ff. zu § 11 S. 1 TDG). Unterlassungsansprüche bleiben von dieser Vorschrift – ebenso wie auch schon von §§ 8, 11 TDG bzw. § 5 TDG Abs. 1 bis 3 a.F. – unberührt (BGHZ 158, 236, 248).“
Zusammenfassend kann festgestellt werden:
Der Betreiber eines Forums haftet für rechtswidrige, strafrechtlich relevante Postings auf Unterlassung.
Er ist verpflichtet die Postings zu löschen, wenn er von diesen Kenntnis erlangt. Der Betreiber muss die beanstandeten Postings löschen und sollte nach der Rechtsauffassung des Verfassers darauf achten, dass die Postings auch nicht über den Cache von Suchmaschinen abrufbar sind. Aus technischer Sicht sollte die Speicherung in Internetarchiven verhindert werden.
Der Betreiber eines Forums ist verpflichtet, bei der Ermittlung des Störers mitzuwirken. Jeder Betreiber muss sich fragen, ob er anonyme Postings, bei denen lediglich die IP-Adresse ermittelt werden kann, zulässt oder aber durch eine Anmeldung die Daten der Nutzer erhebt und somit eine Rückverfolgbarkeit ermöglicht.
Ungeklärt ist, ob der Betreiber eines Forums dafür Sorge tragen muss, dass rechtswidrige Inhalte überhaupt nicht veröffentlicht werden (Vorab-Prüfung). Sollte sich insoweit die Rechtsprechung des LG Hamburg und des Hanseatischen OLG durchsetzen, dürfte dies das Ende der Internetforen und Blogs bedeuten. Eine solche Maßnahme wäre technisch als auch finanziell für die meisten Betreiber nicht zu realisieren. Letztlich wird auch nur der BGH diese Rechtsfrage abschließend klären können. In der Zwischenzeit sollte der Betreiber seine Foren in regelmäßigen Abständen kontrollieren.
Jeder der ein Forum oder ein Blog betreiben will, sollte sich bewusst sein, dass er sich aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung einem erheblichen Haftungsrisiko aussetzt.