OLG Köln – auch die Nutzung der Navigationsfunktion eines Mobilfunktelefons während der Fahrt ist verboten


Der Fahrer eines Pkw wurde von der Polizei beobachtet, wie er während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hielt. Der Fahrer hatte das Gerät zuvor seiner Brusttasche entnommen, um das im Telefon enthaltene Navigationssystem zu nutzen. Das Amtsgerichts Bonn verurteilte ihn wegen vorsätzlicher Nutzung eines Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 70 €. Hiergegen beantragte der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, da das Amtsgericht die Vorschrift des § 23 Abs. 1 a StVO falsch angewendet hat und zu befürchten sei, dass das Gericht sich auch künftig in Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung setze.

Das Oberlandesgericht Köln ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu, da nach dem Verständnis der Vorschrift des § 23 Abs. 1 a StVO die Verwendung des Telefons als Navigationsgerät ein Verwenden als „Telefon“ bleibe, auch wenn gar nicht telefoniert werde.

Aus den Gründen:

Die Auslegung der Vorschrift ist in der letzten Zeit Gegenstand zahlreicher obergerichtlicher Entscheidungen gewesen. Danach schließt der Begriff der Benutzung nach dem allgemeinen Sprachverständnis einerseits die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 599/00, S. 18 zu Art. 1 Nr. 4 der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11.12.2000 – BGBl. I 1690) hervorgehoben, dass neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz auch „die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet etc.“ verboten sein sollen. Danach unterfällt es nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung ohne weiteres dem Wortsinn der Vorschrift, wenn der Fahrzeugführer das Gerät zwecks Vorbereitung eines Gesprächs (OLG Hamm NZV 2007, 483) oder Abhörens eines Signaltones (OLG Hamm NStZ-RR 2007, 248 = NZV 2008, 49) an das Ohr hält oder die im Gerät befindliche Telefonkarte zu dem Zweck hin- und herschiebt, das Telefon funktionstüchtig zu machen (OLG Hamm NJW 2007, 1078 = DAR 2007, 219). Alle diese Betätigungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung des Mobiltelefons in seiner eigentlichen Funktion als Instrument der Kommunikation.

Darüber hinaus ist nach einigen Entscheidungen unter Benutzung eines Mobiltelefons aber auch die Wahrnehmung der von Geräten neuerer Bauart zur Verfügung gestellten vielfältigen Möglichkeiten als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten zu verstehen. Erforderlich soll insoweit lediglich sein, dass es sich bei dem Gerät seiner Art nach überhaupt (oder jedenfalls auch) um ein Mobiltelefon handelt (was nach Auffassung des OLG Bamberg [NJW 2008, 599] bei der Freisprecheinrichtung nicht der Fall sein soll). Ist ein Gerät zum Telefonieren geeignet und bestimmt, soll es demgegenüber ohne Bedeutung sein, wenn es über weitere Funktionen verfügt, denn dadurch werde seine Eigenschaft als Mobiltelefon nicht beseitigt (vgl. OLG Karlsruhe MMR 2007, 112 = NJW 2007, 240 = DAR 2007, 99 = VRS 111, 444 zur Nutzung eines sog. „Palm-Organizers“). Daher ist nach dieser Rechtsprechung der Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO auch dann erfüllt, wenn das Gerät nur zum Ablesen einer gespeicherten Notiz (OLG Hamm NJW 2003, 912f.), einer gespeicherten Telefonnummer (OLG Hamm NJW 2006, 2870 = VRS 111, 213) oder der Uhrzeit auf dem Display (OLG Hamm NJW 2005, 2469 = NStZ 2005, 707 [708] = DAR 2005, 639 = NZV 2005, 548 = VRS 109, 129 [130]) benutzt wird. Darüberhinaus soll auch die Nutzung als Diktiergerät i.S.d. der Bußgeldvorschrift unzulässig sein (OLG Jena NJW 2006, 3734 = VRS 111, 205 [206] = DAR 2007, 157).

Auf der anderen Seite ist für eine Sanktionierung des Fahrzeugführers die Feststellung eines Bezugs der Handhabung zu einer der vom Mobiltelefon zur Verfügung gestellten Funktionen erforderlich. Fehlt ein solcher Bezug – wie etwa bei einer reinen Ortsverlagerung des Geräts innerhalb des Fahrzeugs – ist die Grenze äußerster verfassungskonformer Auslegung, die durch den noch möglichen Wortsinn des § 23 Abs. 1 a StVO erlaubt wird, überschritten (vgl. SenE v. 23.08.2005 – 83 Ss-OWi 19/05 – = NJW 2005, 3366 = NZV 2005, 547 = DAR 2005, 695; dem folgend: OLG Bamberg, BeckRS 2007, 08729; OLG Düsseldorf NZV 2007, 95 = NStZ-RR 2007, 92; OLG Hamm BeckRS 2007, 17757, Benutzung des Geräts als „Wärmeakku“).

Vor dem Hintergrund der angeführten Entscheidungen erscheint der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 a StVO hinreichend geklärt. Wenn auch die im vorliegenden Falll beabsichtigte konkrete Nutzung noch nicht Gegenstand einer Rechtsbeschwerdeentscheidung gewesen ist, ist doch der Gesamtheit der obergerichtlichen Rechtsprechung mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass auch die Nutzung der Funktion des Gerätes als Navigationshilfe als unzulässig anzusehen ist.

Das Normverständnis des Amtsgerichts entspricht nach Auffassung des zuständigen Einzelrichters des Senats im Übrigen (noch) der verordnungsgeberischen Intention. Nach der exemplarischen Aufzählung in der BR-Drucksache, die ersichtlich eine weite Auslegung („sämtliche Bedienfunktionen“) ermöglichen soll, soll vom Begriff der Nutzung auch der „Abruf von Daten“ erfasst sein. Die Nutzung des Geräts als Navigationshilfe beinhaltet aber – ähnlich wie die Teilnahme am Internetverkehr – einen solchen Abruf und stellt damit – in einem weiteren Sinne – einen Kommunikationsvorgang dar. Ein solcher soll jedenfalls im Zusammenhang mit einem Mobiltelefon unterbleiben. Der Betroffene hat das Gerät auch nicht lediglich verlagern, sondern seiner eigenen Einlassung zufolge konkret nutzen wollen. Das erforderte ein Aufnehmen oder Halten des Geräts mit der Folge, dass die Gefahr mentaler Ablenkung vorhanden war und die Hände vorübergehend nicht am Lenkrad verbleiben konnten. (…)

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 26.06.20088, Az: 1 Ss-Owi 49/08
(Volltext unter www.justiz.nrw.de)

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