OLG Hamm – Rotlichtverstoß an einer Baustellenampel – kein Fahrverbot


Schoenemann/Pixelio

Die Betroffene hatte vor einem Baustellenbereich eine seit mehreren Sekunden Rotlicht zeigende Ampel mißachtet. Vor der Baustellenampel hielt bereits ein anderer PKW seit mehreren Sekunden. Die Betroffene umfuhr auf der linken Fahrbahnseite den wartenden PKW, missachtete das Rotlicht und bog vor Erreichen des Rotlichts nach rechts ab. Der Gegenverkehr wurde durch den Verstoß nicht behindert oder gefährdet, setzte jedoch unmittelbar nach dem Verstoß und noch während des Abbiegevorgangs der Betroffenen ein.

Das Amtsgericht hatte die Betroffene wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 188 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Betroffene legte Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht Hamm ein, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch. Das OLG Hamm hob daraufhin das Fahrverbot auf.

Aus den Gründen:

Das Amtsgericht hat die Geldbuße und das Fahrverbot auf Grundlage der Bußgeldkatalogverordnung festgesetzt. Die Regelahndung des in der Anlage zum Bußgeldkatalog beschriebenen Rotlichtverstoßes durch ein Fahrverbot neben einer Geldbuße dient dem Schutz möglichen und ungefährdeten Querverkehrs wie auch anderer durch Wechsellichtzeichen geschützter Verkehrsbereiche. Bei dem Nichtbeachten einer Rotlicht zeigenden Baustellenampel versteht sich aber nicht von selbst, dass der Gegenverkehr im Baustellenbereich infolge des Rotlichtverstoßes nicht nur behindert, sondern gefährdet wird (Senatsbeschluss vom 7. Juni 1994 , 4 Ss OWi 605/94 OLG Hamm). Da das Amtsgericht festgestellt hat, dass der Gegenverkehr durch den Rotlichtverstoß nicht behindert oder gefährdet wurde, ist die Regelahndung des Bußgeldkatalogs vorliegend nicht in Anwendung zu bringen.

Dieser Rechtsfehler führt indes nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, da der Senat aufgrund der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen eine hinreichende Tatsachengrundlage hat, um in der Sache selbst zu entscheiden (§ 79 Abs. 6 1. Alt. OWiG).

Gemäß § 17 Abs. 3 OWiG sind Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; zudem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu beachten. Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass die Betroffene vorsätzlich gehandelt hat, während der Bußgeldkatalog fahrlässiges Handeln zugrunde legt. Bei der gemäß § 17 Abs. 3 OWiG vorzunehmenden Gesamtabwägung fiel für die Betroffene nachteilig ins Gewicht, dass die Wechsellichtzeichenanlage bereits länger als eine Sekunde Rotlicht zeigte, als sie das Rotlicht missachtete. Zugunsten der Betroffenen war andererseits ihr Geständnis zu beachten sowie der Umstand, dass eine Haltelinie fehlte. Mildernd fiel ferner ins Gewicht, dass die Tat nunmehr fast 10 Monate zurückliegt. Unter Berücksichtigung der im Verkehrszentralregister erfassten Voreintragungen jeweils wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 21 bzw. 22 km/h (Bußgeldbescheide des Hochsauerlandkreises vom 19.10.2005 und 14.02.2006) ist eine Geldbuße von 150,- € tat- und schuldangemessen. Der Senat hat hierauf erkannt.

Der Verhängung eines Fahrverbotes bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Es kann nicht von einem besonders schwerwiegenden Rotlichtverstoß der Betroffenen ausgegangen werden, auch wenn nach den Feststellungen die Wechsellichtzeichenanlage bereits länger als eine Sekunde Rotlicht gezeigt hat. Wie bereits ausgeführt, kommt der Grundgedanke der verschärften Regelahndung eines Rotlichtverstoßes bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotlichtphase des Wechsellichtzeichens nach dem Bußgeldkatalog, nämlich berechtigter Schutz des Querverkehrs, nicht zum Tragen. Denn die Wechsellichtzeichenanlage, deren Rotlicht die Betroffene missachtet hat, war hier ausschließlich zur Regelung des Verkehrs im nur einspurig befahrbaren Baustellenbereich eingerichtet. Eine konkrete Gefährdung des Gegenverkehrs bestand nach den Feststellungen nicht.

OLG Hamm, Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 4 Ss OWi 740/06

, , , ,