Die Freude eines Empfängers von Sozialleistungen über einen Lotteriegewinn in Höhe von 500 Euro währte nur kurz, als die Leistungen eben um diesen Gewinn aufgehoben und zurückgefordert wurden. Der Leistungsempfänger legte hiergegen Widerspruch ein. Seit 2001 habe er das Los, in das er im Laufe der Zeit insgesamt 945 Euro investierte. Selbst bei Gegenrechnung des Gewinns verbleibe ein Minus, so dass man nicht von Einkommen sprechen könne.
Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob der Leistungsempfänger Klage zum Sozialgericht, allerdings ohne Erfolg. Das Sozialgericht Detmold sah den Gewinn als Einkommen an, welches den Leistungsanspruch um den gewonnenen Betrag minderte. Die Ausgaben für das Los können dem nicht gegengerechnet werden, da diese für den Gewinn nicht ursächlich waren. Mit dem Loskauf erwirbt man keinen Anspruch auf einen Gewinn, dieser ist immer ungewiss und eben vom Glück abhängig. Unabhängig davon hielt das Gericht Lottospielen wegen der geringen Gewinnchancen für höchst unvernünftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht die Berufung zugelassen.
Aus den Entscheidungsgründen:
(…) der Kläger hat im Oktober 2007 in der Lotterie B 500,00 EUR gewonnen. Diese 500,00 EUR verringern seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II, denn es handelt sich um Einkommen im Sinne des § 11 SGB II. Danach sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit den dort benannten hier aber nicht vorliegenden Ausnahmen zu berücksichtigen. Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen, dass, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 30.09.2008 \226 B 4 AS 29/07 R). Die 500,00 EUR Lotteriegewinn hatte der Kläger bei Antragstellung noch nicht und hat sie daher offensichtlich dazu bekommen. Glückspielgewinne werden daher allgemein als Einkommen qualifiziert (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn 81; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.11.2006 \226 L 8 AS 325/06 ER, zitiert nach Juris Rn 28; Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 11.12.2006 \226 S 32 AS 224/06).
Es handelt sich bei diesem Einkommen auch nicht um das Surrogat eines bei Antragstellung bereits bestehenden Vermögens. Die Zahlung der Beiträge für das Los haben nicht wie z.B. bei dem Verkauf von Wertgegenständen lediglich zu einer Vermögensumschichtung geführt indem z.B. Wertgegenstände gegen Bargeld ausgetauscht wurden. Die vor dem Bewilligungszeitraum von dem Kläger gezahlten Beiträge scheiden ohnehin aus, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits begrifflich nicht mehr zu seinem Vermögen gehört haben können. Durch die Zahlungen sind die Geldbeträge aus dem Vermögen abgeflossen, ohne das im Gegenzug das Vermögen erhöht wurde. Auch die übrigen Zahlungen haben nicht zu einer unmittelbaren Vermögensumschichtung geführt. Der Kläger hat vielmehr durch die Zahlung der Beiträge nicht im unmittelbaren zeitlichen und kausalen Zusammenhang eine andere Vermögensposition erworben. Insbesondere wurde kein feststehender Anspruch auf die Auszahlung eines Gewinns erworben und in fast allen Fällen ist es auch nicht zu einem Gewinn gekommen. Bis auf die letzte Zahlung waren auch alle anderen Zahlungen für den jetzigen Gewinn nicht ursächlich.
Die Annahme des Klägers, dass er durch die ständige Teilnahme an der Lotterie seine Gewinnchancen erhöht habe, ist unzutreffend. Auch wenn immer die gleiche Losnummer gespielt wurde, ist die Gewinnchance vielmehr immer gleich niedrig. Ein zufälliges Ereignis wird nicht wahrscheinlicher, weil es längere Zeit nicht eingetreten ist (vgl. www.wikipedia.de „Spielerfehlschluss“). Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass der Kläger den Gewinn durch die Beitragszahlung seit 2001 teilweise praktisch angepasst hat (hierzu vgl. BSG vom 30.09.2008 \226 B 4 AS 57/07 R). Selbst für die Zahlung von 15,00 EUR in dem Gewinnmonat Oktober 2007 hat der Kläger nicht unmittelbar eine vermögenswerte Gegenleistung erhalten. Die Gewinnchance war vielmehr so niedrig, dass von einem Vermögenswert nicht gesprochen werden kann.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Niete beiträgt beim Lotto 95,75 Prozent bei einer Gesamtausschüttung von 50 Prozent der Einnahmen (vgl. www.wikipedia.de „Lotto“). Da bei der Lotterie der „B“ nach den Lotteriebestimmungen (vgl. B „Verbraucherinformationen“) nur 30 Prozent der Einnahmen ausgespielt werden, dürfte die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn noch niedriger sein. Die Zahlungen an die B sind daher mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von über 95 Prozent als freiwillige finanzielle Unterstützung dieser Aktion zu qualifizieren, für die eine dem Kläger zufließende vermögenswerte Gegenleistung nicht erfolgt. Der spätere Gewinn ist keine im unmittelbaren zeitlichen und kausalen Zusammenhang erfolgte SG LIP Urteil – 23.10.2009 – S 13 AS 3/09 3 / 3 Gegenleistung und damit nicht lediglich eine Vermögensumschichtig.
Erst nachdem die 15,00 EUR Beitrag ohne Gegenleistung aus seinem Vermögen ausgeschieden waren realisierte sich zufällig die (sehr niedrige) Gewinnchance und führte zu einer Vermögensmehrung und damit zu Einkommen. Die mit dem Lotteriegewinn erzielte Einnahme bleibt auch über den Monat des Zuflusses bzw. der ersten Anrechnung hinaus Einkommen. Die rechtliche Qualität dieser Einnahme ändert sich während des gesamten Verteilzeitraumes nicht (BSG, Urteil vom 30.09.2008 \226 B 4 AS 29/07 R, zitiert nach Juris, Rn 21). Dies folgt schon daraus, dass andernfalls eine verteilte Anrechnung des Einkommens \226 wie in § 2 Abs. 3 Alg-II-V \226 gar nicht möglich wäre. Von diesem Einkommen sind die gezahlten Monatsbeiträge für die Lotterie nicht gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II abzusetzen. Danach sind vom Einkommen abzusetzen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben. Die Ausgaben sind notwendig, wenn sie durch die Einkommenserzielung bedingt sind und dem Grunde sowie der Höhe nach bei vernünftiger Wirtschaftsführung anfallen (Mecke in Eicher-Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 11 Rn 116 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Bei vernünftiger Wirtschaftsführung hätte der Kläger unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gewinnwahrscheinlichkeit von unter 5 Prozent die Lose der B nicht erwerben dürfen. Im Hinblick auf die angestrebte Einnahme war der Einsatz dieser Geldmittel vielmehr höchst unvernünftig und hat im Wesentlichen der Unterstützung der B und damit der privaten Lebensführung und nicht der Einnahmeerzielung gedient. Bei Aufwendungen, die zumindest zugleich der privaten Lebensführung dienen, scheidet eine Anerkennung als „Werbungskosten“ aus (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O. § 11 Rn 162). (…)
Sozialgericht Detmold, Urteil vom 23.10.2009, Az: S 13 AS 3/09 (sozialgerichtsbarkeit.de)