AG Augsburg – Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt sind auch bei einem 19 Jahre alten Fahrzeug zu ersetzen


Grundsätzlich ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls in der Wahl der Reparaturwerkstatt frei. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung hat die dort tatsächlich anfallenden Reparaturkosten und auch die höheren Stundenverrechnungssätze zu ersetzen. Rechnet der Geschädigte den Schaden fiktiv, d.h. auf Basis eines Gutachtens ab und lässt eine Reparatur tatsächlich nicht durchführen, kürzen die Versicherungen gern die Stundenverrechnungssätze und verweisen auf angeblich günstigere „Partnerwerkstätten“.
In einem vom Amtsgericht Augsburg zu entscheidenden Fall, hatte die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners es mit dem allseits bekannten Argument versucht, der Geschädigte habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil er seinem Anspruch die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde gelegt hat und es preisgünstigere Reparaturmöglichkeiten gebe, welche die Versicherung ihm auch benannt hätte.

Das AG Augsburg entschied, entspricht dass dem Geschädigten selbstverständlich die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt, auch bei fiktiver Abrechnung zustehen.

Aus den Gründen:

Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung von weiteren 336,02 EUR aus einem Verkehrsunfall (…) zur Seite. Die von der Beklagten durchgeführte Kürzung (…) ist nicht berechtigt. (…) Insoweit ist nach Auffassung des Gerichts das sogenannte “Porsche-Urteil” des BGH unmissverständlich. Demnach muss sich ein Geschädigter nicht darauf verweisen lassen – auch bei fiktiver Abrechnung nicht – sein Fahrzeug in einer nicht markengebundenen Fachwerkstätte kostengünstiger reparieren zu lassen. Es ist ihm auch nicht zuzumuten, diesbezüglich einen Ermittlungsaufwand dahingehend zu führen, welches in seinem Umkreis die kostengünstigste Fachwerkstätte ist. Im vorliegenden konkreten Fall ist als weiteres Argument noch zu berücksichtigen, dass das beschädigte Fahrzeug mit einer Erstzulassung 03.05.1988 fast schon als Oldtimer zu betrachten ist. Aus diesem Grunde zieht auch das Argument der Beklagten, sie habe hier konkrete kostengünstigere Reparatur- Varianten aufgezeigt nicht. Die Beklagte hätte hier substantiiert darlegen und unter Beweis stellen müssen, dass die nicht markengebundenen Fachwerkstätten die Ersatzteile für das bereits 19 Jahre alte Fahrzeug genauso zeitnah und zu den gleichen Preisen erhalten hätte, wie die markengebundene Fachwerkstätte.

AG Augsburg, Urteil vom 16.04.2008, Az: 74 C 523 0/07
Volltext unter www.unfall.net/blog

Praxisrelevanz:

Der Geschädigte kann die Reparatur seines Fahrzeuges in der Werkstatt seiner Wahl durchführen zu lassen und dann konkret auf Basis der dort tatsächlich anfallenden Stundenverrechnungssätze abrechnen. Bei fiktiver Abrechnung des Schadens, d.h. auf Basis seines Gutachtens, ohne tatsächlich eine Reparatur durchführen zu lassen, z.B. weil er das Geld lieber anderweitig einsetzen möchte, wird der Streit um die Stundenverrechnungssätze relevant.

Die Entscheidung des Gerichts ist in konsequenter Anwendung der Entscheidung des BGH im sog. „Porsche-Urteil“ (BGH, Urteil vom 29. 4. 2003, AZ: VI ZR 398/02 – in NJW 2003, 2086) richtig. Hätte die Versicherung dem Geschädigten eine günstigere, ohne weiteres erreichbare Werkstatt seiner Fahrzeugmarke benannt, hätte sich der Geschädigte sich auf diese verweisen lassen müssen.

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