OLG Frankfurt a.M. – für unberechtigte Nutzung einer WLAN-Verbindung muss der Inhaber nicht einstehen


Ein Nutzer einer Internet-Tauschbörse bot unter der IP-Adresse des später beklagten Anschlussinhabers einen Tonträger zum Download an. Der Beklagte behauptete, er sei zum Zeitpunkt des Vorfalls urlaubsabwesend gewesen und ein Dritter müsse sich Zugang zu seinem PC verschafft haben. Die Rechteinhaberin klagte auf Unterlassung sowie Schadensersatz und machte geltend, der Beklagte eröffne als Inhaber eines Internetanschlusses eine Gefahrenquelle und habe daher sicherzustellen, dass sein Anschluss nicht durch Dritte für Rechtsverletzungen genutzt werde.
In den Medien werde immer wieder über die missbräuchliche Nutzung von WLAN-Verbindungen berichtet. Der Beklagte hätte daher Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, wie die Sicherung seines Routers durch ein individualisiertes Passwort, den Einsatz der besonderen Verschlüsselungsmethode WPA 2 und den Verzicht einer Aufstellung des Routers am Fenster oder Außenwänden.

Das Landgericht hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Es hatte dahinstehen lassen, ob der Beklagte die Verletzungshandlung selbst begangen hat, weil nicht auszuschließen sei, dass die Rechtsverletzung durch andere, nicht bekannte Dritte erfolgt sei. Für diese habe der Beklagte aber einzustehen.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil nun aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es vertritt die Auffassung, dass der Beklagte nicht als Störer hafte. Selbst wenn man – wie ein Teil der Rechtsprechung – eine anlassunabhängige Überwachungspflicht des Anschlussinhabers – z.B. für Familienangehörige – annehme, gehe eine uneingeschränkte Haftung des WLAN-Anschlussinhabers deutlich weiter, weil er für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter einstehen müsse, die mit ihm in keinerlei Verbindung stünden. Dies sei bedenklich, weil die jeden in eigener Verantwortung Handelnden treffende Pflicht, sich recht- und gesetzmäßig zu verhalten, nicht mit Hilfe der Störerhaftung über Gebühr auf Dritte ausgedehnt werden dürfe.

Eine Störerhaftung komme danach nur in Betracht, wenn Prüfungspflichten verletzt worden seien. Dies wiederum setze konkrete Anhaltspunkte für rechtswidrige Handlungen Dritter voraus. Auch der WLAN-Anschlussbetreiber im privaten Bereich hafte daher nicht wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses von außen, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestünden. Solche konkreten Anhaltspunkte hätten für den Beklagten nicht vorgelegen. Die Behauptung der Klägerin, das Risiko, dass Dritte sich über einen fremden WLAN-Anschluss Zugang zum Internet verschafften, sei allgemein bekannt, sei zweifelhaft und im Übrigen viel zu ungenau, als dass sich daraus Rückschlüsse auf das tatsächlich bestehende Risiko herleiten ließen. Darüber hinaus erschienen dem Oberlandesgericht die von der Klägerin für erforderlich gehaltenen Sicherungsmaßnahmen unverhältnismäßig.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zugelassen hat.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 01.07.2008, Az: 11 U 52/07

Quelle: Pressemitteilung der Justiz Hessen vom 07.07.2008

siehe auch Offene Netze und Recht vom 30.07.2008 mit weiterführenden Informationen

Praxisrelevanz.

Das OLG Frankfurt bestätigt seine Linie, wonach einem Anschlussinhaber keine überhöhten Sorgfalts- und Überwachungspflichten aufgebürdet werden dürfen. Mit Beschluss vom 20.12.2007, Az:11 W 58/07, lehnte das OLG Frankfurt es ab, einem Familienvater die Kosten eines Verfügungsverfahrens aufzuerlegen, über dessen Anschluss Musikstücke in einem Fileshare-System getauscht worden waren. Urheberrechtsverletzung durch eines seiner Familienmitglieder begangen worden sei. Es läge zwar nahe, dass die Urheberrechtsverletzung durch Familienangehörige begangen wurde. Hierfür habe der Anschlussinhaber aber nicht einzustehen. Er auch nicht ohne weiteres verpflichtet, nahe Familienangehörige bei der Nutzung des Anschlusses ohne konkrete Anhaltspunkte einer Rechtsverletzung zu überwachen.

Anders entschied bspw. das LG Mannheim (Beschluss vom 25.01.2007, Az. 7 O 65/06) in einem Fall, bei dem über das unverschlüsselte Funknetzwerk einer Anschlussinhaberin Spiele in einer Tauschbörse angeboten wurden. Grundsätzlich müsse der Anschlussinhaber nach Auffassung des LG Mannheim dafür sorgen, dass sein Anschluss nicht für Rechtsverletzungen genutzt wird. Wer Inhaber eines Internetanschlusses ist und ein unverschlüsseltes Funknetz (WLAN) beitreibt, womit der Internetzugang jedermann möglich gemacht wird, habe Prüfungs- und Obhutspflichten. Wer diese Pflichten verletzt, hafte für Rechtsverletzungen Dritter, die über den ungesicherten Internetanschluss begangen werden, als Störer.

Auch das LG Köln sieht in der Überlassung eines Internetzugangs an Dritte, insbesondere an minderjährige Jugendliche, eine Gefahr (Urteil vom 22.11.2006, AZ: 28 O 150/06). Es bestehe die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von diesen Rechtsverletzungen begangen werden. Dieses Risiko löse Prüf- und Handlungspflichten desjenigen aus, der den Internetzugang ermöglicht, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen.

Das LG München (Urteil vom 19.06.2008, Az. 7 O 16402/07) meint sogar, Anschlussinhaber, die den Internetzugang ihren Kindern zur Verfügung stellen, müssten diesen eine einweisende Belehrung erteilen und die Internetnutzung laufend überwachen.

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