AG Lüdinghausen – Der Hase wars!


(c) der Lord / Pixelio

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Der Betroffene wurde von Geschwindigkeitsmessanlage es 3.0 des Herstellers eso außerorts mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h bei erlaubten 70 km/h gemessen. Nach Abzug des erforderlichen Sicherheitsabschlages von 3 km/h ergab sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 97 km/h und somit eine Überschreitung von 27 km/h. Dass er der Fahrer war, räumt der Betroffene ein, meinte aber, das Gerät habe falsch gemessen. Hiefür lieferte er auch eine sehr „überzeugende“ Begründung:

„Ich war auf der oben genannten Straße mit ca. 75-80 km/h unterwegs als ich am rechten Straßenrand einen Hasen bemerkte, der für eine kurze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach ein paar Metern raste der Hase nach vorne und überquerte einige Meter vor meinem Fahrzeug die Straße, so dass ich ihn aus den Augen verlor. Dieses Ereignis muss die Messung zu meinem Nachteil beeinflusst haben.“

Auf dem Messfoto war jedoch kein Hase zu sehen. Weitere Anhaltspunkte für etwaige Messfehler oder Fehlbedienungen – mit Ausnahme des bereits erwähnten Hasen – waren für das Gericht nicht erkennbar, so dass von einer ordnungsgemäßen und verwertbaren Messung auszugehen war und der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit zu einer Geldbuße von 60 Euro und wegen zweier Voreintragungen im Verkehrszentralregister zu einem Fahrverbot von 1 Monat verurteilt wurde.

Aus den Gründen:

Wie bereits oben dargestellt, ist auf dem Messfoto ein Hase nicht zu erkennen, sondern vielmehr das Fahrzeug des Betroffenen. Zudem ist auf der Gegenfahrbahn unmittelbar im Bereich vor der Front des Betroffenen ein entgegenkommendes Fahrzeug erkennbar, so dass eine Überquerung der Fahrbahn durch einen Hasen nach Einschätzung des Gerichtes nicht glaubhaft ist, sondern als bloße Schutzbehauptung des Betroffenen zu werten ist. Ein unmittelbar vor dem Fahrzeug des Betroffenen querender Hase müsste nämlich auch eigentlich aufgrund der zwei sich begegnenden Fahrzeuge „unter die Räder“ gekommen sein. Hiervon hat der Betroffene allerdings nichts berichtet.

Im Übrigen bewegen sich Hasen üblicherweise nicht mit Geschwindigkeiten von nahezu 100 km/h. So heißt es etwa in einem Im Internet unter http://www.vu-wien.ac.at/i128/pub/weidwerk/valencak%20ruf%205-2005.pdf frei abrufbaren Beitrag „Wildtiere: Schnelligkeit entscheidet!“ der renommierten Wissenschaftler Mag. V und Univ.-Prof. Dr. R, erschienen in der Zeitschrift Weidwerk 5/2005 zur Geschwindigkeit von Hasen:

“ Bei besonders schnellen Tieren beobachtet man, dass die Muskelmasse eher nach innen Richtung Körperschwerpunkt verlagert wird, sodass die Unterläufe zart erscheinen, Oberschenkel und Hüfte dagegen von großen Muskelpaketen umgeben sind. Diese anatomischen Verhältnisse finden sich zum Beispiel sowohl beim Geparden als auch bei unserem einheimischen Feldhasen. Die „Leichtfüßigkeit“ dieser Tiere maximiert ihre Geschwindigkeit, da der äußere Lauf beim Rennen die größte Beschleunigung erfährt. Hasen sind etwa viermal schneller als Nagetiere der gleichen Körpergröße, wobei die hohe Geschwindigkeit von 72 km/h praktisch ausschließlich mithilfe der körpernahen Muskulatur der Hinterläufe und durch eine enorme Streckphase erreicht wird.“

Gegen die Einlassung des Betroffenen spricht weiterhin die durch das Gerät vorgenommene Abstandsmessung bei der Geschwindigkeitsmessung, die ausweislich der urkundsbeweislichen Verlesung des Datenfeldes des Messfotos einen Wert von 7,20 m für die Messung als Abstandswert des gemessenen Gegenstandes angibt.

Aus dem Messprotokoll und der Zeugenaussage des (Messbediensteten) ergibt sich jedoch, dass der Straßenrand – also die am unteren Rand des Messfotos sichtbare Randmarkierung – von dem Messsensor bereits 612 cm entfernt war, so dass die Messung einen vorbeifahrenden Gegenstand betrifft, der sich über 1 m weiter auf der eigentlichen Fahrbahn befindet. Der Betroffene aber hat in seiner Einlassung erklärt, der Hase, der die Messung beeinflusst haben könnte, sei am Straßenrand entlang gelaufen und dann über die Straße gelaufen. Dies ist mit der Abstandsmessung des Messsystems, auf die sich ebenfalls die Eichung des Messsystems bezieht, nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Letztlich ist es auch so, dass durch die Abtastung und den Vergleich der verschiedenen abgetasteten Helligkeitsprofile gerade sichergestellt wird, dass äußere Einflüsse die Messung mit dem ES 3.0 nicht beeinflussen können. Ein sich bewegender Hase mit einer Geschwindigkeit von 97 km/h würde sich nach Einschätzung des Gerichts durch die erforderlichen motorischen Bewegungen des Körpers derart stark bewegen, dass er bei den jeweiligen Sensoren des Messgerätes verschiedene Lichtprofile erzeugen würde. Aus demselben Grunde scheidet auch ein Zusammenwirken der Helligkeitsprofile des Fahrzeugs und des Hasen als Auslöser für die Messung aus. (…)

AG Lüdinghausen, Urteil vom 19.01.2009, Az: 19 OWi 89 Js 1880/08 – 170/08

Anders das AG Grimma. Dieses nahm in einer Entscheidung vom 31.08.2009,Az. 3 OWI 166 JS 35228/09, DAR 2009, 659, ein Beweisverwertungsverbot bei einer Messung mit dem es 3.0 an: Aus der Entscheidung des BVerfG vom 31.08.2009 ergebe sich, dass auch bei einer Geschwindigkeitsmessung mittels Lichtschranke – hier ES 3.0 -, bei der ein Frontfoto zur Identifizierung des Fahrers und des Fahrzeuges gefertigt wird, ein Beweiserhebungs- sowie verwertungsverbot anzunehmen ist, wenn für diesen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen keine gesetzliche Grundlage vorliegt. Über den vom BVerfG entschiedenen Fall der Videoüberwachung gilt das Verwertungsverbot nach Auffassung des AG Grimma auch für jede Art von Verkehrsverstößen, bei welchen eine Identifizierung des Fahrers nur mittels des Tatbildes möglich ist, d.h. auch für Geschwindigkeitsmessungen – stationär und mobil außer Lasermessungen – und stationäre Rotlichtüberwachung. Auch in diesen Fällen müssen die Ausführungen des BVerfG Anwendung finden.

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